Schlangenhalsvogel (Plotus Levalliantii)

[589] Der Schlangenhalsvogel (Plotus Levalliantii, melanogaster und congensis, Anhinga Levalliantii) ist vorherrschend schwarz, metallischgrün schillernd, auf Rücken und Flügeldeckfedern durch breite silberweiße Mittelstreifen sehr geziert, am Halse rostfarben, ein Streifen, welcher, am Auge beginnend, seitlich am Halse sich herabzieht, schwarzbraun, ein anderer unter ihm weiß; die Fittig- und Steuerfedern sind schwarz, letztere lichter an der Spitze. Das Auge ist erz- oder rothgelb, die nackte Stelle am Kopfe gelbgrün, der Schnabel hornfarben, der Fuß grünlichgrau. Die Länge beträgt sechsundachtzig, die Breite einhundertundacht, die Fittiglänge vierunddreißig, die Schwanzlänge fünfundzwanzig Centimeter. Beim Weibchen sind alle Farben minder lebhaft; der Unterschied zwischen seinem Kleide und dem des Männchens ist jedoch nicht bedeutend.

Der Schlangenhalsvogel gehört Afrika an und findet sich hier auf allen Gewässern südlich vom funfzehnten Grade der Breite bis zum Vorgebirge der Guten Hoffnung.

Gelegentlich meiner Reisen auf dem Weißen und Blauen Nile habe ich ihn oft gesehen und manche Stunde, manchen Tag seiner Jagd gewidmet: so genau aber, wie Audubon seinen amerikanischen Vertreter, die Anhinga, habe ich ihn freilich nicht beobachten können. Ich werde mich deshalb im nachfolgenden wesentlich mit auf die Mittheilungen des letztgenannten Forschers stützen, soweit sie meinen eigenen Wahrnehmungen entsprechen.

Die Schlangenhalsvögel bewohnen Ströme, Seen und Sümpfe, in deren Nähe Bäume stehen, am liebsten solche, welche baumreiche Inseln umschließen. Von den Bäumen fliegen sie am Morgen aus, um ihre Jagd zu beginnen, und zu den Bäumen kehren sie zurück, um zu schlafen oder um auszuruhen; auf den Bäumen steht auch in der Regel ihr Nest. Allerdings ruhen und brüten sie wie die Scharben unter Umständen auch auf Felsen, gewiß aber nur, wenn es ihnen an Bäumen fehlt. Jene an Thieren so unendlich reichen Ströme und Regenseen Innerafrikas bieten ihnen alle Erfordernisse zum Leben und beherbergen sie deshalb in ziemlicher Anzahl. So gesellig wie die Scharben kann man sie freilich nicht nennen; denn mehr als zehn bis zwanzig von ihnen sieht man kaum jemals vereinigt; gern aber halten sich fünf bis acht zusammen auf einem und demselben See-, Teich- oder Flußtheile auf, und ebenso vereinigen sich mehrere solche Trupps abends auf den beliebten Schlafbäumen. Während der Brutzeit mögen an günstigen Stellen noch zahlreichere Vereinigungen stattfinden.

Es gibt kaum einen Namen, welcher besser gewählt sein könnte, als der von den Hottentotten unserem Vogel verliehene. Der Hals erinnert wirklich an eine Schlange: er ist nicht bloß ähnlich gezeichnet, sondern wird auch in ähnlicher Weise bewegt. Wenn der Vogel tauchend zwischen der Oberfläche und dem Grunde des Wassers dahinschwimmt, wird er selbst zur Schlange, und wenn er sich zur Wehre setzen muß oder einen Feind angreifen will, wirft er diesen Hals mit einer so blitzartigen Schnelligkeit vor, daß man wiederum an einen Angriff der Viper denken kann. Alle Schlangenhalsvögel sind vollendete Schwimmer, noch vollendetere Taucher. Eine Scharbe erscheint[589] ihnen gegenüber als Stümper.


Schlangenhalsvogel (Plotus Levalliantii). 1/4 natürl. Größe.
Schlangenhalsvogel (Plotus Levalliantii). 1/4 natürl. Größe.

Ihnen gebührt zum mindesten innerhalb ihrer Ordnung in dieser Fertigkeit der Preis; sie werden aber wohl auch kaum von einem anderen Schwimmvogel oder Taucher überhaupt übertroffen. Da, wo sie ihrem Fischfange behaglich nachgehen können und sich vollständig sicher fühlen, schwimmen sie mit bis zur Hälfte eingetauchtem Leibe auf der Oberfläche des Wassers dahin; sowie sie aber einen Menschen oder ein gefährliches Thier gewahren, senken sie sich so tief ein, daß nur noch der dünne Hals hervorragt. Durch dieses Mittel entzieht sich der Schlangenhalsvogel den Blicken außerordentlich leicht: man kann nahe bei ihm vorübergehen, ohne ihn zu gewahren, selbst wenn er sich auf ganz freiem Wasser bewegt, während er zwischen Schilf, Buschwerk und dergleichen, wenn er es will, auch dem schärfsten Auge verschwindet. Sieht er sich verfolgt, so beginnt er sofort nach dem Versenken seines Leibes unter das Wasser auch zu tauchen und führt dies mit einer ans wunderbare grenzenden Meisterschaft aus. Er gebraucht die Flügel nicht zur Mithülfe, obgleich er sie etwas vom Körper abhält, sondern rudert nur mit den Beinen und steuert mit dem Schwanze, bewegt sich aber mit einer Schnelligkeit, Gewandtheit und Sicherheit, daß er selbst den eilfertigsten Fisch noch übertrifft. Strecken von mehr als sechzig Meter durchmißt er [590] in weniger als einer Minute Zeit: es scheint, daß er unter Wasser sich viel schneller als schwimmend auf der Oberfläche bewegt. Sein Gang ist watschelnd und wackelnd, aber verhältnismäßig rasch; im Gezweige der Bäume bekundet er eine Geschicklichkeit, welche man nicht vermuthen möchte, da er sich nicht bloß auf Aesten festzuhalten vermag, sondern auch hin- und herzugehen weiß, obgleich er dann freilich mit ausgebreiteten Flügeln sich im Gleichgewichte halten und auch den Schnabel als Stütze gebrauchen muß. Der Flug ähnelt dem der Scharben so, daß man beide Vögel verwechseln kann, und hat den Anschein, als ob er ermüden müsse, fördert aber sehr rasch und wird auch lange Zeit in einem Zuge fortgesetzt. Ungestört pflegt der Schlangenhalsvogel ziemlich niedrig über dem Wasser dahin zu streichen, möglichst denselben Abstand einhaltend. Will er sich dann auf einem Baume niederlassen, so steigt er von unten in einem jähen Bogen bis zur Höhe der Krone empor, umkreist diese einigemal und bäumt sodann auf. Will er von einem Gewässer zum anderen ziehen, so erhebt er sich mit fortwährenden Flügelschlägen bis in eine ziemlich bedeutende Höhe, beginnt schwebend zu kreisen, benutzt die herrschende Windströmung so geschickt, daß er bald in die erwünschte Luftschicht getragen wird, und fliegt nun in dieser weiter. Während der Paarungszeit soll er oft zu bedeutenden Höhen emporfliegen, zuweilen sogar den Blicken entschwinden und stundenlang spielend kreisen. In den Mittagsstunden setzt er sich, ganz nach Art der Scharben, auf dürren Zweigen oder felsigen Inseln im Strome nieder, breitet die Flügel und fächelt von Zeit zu Zeit mit ihnen, gleichsam, als ob er sich Kühlung zuwehen müsse. Jeder Schlangenhalsvogel, welcher einen Artgenossen in dieser Stellung sitzen sieht, wird nicht verfehlen, ihm sich zu gesellen, und so geschieht es, daß ein beliebter Sitzplatz im Strome zur geeigneten Zeit gewöhnlich mit mehreren Schlangenhalsvögeln bedeckt und durch sie von weitem kenntlich gemacht ist. An solchen Stellen hängen sie mit ebensoviel Hartnäckigkeit wie an den einmal gewählten Schlafplätzen, zu denen sie auch nach wiederholter Störung immer und immer wieder zurückkehren. Gesellig zeigen sie sich nur anderen ihrer Art gegenüber; denn wenn sie sich auch zuweilen unter Pelekane und Scharben oder während der Brutzeit unter Reiher mischen, halten sie sich doch stets ein wenig getrennt von diesen unter sich zusammen und nehmen auf das Thun und Treiben jener Gesellschaften keine Rücksicht. Unter sich scheinen die Glieder eines Trupps in Frieden zu leben; der bei ihnen sehr ausgeprägte Neid mag aber wohl zuweilen Kämpfe oder wenigstens Neckereien herbeiführen. Vor dem Menschen und anderen gefährlichen Geschöpfen nehmen sie sich sehr in Acht: sie sind von Hause aus vorsichtig und werden, wenn sie sich verfolgt sehen, bald außerordentlich scheu, bekunden also viel Urtheilsfähigkeit.

Die Schlangenhalsvögel fischen nach Art der Scharben, indem sie von der Oberfläche des Wassers aus in die Tiefe tauchen, durch schnelles Rudern unter dem Wasser Fische einholen und mit einem raschen Vorstoßen ihres Halses sie fassen. Auf der hohen See sollen sie sich, wie Tschudi von der Anhinga angibt, mit der größten Schnelligkeit auf die Fische stürzen, sich aber äußerst selten auf die Wellen setzen, sondern sich mit ihrer Beute sogleich wieder erheben und diese im Fluge hinabwürgen. In wie weit diese Angabe genau ist, vermag ich nicht zu sagen. Das eine ist richtig, daß sie mit der gefangenen Beute regelmäßig zur Oberfläche des Wassers emporkommen und sie hier verschlingen. Sie bedürfen sehr viel Nahrung; denn ihre Gefräßigkeit ist außerordentlich groß. Allerdings können auch sie wie die übrigen Raub-und Fischervögel tagelang ohne Nahrung aushalten; gewöhnlich aber brauchen sie sich solche Fasten nicht aufzuerlegen und dürfen ihrer Gefräßigkeit volle Genüge thun. Audubons Freund, Bachman, beobachtete an seiner gefangenen Anhinga, daß ein Fisch von zwanzig Centimeter Länge und fünf Centimeter im Durchmesser, welchen der Schlangenhalsvogel kaum verschlingen konnte, bereits nach anderthalb Stunden verdaut war, und daß der gefräßige Ruderfüßler an demselben Vormittage noch drei andere Fische von beinahe derselben Größe verschlang. Wenn ihm kleinere, ungefähr acht Centimeter lange Fische gereicht wurden, nahm er ihrer vierzig und mehr auf einmal zu sich. Zwischen verschiedenen Fischarten scheinen die Schlangenhalsvögel keinen Unterschied zu machen, und wahrscheinlich [591] werden sie, ebenso wie die Scharben, kleine Wirbelthiere, junge Vögel und mancherlei Lurche, vielleicht auch verschiedene wirbellose Thiere ebenfalls nicht verschmähen.

Der Schlangenhalsvogel brütet auf Bäumen. Seine aus dürrem Reisig erbauten Horste, von denen ihrer vier bis acht auf einem, womöglich vom Wasser umfluteten, Hochbaume angelegt werden, ähneln denen der Reiher. Das Gelege soll aus drei bis vier, etwa fünfundfunfzig Millimeter langen, sechsunddreißig Millimeter dicken, lichtgrünen, mit weißem Kalküberzuge bedeckten Eiern bestehen, das Brutgeschäft im allgemeinen wie bei den Scharben verlaufen. Junge, welche Marno im Sudân, und zwar im Januar, erhielt, waren am Kopfe nackt, übrigens aber mit seinem, schmutzig weißem Flaume bekleidet. Von denen der Anhinga wissen wir, daß die Eltern ihnen die Nahrung vorwürgen und bei ihrem Erscheinen mit leisem, pfeifendem Rufe begrüßt werden, wenn ihnen ein Feind naht, im Neste sich niederducken und nur im äußersten Nothfalle ins Wasser hinabspringen. Im Alter von drei Wochen sollen die Schwingen und Schwanzfedern hervorsprossen, aber erst, wenn diese fast ausgebildet sind, die der Unterseiten durch die Dunen brechen, die Jungen auch erst, wenn sie vollständig fliegen gelernt haben, zu Wasser gehen.

Die Gefangenschaft ertragen die Schlangenhalsvögel bei einiger Pflege ebensogut wie die Scharben, werden auch sehr bald in gewissem Grade zahm und zeigen, wenn sie jung aufgezogen wurden, innige Anhänglichkeit an den Menschen. Audubon sah zwei Anhinga's, welche ihrem Gebieter auf dem Fuße folgten und später die Erlaubnis erhalten durften, nach Belieben die benachbarten Gewässer zu besuchen, da sie stets rechtzeitig wieder zurückkehrten. Von zwei Jungen, welche Bachman dem Neste enthoben hatte, mußte der stärkere Pflegeelternstelle bei seinem jüngeren Geschwister vertreten und schien die ihm zugemuthete Mühe auch sehr gern zu übernehmen, ließ sich wenigstens gefallen, daß der kleine mit seinem Schnabel ihm in den Rachen fuhr und verschlungene Fische wieder aus der Gurgel herausholte. Beide waren so zahm und ihrem Pfleger so anhänglich, daß sie diesen förmlich belästigten. Anfänglich trug Bachman sie oft zu einem Teiche und warf sie hier in das Wasser, mußte aber zu seinem Erstaunen bemerken, daß sie stets so eilig wie möglich dem Lande zuschwammen, gleichsam als ob sie ihr Element fürchteten; später verlor sich diese Scheu. Schon in frühester Jugend benahmen sie sich angesichts anderer Thiere muthig und furchtlos; die Hähne und Truthühner auf dem Hofe wichen ihnen bald ehrfurchtsvoll aus, und auch die Hunde wagten sich nicht gern in ihre Nähe, weil sie nie verfehlten, ihnen gelegener Zeit einen scharfen Hieb zu versetzen. Als sie erwachsen waren, gingen sie tagtäglich zu den nächsten Teichen, um dort zu fischen, kehrten hierauf zurück, flogen auf die hohen Spitzen des Zaunes und blieben hier sitzen, entweder um sich zu sonnen oder um zu schlafen. Kälte schien ihnen höchst unangenehm zu sein, und um ihr zu entgehen, watschelten sie in die Küche und stellten sich in die Nähe des Feuers, kämpften auch mit dem Hunde oder selbst mit dem Koche um den behaglichsten Platz an dem Herde. Im Sonnenscheine hingegen breiteten sie Schwingen und Flügel, blähten alle Federn und schienen beglückt von der Wärme zu sein. Gelegentlich wurden sie ein paar Tage lang nicht gefüttert, nahmen dies aber sehr übel und rannten dann kreischend im Hofe umher oder hieben nach den Dienern, welche sich in ihre Nähe wagten, gleichsam als wollten sie letztere an ihre Nachlässigkeit erinnern. Der Schlangenhalsvogel benimmt sich genau ebenso.

In abgelegenen, von den Menschen wenig besuchten Gegenden sind die Schlangenhalsvögel so wenig scheu, daß ihre Jagd kaum Mühe verursacht. Man versucht, die Schlafbäume zu erkunden, stellt sich unter diesen nachmittags an und erwartet die Ankunft der Vögel. Nach dem Schusse stürzen sich die überlebenden sämmtlich wie todt in das Wasser herab, tauchen unter und erscheinen nun hier und da mit dem Halse wieder über der Oberfläche, wählen sich dann jedoch gewöhnlich Stellen, wo Schilf oder Gezweig sie möglichst verbirgt. Auf schwimmende Schlangenhalsvögel zu schießen, ist ein mißlich Ding; man verschwendet dabei sehr viel Pulver und Blei und hat doch nur selten Erfolg, weil der Leib gegen den Hagel eines Gewehres vollständig geborgen ist und nur [592] der dünne Hals als Zielgegenstand sich bietet. In Innerafrika kann diese Jagd, wie wir zu unserem Entsetzen erfahren mußten, auch noch in anderer Hinsicht ihr unangenehmes haben; doch ich habe eine hierauf bezügliche Geschichte bereits (Band III, Seite 579) erzählt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 589-593.
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