Rothedelpapagei (Eclectus grandis)

[68] Die noch zu beschreibende zweite Form, der Rothedelpapagei (Eclectus grandis und ceylonensis, Psittacus grandis, roratus, ceylonensis, guebensis und janthinus, Mascarinus puniceus), ist scharlachroth, auf Kopf und Nacken lebhafter als an den übrigen Theilen, ein Querband über Rücken, Brust und Bauch dunkel, der Flügelrand heller ultramarinblau; die innen schwarzgerandeten Handschwingen, deren Decken und der Eckflügel, die außen bis gegen die Spitze hin rothen, schwarzgerandeten Armschwingen haben indigoblaue, die drei letzten an der Innenfahne [68] grüne, die Armschwingendecken an der Wurzel der Innenfahne blaue, übrigens grüne, die Enden der an ihrer Wurzel schwärzlichen Steuer- und die Unterdeckfedern hoch citrongelbe Färbung. Ich verkenne nicht, daß Meyers Ausführungen bestechend erscheinen; beweisend aber sind sie nicht. Auch von Stölker erfahre ich, daß alle von ihm zergliederten Grünedelpapageien Männchen alle untersuchten Rothedelpapageien Weibchen waren; demungeachtet habe ich mich von der Arteinheit beider oder aller Edelpapageien nicht überzeugen können. Der Zufall treibt oft neckisches Spiel. Meyers Annahme wird widerlegt, sobald nachgewiesen werden kann, daß ein einziger Grünedelpapagei weiblichen, ein einziger Rothedelpapagei männlichen Geschlechtes ist. Wie es mir scheinen will, ist dieser Beweis bereits erbracht worden. »Das alle Grün- und Rothedelpapageien«, so schreibt Brown an Sclater, »Männchen und Weibchen einer Art sein sollen, ist ein grober Irrthum.


Rothedelpapagei (Eclectus grandis). 1/4 natürl. Größe.
Rothedelpapagei (Eclectus grandis). 1/4 natürl. Größe.

Unsere Aufmerksamkeit war auf den Gegenstand gerichtet worden, und ich bin vollkommen überzeugt, daß die genannten verschiedene Arten bilden. Wir erlegten ebensowohl Männchen als Weibchen des Grü nedelpapageis.« Neuerdings erhielt das Berliner Museum aber auch einen Rothedelpapagei, welcher von dem Sammler als männlich bezeichnet wurde.

[69] Ueber das Freileben der Edelpapageien insgemein fehlen uns noch immer Berichte. Nur das Verbreitungsgebiet konnte bisher ziemlich genau festgestellt werden. Beide oben beschriebenen Arten wurden auf Ternate, Halmatera und Batjan, der Grünedelpapagei außerdem auf Neuguinea, Guebe, Waigiu und Mysol eingesammelt. Aus der Bemerkung Eduard von Martens', daß die Edelpapageien im Walde eher einsam als scharenweise leben, scheint hervorzugehen, daß sie minder gesellig sind als andere Arten. Weiteres über ihr Freileben ist mir nicht bekannt. Denn die Aussage eines von Meyer befragten Malaien, daß grüne und rothe Edelpapageien anwechselnd die Eier eines Nestes bebrüten sollen, wird von Meyer selbst nicht für gewichtig erachtet, bleibt daher einstweilen besser unberücksichtigt.

Ueber gefangene Edelpapageien sind wir etwas genauer unterrichtet. Die stattlichen Vögel gelangen noch immer, obschon weit seltener als vor zehn bis zwanzig Jahren, auf unseren Thiermarkt und zwar die grünen wie die rothen Arten in annähernd gleicher Anzahl. Sie gehören nicht zu den besonders anziehenden Gliedern ihrer Ordnung. Ihre Farbenpracht fesselt das Auge, ihr ernstes, um nicht zu sagen trauriges Wesen unterstützt den ersten Eindruck jedoch in keiner Weise. Auch sie werden leicht zahm oder kommen, wie alle indischen Vögel überhaupt, bereits bis zu einem gewissen Grade gezähmt, freilich oft auch verdorben, in unsere Hände, zeigen sich hingebend gegen Pfleger, welche ihr anfängliches Mißtrauen zu besiegen mußten und lernen auch wohl sprechen. Hinfällig oder nicht so widerstandsfähig als andere Arten gleicher Größe, ertragen sie die Gefangenschaft selten lange und gehen oft aus nicht erkennbaren Ursachen plötzlich ein. Fortpflanzung im Käfige hat, so viel mir bekannt, bisher noch niemals stattgefunden; man hat aber auch kaum irgendwo so viele dieser Vögel gleichzeitig in Gefangenschaft gehabt, als zu maßgebenden Versuchen in dieser Hinsicht erforderlich sein dürften. Einzelne, und zwar rothe, haben im Käfige Eier gelegt, ohne befruchtet worden zu sein; andere haben Jahre lang miteinander gelebt, und zwar grüne ebensowohl mit grünen wie mit rothen, ohne sich fortpflanzungslustig zu zeigen. Auf ihr gegenseitiges Verhalten ist kein Gewicht zu legen. Denn wenn Meyer, wie er später mittheilt, beobachtete, daß ein Grünedelpapagei, welcher zu einem Rothedelpapagei gesetzt wurde, diesem Zärtlichkeiten erwies, so wissen wir andererseits, daß auch das Gegentheil stattfindet, also Grün- und Rothedelpapageien sich bitter befehden, wenn sie nach längerer Einzelhaft in einem Käfige zusammengesperrt werden. Selbst wenn die Meyer'schen verschiedenartigen Gefangenen sich begattet, Eier gelegt und Junge erbrütet hätten, wäre dadurch der Beweis für ihre Arteinheit nicht erbracht worden. Denn ähnliches geschieht, wie auch bereits bemerkt, bei verschiedenartigen Papageien gar nicht selten: kommt es doch sogar vor, daß zwei Weibchen mit einander sich paaren, das eine von dem anderen sich treten läßt, dann Eier legt und diese eifrig, in solchem Falle natürlich ohne Erfolg, bebrütet.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 68-70.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Klingemann, August

Die Nachtwachen des Bonaventura

Die Nachtwachen des Bonaventura

Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon