Wüstenläuferlerche (Alaemon desertorum)

[264] Die Wüstenläuferlerche (Alaemon desertorum und Jessei, Alauda desertorum und bifasciata, Certhilauda desertorum, bifasciata, meridionalis, Doriae und Salvini) ist oberseits isabellröthlich, auf den hinteren Armschwingen zimmetröthlich; Zügel, Augenstreif, Kopfseiten und Untertheile sind weiß, die Kropftheile zart isabellfahl, mit feinen dunklen Schaftstrichen geziert, die Handschwingen schwarz, die hintersten am Ende, die vorderen von der dritten an an der Wurzel, die Armschwingendecken am Ende weiß, die Armschwingen weiß, eine breite Querbinde bildend, die Schwanzfedern braunschwarz, außen und am Ende isabellröthlich gesäumt, die äußersten Federn außen ganz weiß, die beiden mittleren zimmetröthlich, längs des Schaftes braun. Die Länge beträgt zweiundzwanzig, die Fittiglänge zwölf, die Schwanzlänge neun Centimeter.

Das Verbreitungsgebiet der Läuferlerche, welche wiederholt auch in Südeuropa erlegt wurde, umfaßt ganz Nordostafrika und Westasien, Palästina, Persien und Sindh. Sie ist in allen Wüsten [264] Nordostafrikas nicht gerade selten; in der Steppe habe ich sie jedoch nie bemerkt. Besonders häufig habe ich sie zwischen Kairo und Sues beobachtet. Ich fand sie höchstens in kleinen Familien zu vier bis sechs Stück, niemals in Flügen, gewöhnlich in Paaren. Von diesen wohnt eines dicht neben dem anderen, und wie es scheint, besuchen sich die Nachbarn oft gegenseitig in aller Freundschaft.

In ihrem Betragen ist die Wüstenläuferlerche ein wirkliches Mittelglied zwischen ihren engeren Verwandten und den Rennvögeln. Sie läuft absatzweise, ungemein rasch, viel mehr strandläufer- als lerchenartig, fast ganz wie der Wüstenrennvogel, fliegt leicht, viel schwebend und sehr oft schnurgerade, nicht langsam steigend wie andere Lerchen, sondern mit jähen Flügelschlägen rasch in die Höhe, schwebt einige Augenblicke lang auf einer und derselben Stelle und läßt sich plötzlich mit zusammengelegten Flügeln wieder zum Boden oder auch wohl auf einen Busch herabfallen, springt von diesem sodann auf den Boden hernieder und läuft nun eilfertig weiter. Dieses Spiel wiederholt sie unter Umständen mehrmals kurz hinter einander. Ich glaube, daß das Männchen allein derartige Flugkünste ausführt; es schien mir, als wären sie ein Spiel zur Freude des Weibchens.


Wüstenlerche (Ammomanes deserti) und Wüstenläuferlerche (Alaemon desertorum). 1/2 natürl. Größe.
Wüstenlerche (Ammomanes deserti) und Wüstenläuferlerche (Alaemon desertorum). 1/2 natürl. Größe.

Die Paare halten außerordentlich treu zusammen, rennen stets dicht nebeneinander dahin und erheben sich fast gleichzeitig. Der Wille des einen scheint dem anderen Gesetz zu sein. Vor dem Menschen scheut sich die Wüstenläuferlerche nicht im geringsten; den bewohnten Haltestellen der ostindischen Straße zwischen Kairo und Sues nähert sie sich mit der Zutraulichkeit der Haubenlerche: ich traf sie mehrmals im Innern der weitläufigen Höfe dieser Gebäude an. Den Jäger läßt sie nahe an sich herankommen; Verfolgung aber macht sie bald außerordentlich scheu. Ihre Stimme ist ein traurig-klagendes Pfeifen, ihr Gesang eigentlich nichts anderes als eine mehrfache Wiederholung des Lockrufes, an welche sich ein Triller reiht. Taczanowski hörte drei aufeinander folgende Töne [265] der Tonleiter mit reiner und kräftiger Stimme pfeifen, sie dreimal wiederholen und das Ganze mit einem Triller endigen. Ueber das Brutgeschäft habe ich eigene Erfahrungen nicht gesammelt. Tristram beschreibt das Ei, nicht aber auch das Nest. Ersteres hat einen Längsdurchmesser von fünfundzwanzig, einen Querdurchmesser von achtzehn Millimeter und ähnelt dem gewisser Spielarten unseres Raubwürgers. Bemerkt mag noch sein, daß dieser Vogel, ebenso wie andere der Wüste angehörige, Wasser gänzlich entbehren zu können scheint, da man ihn oft viele Kilometer von demselben entfernt auf den verbranntesten Stellen der dürrsten Wüsten antrifft.

Im Magen der von mir erlegten Läuferlerchen fand ich nur Kerbthiere; demungeachtet will ich nicht behaupten, daß der Vogel Sämereien verschmähe.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 264-266.
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