Arassari (Pteroglossus Aracari)

[184] Eine der verbreitetsten Art dieser Sippe ist der Arassari der Brasilianer (Pteroglossus Aracari, formosus und atricollis). Die Grundfarbe seines Gefieders ist ein dunkles Metallgrün; Kopf und Hals sind schwarz, auf den Wangen mit dunkel braunviolettem Anfluge, die Unterbrust und der Bauch blaß grüngelb, eine Binde, welche sich über die Bauchmitte zieht, und der Bürzel bis zum Rücken hinauf roth; der Schwanz ist von oben gesehen schwarzgrün, von unten gesehen graugrün. Das Auge ist braun, die nackte Augengegend schieferschwarz; der Oberschnabel hat eine gilblichweiße Farbe, und nur der Mundwinkel neben dem aufgeworfenen Rande und die [184] abgerundete Rinnenfirste sind schwarz; der Unterschnabel dagegen ist ganz schwarz, mit weißem Rande am Grunde; die Beine sind grünlichgrau. Die Länge beträgt vierundvierzig, die Fittiglänge sechzehn, die Schwanzlänge siebzehn Centimeter.


Arassari (Pteroglossus Aracari). 1/3 natürl. Größe.
Arassari (Pteroglossus Aracari). 1/3 natürl. Größe.

»Der Arassari«, sagt der Prinz, »lebt in allen von mir bereisten brasilianischen Urwäldern in Menge und zeigt in der Hauptsache ganz die Lebensart der Tukane. Man sieht ihn sehr häufig auf den obersten dürren Zweigen eines hohen Waldbaumes sitzen, von wo aus er seinen kurzen, zweistimmigen Ruf ertönen läßt, der etwa klingt wie ›Kulik kulik‹. Er lebt paarweise und außer der Paarzeit in kleinen Gesellschaften, welche nach den Früchten umherziehen. Besonders in der kalten Zeit, der Reifezeit der meisten Früchte, verläßt er oft die Waldungen und nähert sich den Küsten und Pflanzungen, wo man dann ihrer viele erlegt. Das Fleisch ist gut, in der kalten Zeit auch fett. Diese Vögel fliegen bogen- und stoßweiße, wie alle Tukane, und schnellen wenig mit den Flügeln. Wenn sie in Ruhe sitzen, wippen sie mit dem Schwanze wie unsere Elster. Ihr Nest mit zwei Eiern oder Jungen findet man in einem hohlen Baume oder Aste. Um die Raubvögel, besonders um die Eulen versammeln sie sich, um sie zu necken.«

[185] »Diese Art«, vervollständigt Schomburgk, »ist ziemlich häufig in Britisch Guayana. Man begegnet dem Arassari in den Wäldern theils paarweise, theils gesellschaftlich auf Bäumen mit reifen Früchten, welche auch der Grund solcher Versammlungen zu sein scheinen, da sie sich augenblicklich wieder paarweise absondern, sowie sie auffliegen. Sie leben nur von Früchten.« Burmeister behauptet das Gegentheil: »Sie fressen nicht bloß Früchte, sondern auch Kerbthiere; selbst große Käfer pflegen sie zu verschlucken«. Letztere Angabe ist auch mir die glaubwürdigere. Ueber das Betragen gibt letztgenannter Naturforscher in seiner Reisebeschreibung eine zwar kurze, aber anschauliche Schilderung. »Eine Familie dieses Vogels saß in der Krone eines der stärksten Bäume und las, mit vernehmlichem Tone ihr Behagen ausdrückend, die Früchte von den Zweigen, mit denen sie behangen sein mußten. Ich glaubte Papageien zu sehen und wunderte mich schon, daß sie nicht laut schreiend aufflogen. Das Benehmen der Thiere war ganz papageiartig, aber nicht so vorsichtig. Sie blieben ruhig bei der Arbeit, lockten von Zeit zu Zeit mit der Stimme und ließen sich ungestört beobachten. Die Papageiähnlichkeit ist nicht zu verkennen. Sie leben wie jene paarweise, gesellig in kleinen Schwärmen, fallen so auf die Bäume ein, lesen Früchte ab und fliegen paarweise auf, wenn man sie erschreckt.« Bates versichert, daß er die Flüge einer anderen Art der Sippe niemals auf Fruchtbäumen versammelt, sondern beständig auf der Wanderschaft gesehen habe, auf den niederen Bäumen von Zweig zu Zweig hüpfend und im Gelaube sich versteckend. »Kein Arassari stößt, so viel ich weiß, ein kläffendes Geschrei aus, wie die großen Tukans thun; eine Art quakt wie ein Frosch.«

Derselbe Forscher erzählt, daß er eines Tages ein merkwürdiges Zusammentreffen mit unseren Vögeln gehabt habe. »Von dem höchsten Baume einer dunklen Schlucht hatte ich einen Arassari herabgeschossen. Er war nur verwundet und schrie laut auf, als ich ihn aufnehmen wollte. In demselben Augenblicke belebte sich die schattige Schlucht wie durch Zauberei mit Kameraden des getödteten, von denen ich vorher keinen einzigen gesehen hatte. Sie ließen sich, von Ast zu Ast hüpfend, zu mir hernieder, hingen sich an den Ranken der Schlingpflanzen an, und alle krächzten und schlugen mit den Flügeln wie Furien. Hätte ich einen langen Stock in der Hand gehabt, ich hätte mehrere von ihnen von den Zweigen herabschlagen können. Nachdem ich den verwundeten getödtet, bereitete ich mich vor, die frechen Gesellen zu bestrafen; diese aber begaben sich, sobald das Geschrei ihres Gefährten verstummt war, sofort wieder in ihre sicheren Wipfel zurück und waren, noch ehe ich mein Gewehr wieder geladen hatte, sämmtlich verschwunden.«

Layard fand ein Pärchen Arassaris in Gesellschaft verschiedener Spechte und wahrscheinlich auch in einem von deren Löchern brütend, war aber nicht im Stande, den Baum zu besteigen und der Eier sich zu bemächtigen. Von dem Vorhandensein der Vögel gewann er erst Kunde, nachdem er einen Specht vom Baume herabgeschossen hatte. Unmittelbar nach dem Schusse streckte der Arassari vorsichtig seinen Kopf aus dem Loche hervor, um zu sehen, was es gebe, warf einen Blick rund herum, entdeckte unseren Forscher unten am Fuße des Baumes und zog den Kopf schleunigst in die Höhle zurück. Dies wiederholte er nach jedem einzelnen Schusse, welcher fiel.

Durch Schomburgk erfahren wir noch außerdem, daß auch der Arassari sehr häufig von den Indianern gefangen und gezähmt, in der Regel auch bald zutraulich wird; durch Pöppig, daß die Eingeborenen in dem geschabten Schnabel und der langen, gefransten Zunge der Vögel ein untrügliches Mittel gegen Herzdrücken und Krämpfe sehen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 184-186.
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