Perlvogel (Trachyphonus margaritatus)

[189] Unter den afrikanischen Bartvögeln hat mich der Perlvogel (Trachyphonus margaritatus, Bucco, Micropogon und Capito margaritatus, Tamatia und Lypornix erythropygia, Polystice margaritata) am meisten angezogen. Er vertritt die Sippe der Schmuckbartvögel, deren Kennzeichen in dem schlanken, mittellangen, auf der Firste leichtgewölbten, an der Spitze zusammengedrückten, nicht aber ausgeschweiften Schnabel, den verhältnismäßig hohen Füßen, deren Läufe länger als die Mittelzehe sind, den ziemlich langen Flügeln, in denen die vierte Schwinge die längste ist, und in dem ziemlich langen, abgerundeten Schwanze zu suchen sind.

Das Gefieder der Oberseite ist umberbraun, weiß geperlt und gebändert, das des Hinterkopfes, Hinterhalses, der Halsseiten und Untertheile glänzend schwefelgelb, in der Brustgegend röthlich überflogen; Stirn und Scheitel, beim Männchen auch ein Kehlfleck sowie ein aus Punkten gebildetes Brustband, sind schwarz, Steiß und Bürzel dunkel scharlachroth. Das Auge ist dunkelroth, der Schnabel hellroth, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt neunzehn, die Fittiglänge neun Centimeter.

Südlich des siebzehnten Grades nördlicher Breite ist der Perlvogel in allen von mir durchreisten Gegenden Nordostafrikas keine Seltenheit, in den Waldungen und Gärten Senârs und Kordofâns, hier und da wenigstens, sogar eine regelmäßige Erscheinung. Zu erwähnen ist hierbei freilich, daß er sein möglichstes thut, sich bemerkbar zu machen. Er spricht von sich selbst; denn er ist es, welcher die Gärten in den Dörfern der Niederungen der Steppe und den Wald zu beleben weiß. Gewöhnlich trifft man ihn paarweise, nach der Brutzeit aber auch in kleinen Gesellschaften. Niemals versteckt er sich so wie andere Bartvögel Afrikas, sondern zeigt sich, namentlich zu gewissen Zeiten, sehr gern frei. Zumal in den Morgen- und Abendstunden schwingt er sich auf [189] die höchste Spitze gewisser Bäume und schreit von hier aus munter und fröhlich in die Welt hinaus. Sofort nach dem Eintreffen auf einem Baume beginnen beide Gatten vereint einen höchst eigenthümlichen Gesang, welcher nach meinem Urtheile durch die Silben »Gukguk girre girre gukguk«, nach Hartmanns Ansicht durch »Tiur tiur«, nach Antinori's Angabe »Tschioi, tschio i«, nach Heuglins Auffassung endlich wie »Du, du, dui dui dui dui du« ausgesprochen werden kann. Beider Stimmen verschmelzen in der sonderbarsten Weise mit einander, so daß ein wahrer Tonunfug entsteht, ein Gesang, so verworren und dunkel, daß man die einzelnen Laute nicht unterscheiden kann, »ein Schnurren«, wie Hartmann mit vollem Rechte sagt. »Jedenfalls«, meint dieser Forscher, »ist der Gesang des Perlvogels einer der sonderbarsten und bezeichnendsten Naturlaute, welche man in dieser Gegend vernimmt.« Aber der Gesang unterhält gerade deshalb und vielleicht noch aus dem Grunde, weil er mit so viel Herzensfreude vorgetragen wird, daß man die Gefühle des Vogels nothwendig theilen muß. Uebrigens liebt dieser es durchaus nicht, von wißbegierigen Menschen weißer Färbung belauscht zu werden; wenigstens pflegt er augenblicklich still zu schweigen, sobald ein Europäer seinem Standorte sich nähert, verläßt auch diesen gewöhnlich zur rechten Zeit, so daß es nicht eben leicht ist, sein Treiben in genügender Nähe zu beobachten.


Perlvogel (Trachyphonus margaritatus). 2/3 natürl. Größe.
Perlvogel (Trachyphonus margaritatus). 2/3 natürl. Größe.

Im übrigen lebt der Perlvogel nach Art anderer seiner Familie. Er bewegt sich langsam in den Baumkronen hin und her, liest dort Kerfe auf, geht Früchte an und sucht sich Sämereien zusammen. Er klettert schlecht, fliegt bald schwirrend, bald schwebend, nicht gern weit, liebt [190] überhaupt die Ruhe und hält an dem einmal gewählten Standorte mit großer Zähigkeit fest, dehnt aber die Grenzen seines Gebietes weiter aus, als andere Bartvögel jener Gegend zu thun pflegen.

Ueber das Nest sind wir durch Heuglin unterrichtet worden. »In einem zum Ain-Saba führenden Regenbett«, sagt er, »fand ich am sechsundzwanzigsten September das Nest dieses Vogels in einer senkrechten Erdwand. Es war ungefähr drei Meter über der Thalsohle angebracht. Ein kreisrundes, fünf Centimeter im Durchmesser haltendes Loch führte mit wenig Neigung nach aufwärts etwa funfzig Centimeter tief in die Wand in einen größeren, rundlichen, nach unten zulaufenden Raum, der von dem zu ihm führenden Gange noch durch eine Art kleiner Wand geschieden war. Im Inneren lag ein frisches Ei, ohne alle Unterlage auf etwas aufgelockerter Erde. Es ist im Verhältnisse zum Vogel mittelgroß, eigestaltig, an beiden Enden ziemlich stumpf, reinweiß, rosenroth durchscheinend, außerordentlich feinschalig und glänzend. Am achten Oktober entdeckte ich an einem ähnlichen Orte ein Nest mit vier bebrüteten Eiern. Das Nest war dem oben beschriebenen ganz gleich; nur war das Bett für die Eier mit Malvensamen gefüllt. Ob der Perlvogel seine Nisthöhle selbst gräbt, vermag ich nicht zu sagen.« In seinem später erschienenen Werke fügt Heuglin vorstehendem noch hinzu, daß er niemals mehr als vier Eier in einem Gelege gefunden, aber schon fünf bis sechs unzweifelhaft einer und derselben Brut angehörige Junge zusammengesehen habe, auch vermuthe, daß der Vogel mehr als einmal im Jahre brüte.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 189-191.
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