Molukkenkakadu (Plictolophus moluccensis)

[91] Der Molukkenkakadu (Plictolophus moluccensis, Psittacus moluccensis, rosaceus und malaccensis, Cacatua moluccensis, rosacea, erythrolophus und rubrocristatus), »Golabi-Kakatua« der Hindus, dürfte als würdigster Vertreter der Sippe allen übrigen obenangestellt werden. Er ist neben einem australischen Verwandten die größte Art und trägt ein weißes, blaß rosenroth überhauchtes Kleid von hoher Schönheit, welchem die siebzehn Centimeter langen, mennigrothen, durch weiße gedeckten Federn der Haube zu hohem Schmucke gereichen. Die Wurzelhälfte der Schwingen und des Schwanzes sind unterseits gelblich, der Augenstern ist tiefbraun, der kleine Augenkreis graublau oder bläulichweiß, der Schnabel wie der Fuß schwarz, grau überpudert, bei freilebenden pflaumenblau angehaucht. Im Freileben nimmt, laut brieflicher Mittheilung von Rosenbergs, das zarte Rosenroth des Gefieders mit dem Alter so an Tiefe zu, wie man es angefangenen Vögeln niemals sieht.

Ueber das Freileben des Molukkenkakadu danke ich der Freundlichkeit von Rosenbergs eingehende Mittheilungen, welche meinen Lesern um so willkommener sein dürften, als wir bisher in dieser Beziehung noch nicht das geringste wußten. »Der Molukkenkakadu«, so schreibt mir der erfahrene Reisende, »bewohnt so gut als ausschließlich die Insel Ceram. Nur sehr selten fliegt er einmal auf die zwei ganze Minuten südlicher gelegene Insel Amboina hinüber: ich meinestheils habe ihn hier bloß ein einziges Mal beobachtet und auch erlegt. Auf Amboina und bei den Strandbewohnern Cerams führt er den Namen ›Katalla‹. In seiner Heimat gehört er zu den gewöhnlichen Erscheinungen. Hauptsächlich er ist es, welcher sowohl an der Küste wie im Inneren, in der Ebene wie im Gebirge den stillen Wald der im allgemeinen an Vögeln nicht reichen Insel belebt. Einen prächtigen Anblick gewährt es, ihn, unstreitig den schönsten seiner Gattung, in seinem Thun und Treiben zu beobachten. Sein Flug ist geräuschvoll, kräftig, führt in gerader Richtung dahin, wird auch zuweilen, namentlich wenn man den Vogel aufgescheucht hatte, mit lautem Geschrei begleitet. Man sieht unseren Kakadu auf dem Boden wie auch in den höchsten Baumkronen und zwar stets beschäftigt, ebenso auch beständig auf seine Sicherheit bedacht. In einsamen Gebirgswäldern ist [91] er allerdings leicht zu beschleichen, in bewohnten Gegenden aber, zumal da, wo er vielfache Nachstellungen erfahren mußte, außerordentlich scheu. Gewöhnlich sieht man ihn paarweise, nach der Brutzeit jedoch ebenso in Flügen, und zu solchen schart er sich stets, wenn es gilt, ein Fruchtfeld zu plündern. Nach Aussage der Eingeborenen hält das Männchen Zeit seines Lebens treu zum erwählten Weibchen. Getreide, Körner und verschiedene Baumfrüchte bilden die Nahrung.

Gegen Ende der trockenen Jahreszeit sucht sich das Weibchen eine passende Baumhöhlung, arbeitet dieselbe mehr oder weniger sorgfältig aus und legt auf den zu Boden herabgefallenen Spänen und Mulmstücken drei bis vier glänzend weiße Eier von etwas mehr als vier Centimeter Länge, welche binnen fünfundzwanzig Tagen ausgebrütet werden. Die Jungen legen schon im Neste das Kleid ihrer Eltern an.


Molukkenkakadu (Plictolophus moiuccensis). 1/4 natürl. Größe.
Molukkenkakadu (Plictolophus moiuccensis). 1/4 natürl. Größe.

Von den eingeborenen Alfuren, welche gute Baumsteiger sind, werden die Jungen häufig ausgehoben, gezähmt und dann verkauft. Auf Ceram gilt das Stück einen holländischen Gulden und weniger, auf Amboina zwei bis drei Gulden.« Man darf wohl sagen, daß der gefangene Molukkenkakadu alle Eigenschaften seiner Familie und Sippe insbesondere in sich vereinigt. Er ist ein Prachtvogel, welchen man um so lieber gewinnt, [92] je länger man mit ihm verkehrt. Fast immer gelangt er bereits gezähmt in unseren Besitz, und wenn er auch etwas unwirsch ankommen sollte, so fügt er sich, dank seiner außerordentlichen Klugheit, doch bald in seine veränderte Lage und erkennt ihm gespendete Freundlichkeiten ungemein dankbar an, belohnt sie auch mit hingebender Zärtlichkeit. Aber er ist ein geistig lebhafter, reger und infolge dessen sehr beweglicher Vogel. »Selbst wenn er ruhig auf seiner Sitzstange sitzt«, bemerkt Linden mit vollstem Rechte, »beweist er wenigstens durch Erheben und Senken seiner prachtvollen Haube, daß er alles beobachtet, was um ihn vorgeht, und wenn er irgendwie in Aufregung geräth, erhebt er nicht bloß die lang herabfallenden Federn derselben, sondern sträubt zugleich die des Halses, Nackens und der Brust, welche dann wie ein großer Kragen von ihm abstehen, breitet die Flügel zur Hälfte und den Schwanz, bis er als Fächer erscheint, und gewährt so einen geradezu prachtvollen Anblick. Die rothen Haubenfedern gleichen leuchtenden Flammen, die Federn rund um den Unterschnabel werden zu einem Barte, und die gelüfteten Flugwerkzeuge tragen dazu bei, den ganzen Vogel als ein Bild selbstbewußter Stärke erscheinen zu lassen. Steigert sich seine Aufregung, so bewegt er sich auf das lebhafteste, ohne das gesträubte Gefieder zu glätten, und wenn er sich dann in einem weiten Käfige oder einem größeren Flugraume befindet, schwingt er sich auf seiner Sitzstange hin und her und entfaltet dabei nicht nur seine vollste Schönheit, sondern auch alle Kunstfertigkeit eines vollendeten Turners. Mein Molukkenkakadu ist ein ebenso prachtvoller wie anmuthiger, ebenso stolzer wie zärtlicher Vogel und unzweifelhaft seiner Schönheit sich bewußt. Sein Geschrei ist niemals so durchdringend wie bei Gelbwangen- oder Inkakakadus, nach meinem Dafürhalten eher wohllautend, seine Begabung zum Sprechen nicht geringer als bei jeder anderen Art. Sehr herzlich weiß er eine Anrede zu erwidern, und wenn ich ihm die Thüre öffne und ihm seinen Kopf und Flügel streichele, legt er sein Gesicht an das meinige und spricht in sanftestem Tone: ›Kakadu, guter Papagei, gelt ein guter, guter.‹ Wäre ich ein geduldigerer Lehrmeister, es würde nicht schwer halten, ihm viel mehr beizubringen. Eine rasche Bewegung, ungewohntes Geräusch oder plötzlicher Anblick eines fremdartigen Gegenstandes erschreckt ihn oft heftig. Doch ermannt er sich bald wieder und gewöhnt sich rasch an neues. Gegen andere Kakadus ist er niemals abstoßend, aber auch nicht zu freundlich. Dagegen sitzt er auf seiner geöffneten Käfigthüre gern einige Zeit neben einem blaustirnigen Amazonenpapagei, welchen er zwar oft liebkost und schnäbelt, aber noch öfter in verschiedenster Weise zu necken sucht, ohne jemals seine Ueberlegenheit geltend zu machen. Es ist Muthwillen, welchen er an dem Verwandten auslassen will, nichts weiter, und er läßt davon sogleich ab, wenn es dem Spielkameraden zu bunt wird und dieser ihn in dem Käfige beißt. Gern würde ich ihm besagten Amazonenpapagei als immerwährenden Spielgenossen lassen. Aber die Amazone lebt in einem sehr innigen Verhältnisse mit einer kleinen Arara, welche so eifersüchtig ist, daß ich beide unmöglich trennen kann.

An die Nahrung stellt der Molukkenkakadu nicht mehr Ansprüche als irgend ein anderer seiner Verwandtschaft. Dagegen verlangt er, wie es scheint, öfter als diese ein Bad und nutzt daher seinen großen Wassernapf in der ausgibigsten Weise aus. Sein Behagen am Bade gipfelt, wenn er sich nach Herzenslust im Wasser herumwälzen kann. Auch ein reichlicher Guß, welcher ihn von oben herab trifft, gefällt ihm wohl. Erst wenn er pudelnaß geworden ist, verläßt er seine Badewanne, und dann thut man wohl, sich in einige Entfernung von ihm zurückzuziehen, bis er sich genügend geschüttelt hat.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 91-93.
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