Tropikvogel (Phaëton aethereus)

[580] Die bekannteste und am weitesten verbreitete Art ist der Tropikvogel (Phaëton aethereus, melanorhynchus und Catesbyi, Tropicophilus aethereus). Das Kleingefieder ist weiß, rosenröthlich überflogen, ein vorn breiter, nach hinten sich verschmälernder Zügelstreifen schwarz; die Außenfahnen der Handschwingen sind schwarz, die hinteren Armschwingen schwarz und weiß gesäumt, die, bis auf die mittleren, weißschaftigen Schwanzfedern weiß, die Schafte der genannten gegen die Wurzel hin schwarz.


Tropikvogel (Phaëton aethereus). 1/4 natürl. Größe.
Tropikvogel (Phaëton aethereus). 1/4 natürl. Größe.

Beim jüngeren Vogel sind Kopf, Hals und die Untertheile des Leibes weiß, Rücken und Mantel auf weißem Grunde durch schwarze Endsäume wellig gezeichnet, beim jungen Vogel alle Federn des Rückens durch halbmondförmige Endflecke geziert und die mittleren Schwanzfedern noch nicht verlängert. Das Auge ist braun, der Schnabel korallroth, beim jungen Vogel dunkelbräunlich, der Fuß, mit Ausnahme der schwarzen Schwimmhäute und Zehen, gelb. Die Länge beträgt, einschließlich der beiden funfzig bis fünfundsiebzig Centimeter langen, [580] im letzteren Falle um sechzig Centimeter über die äußersten Steuerfedern verlängerten Spießfedern, etwa einen Meter, ohne sie vierzig Centimeter, die Breite einhundertundvier, die Fittiglänge dreißig Centimeter.

Alle Meere, welche zwischen den Wendekreisen liegen, beherbergen Tropikvögel. Die beschriebene Art, auf welche wir nachstehendes beziehen dürfen, erstreckt sich über die angegebenen Breiten des Atlantischen, Indischen und Stillen Weltmeeres. Von den Wendekreisländern aus verfliegt sie sich zuweilen bis in den gemäßigten Gürtel.

Gewöhnlich sieht man die Tropikvögel in den Tagesstunden und in der Nähe der Küsten sich umhertreiben; es kann jedoch auch das Gegentheil stattfinden. So sah sie Lesson in stillen, mondhellen Nächten ebenso rastlos umherfliegen wie am Tage, und so traf sie Bennett im April volle tausend Seemeilen vom Lande an. Im allgemeinen nehmen die Seeleute an, daß ihre Ausflüge auf eine Entfernung von dreihundert Seemeilen sich erstrecken. Heuglin, welcher freilich die Weltmeere nicht durchschifft hat, fand die beschriebene Art an einzelne Inseln gebunden.

Ich habe nur einmal, im südlichen Theile des Rothen Meeres, Tropikvögel gesehen, sie jedoch bloß kurze Zeit beobachten können; alle Reisenden aber, welche sie genauer kennen lernten, sind einstimmig in der Bewunderung ihrer Schönheit und Anmuth. Der erste Eindruck des Tropikvogels, meint Tschudi, ist durchaus nicht der eines Meervogels; man glaubt vielmehr in ihm einen in die unabsehbaren Oeden des mächtigen Weltmeeres verschlagenen Landbewohner zu erkennen. »Die Tropikvögel«, sagt Bennett, »gehören unbedingt zu den schönsten Weltmeervögeln und müssen, wenn sie die Sonne auf ihrem prachtvollen Gefieder spiegeln lassen, die Bewunderung aller erregen. Sie sind ebenso liebenswürdig in ihrem Wesen wie anmuthig in ihrem Fluge, und es ist eine wahre Freude, ihre Künste zu beobachten. Schiffe scheinen oft ihre Aufmerksamkeit zu erregen; sie kommen herbei, umkreisen das Fahrzeug, senken sich aus den oberen Luftschichten in Schraubenlinien tiefer und tiefer herab und halten sich dann zeitweilig rüttelnd in geringer Höhe, lassen sich auch wohl, jedoch sehr selten, auf den Raaen selbst nieder. Wenn sie nicht gestört werden, begleiten sie in dieser Weise das Schiff oft tagelang, bis es endlich ihren Wohnkreis überschreitet oder sie aus irgend einem anderen Grunde zurückkehren. Ihre ganze Bewegungsfähigkeit entfalten sie bei ihrem Fischfange. Wie die großen Seeschwalben erhalten sie sich rüttelnd über einer und derselben Stelle, spähen sorgsam nach unten und stürzen sich nun plötzlich mit eingezogenen Flügeln in fast senkrechter Richtung auf das Wasser herab, so kräftig, daß sie stets unter der Oberfläche verschwinden, fußtief eindringen und mit Flügeln und Beinen kräftig arbeiten müssen, um sich wieder emporzufördern.«

Laut Heuglin, welcher vielfach Gelegenheit hatte, sie eingehend zu beobachten, erinnern ihre äußere Erscheinung, ihr Flug, die Art und Weise, wie sie auf Fische stoßen, auch ihre schrillende Stimme, am meisten an die Raubseeschwalbe. »Obgleich der walzige, schwere Leib für ein Geschöpf, dessen eigentliches Element die Luft ist, nicht geeignet zu sein scheint«, bemerkt gedachter Forscher, »verleiht ungemeine Muskelkraft dem Tropikvogel doch die Fähigkeit, trotzdem und ungeachtet seiner verhältnismäßig schwachen Flugwerkzeuge anhaltend zu fliegen und sich ziemlich hoch, auch gegen starke Windströmungen zu erheben. Die Gewandtheit des Fluges ist staunenswerth, letzterer jedoch nicht so weich und leicht wie derjenige der Seeschwalben. Meist schweift der Tropikvogel in gerader und wagerechter Bahn zwölf bis zwanzig Meter über dem Wasserspiegel dahin, den Schnabel abwärts gerichtet, den Schwanz wenig gebreitet. Hier und da hält er an, rüttelt oder schwebt und stürzt dann plötzlich und pfeilschnell auf Fische herab. Er taucht unter Umständen tiefer, als die Seeschwalben zu thun vermögen, steigt auch in gerader, viel steilerer Bahn als sie wiederum in die Höhe. Während stürmischer Witterung sieht man ihn da, wo er in Felsenhöhlen leicht Zuflucht finden kann, selten auf See; bei klarem Himmel und ruhiger Luft ist er dagegen beständig in Bewegung, theils um seiner Nahrung nachzugehen, theils um sich spielend in der Luft umher zu tummeln. Bei solchen Gelegenheiten erst entfalten sich seine Schönheit und Gewandtheit in vollem Maße.«

[581] Die Nahrung besteht ausschließlich in Fischen und anderen hochschwimmenden Meerthieren. Nuttal versichert, daß man ihn sehr häufig und mit vielem Geschicke fliegende Fische jagen sieht; Bennett fand in seinem Magen auch die Ueberreste von Kopffüßlern.

Die Brutzeit scheint je nach der Lage der Brutinseln verschieden zu sein. Nach Bennett beginnt sie in der Nähe von Australien im August und September, nach Wedderburn und Hurdis auf den Bermudainseln im März und April, nach Heuglin im südlichen Rothen Meere im Juni und Juli. Die Männchen sind um diese Zeit im höchsten Grade erregt, kämpfen, nach des letztgenannten Beobachtungen, beständig mit einander, verfolgen sich schreiend und zirpend, kollern sich förmlich in der Luft herum, überstürzen sich wenigstens, und drängen sich an die spröde vor ihnen flüchtenden Weibchen. Zu Nistplätzen werden Eilande, welche fern von dem Getriebe des Menschen liegen, bevorzugt. Man hat beobachtet, daß sie da, wo sie noch nicht beunruhigt wurden, ihre Eier einfach auf den Boden, meist unter Gebüsch legen, wogegen sie auf besuchten Inseln stets Höhlungen und Ritzen in den Klippen wählen. Der Eingang zu den meist gegen einen Meter tiefen Felsritzen und Klüften ist, laut Heuglin, oft so eng und niedrig, daß es den Anschein gewinnt, als finde der Vogel selbst kaum Raum, um in das Innere zu gelangen. Das Weibchen legt hier sein einziges Ei entweder auf die bloße Erde, auf Flugsand oder auf den nackten Fels. Das Ei ist verhältnismäßig groß, etwa fünfundfunfzig Millimeter lang, siebenunddreißig Millimeter dick, eher rundlich als gestreckt, glanzlos und auf hellgraulich lehmfarbenem, graulich rosenrothem oder graulich veilchenfarbenem Grunde, namentlich am stumpfen Ende, mit dunkel veilchenfarbenen Unter- und erd- und rostbraunen Oberflecken und Punkten, auch wohl schwärzlichen Schnörkeln, zuweilen kranzartig, gezeichnet. Beide Geschlechter brüten, und zwar mit so warmer Hingebung, daß sie bei Ankunft eines Menschen nicht davonfliegen, sondern sich nur mit dem Schnabel zu vertheidigen suchen und nicht selten erfolgreich wehren. Heuglin traf auch während der Mittagszeit einen brütenden Vogel in der Nesthöhle an. Die Jungen gleichen, wie sich Bennett ausdrückt, eher einer Puderquaste als einem Vogel, sind rund wie ein Ball und mit zarten, oberseits aschgrauen, auf der Stirne und Unterseite mit schneeweißen Dunen dicht bedeckt. Später erhalten sie ein gestreiftes Jugendkleid, welches mit der ersten Mauser in ein reinweißes übergeht. Im dritten Jahre kommt die schöne rosenrothe Färbung zum Vorscheine, und gleichzeitig mit ihr wachsen die langen Federn heraus.

Die Einwohner der Freundschaftsinseln und anderer Eilande des südlichen Stillen Meeres gebrauchen diese Federn zum Zierat und halten sie hoch in Ehren. Da es für sie schwer hält, solche Federn zu erlangen, haben sie sich ein sehr sinnreiches Mittel erdacht: sie warten nämlich, bis die Tropikvögel brüten, fangen sie auf den Nestern, ziehen ihnen die Federn aus und lassen sie wieder fliegen. Genau dasselbe Verfahren wird von den Europäern der Insel Mauritius angewandt.

Robinson hielt einen Tropikvogel ungefähr eine Woche lang am Leben und fütterte ihn während dieser Zeit mit den Eingeweiden verschiedener Fische, welche er gierig fraß. Wenn er gehen wollte, breitete er seine Flügel und watschelte mit größter Schwierigkeit dahin. Zuweilen stieß er einen schnatternden Laut aus wie ein Eisvogel, manchmal schrie er wie eine Möve. Er war bissig und verwundete mit seinem scharfen Schnabel sehr fühlbar.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 580-582.
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