[497] Noch viel prachtvoller gefärbt und gezeichnet ist die beträchtlich kleinere Prachteiderente (Somateria Stelleri, Anas Stelleri, dispar und occidua, Fuligula und Stelleria dispar, Clangula, Macropus, Polysticta, Eniconetta, Heniconetta und Harelda Stellerii). Bei ihr [497] sind Kopf, Nacken und die Halsseiten weiß, ein Fleck an der Stirne und ein Querband am Hinterkopfe grün, ein Kreis um die Augen, Vorder- und Hinterhals, Rücken, Schwanz und Schwingenspitzen schwarz, die Oberflügeldeckfedern und Schultern weiß, dunkelblau in die Länge gestreift, die Unterseite, bis auf die schwarzbraune Bauchmitte, gelbbraun. Beim Weibchen herrscht rostbraune Grundfarbe vor. Das Auge ist braun, der Schnabel grau, der Fuß grüngrau. Die Länge beträgt funfzig, die Fittiglänge zweiundzwanzig, die Schwanzlänge acht Centimeter.
Der Verbreitungskreis der Eiderente übertrifft den aller übrigen Arten an Ausdehnung. Sie bewohnt den Norden der ganzen Erde, von den jütländischen Inseln an bis nach Spitzbergen hinauf und von der Westküste Europas an alle nördlichen Gestade der Erde bis Grönland und Island. Zuweilen, jedoch stets nur als Irrling, erscheint sie auch im Inneren Deutschlands. Ihre südlichsten Brutplätze liegen auf der Insel Sylt und den kleinen dänischen Inseln unter demselben Breitengrade; von hier aus nach Norden hin scheint sie immer häufiger zu werden. Schon in Mittelnorwegen lebt sie zu tausenden, gehegt und gepflegt von den Küstenbewohnern, geschützt durch besondere, leider nicht überall geachtete Gesetze; auf Island und in Grönland ist sie ebenfalls massenhaft ansässig. Die Königseiderente bewohnt, obschon hier und da mit jener gemeinschaftlich auftretend, höhere Breiten, insbesondere Spitzbergen, Nowaja Semlja, Grönland, die Nordküste von Amerika wie die von Asien und das Behringsmeer, besucht allwinterlich Nordrußland und Lappland, kommt auch längs der norwegischen und großbritannischen Küsten vor, ausnahmsweise selbst an die deutschen herab, brütet aber nur an den ersterwähnten Orten und einzeln dann und wann auf Island. Die Prachteiderente, welche in Amerika zu fehlen scheint, lebt ebenfalls unter hohen Breiten, brütet aber schon im nördlichsten Lappland und besucht allwinterlich die Ostsee.
In den südlicheren Gegenden und Ländern ihres Verbreitungsgebietes wandert die Eiderente, auf deren Lebensschilderung ich mich beschränken darf, nicht; denn in der Nordsee hält ihr der Golfstrom das Meer fast überall offen. Selbst in der Ostsee bleiben ihr gewöhnlich ebenfalls Stellen, welche nicht zufrieren, als Zufluchtsorte während des Winters; doch muß sie von hier aus, wenn der Winter sehr streng wird, zu Streifzügen sich entschließen, welche sie dann nach der Nordsee oder selbst bis ins Atlantische Meer hinausführen. In Grönland tritt sie in den Monaten September und Oktober einen regelmäßigen Zug an, sammelt sich während desselben an nahrungsreichen Stellen in ungeheurer Menge und bedeckt das Meer im buchstäblichen Sinne des Wortes auf Geviertkilometer hin. Vom April an kehrt sie, regelmäßig ebenfalls zu großen Massen vereinigt, nach dem Norden zurück.
Die Eiderente ist ein Meervogel im vollen Sinne des Wortes. Auf dem Lande bewegt sie sich, schwerfällig watschelnd, nur mit Mühe, stolpert und fällt auch oft zu Boden nieder. Der Flug ermüdet sie bald, erfordert beständige und sehr rasche Schläge der verhältnismäßig doch kleinen Flügel und geht auch meist in geringer Höhe und gerade über dem Wasser hin. Erst, wenn sie in diesem sich befindet, zeigt sie ihre eigentliche Bewegungsfähigkeit. Sie schwimmt mit minder tief eingesenktem Leibe als andere Tauchenten, aber rascher als jede andere bekannte Art, taucht auch in viel bedeutendere Tiefen hinab. Holboell versichert, mit Faber übereinstimmend, daß sie sich ihre Nahrung zuweilen aus einer Tiefe von funfzig Meter emporholt, auch bis sechs Minuten unter Wasser verweilen kann, und erwähnt später, daß von den ihm bekannten Vögeln nur die Prachteiderente, welche nach seinen Erfahrungen bis einhundertundzwanzig Meter tauchen und bis neun Minuten unter Wasser verweilen kann, sie übertreffe. Ich habe sie sehr oft tauchen sehen, eine so lange Zeit ihres Wegbleibens aber nie beobachtet, vielmehr gefunden, daß sie in der Regel nach anderthalb, höchstens zwei Minuten wieder an der Oberfläche des Wassers erschien. Die Stimme des Männchens ist ein nicht eben lautes, aber sehr klangvolles, wenn auch brummendes »Ahu, ahu, ahua«, die des Weibchens ein eigenthümliches, oft wiederholtes »Korr, korr, korrerr«. An Sinnesschärfe steht sie hinter keiner anderen Art ihrer Familie zurück, und an geistigen Fähigkeiten scheint sie die meisten noch zu übertreffen. Sie ist, wenn sie auf dem Meere [498] sich befindet, sehr vorsichtig und läßt selbst das bekannte Fischerboot selten so nahe an sich herankommen, daß man von ihm aus einen wirksamen Schuß abgeben könnte; aber sie merkt es bald, wenn man ihr wohl will, und beträgt sich dann zuweilen, obschon nur während der Brutzeit, wie ein wirkliches Hausthier.
Alle Eidervögel brüten erst ziemlich spät im Jahre, nicht vor Ausgang des Mai, gewöhnlich erst im Juni und Juli. Zu diesem Zwecke versammeln sie sich um kleine Inseln, welche ihnen leichtes Landen gestatten. Die Paare trennen sich von dem großen Haufen, und Männchen und Weibchen watscheln nun auf das Land hinaus, um eine passende Niststelle zu suchen. Bedingung derselben ist geschützte Lage. Dementsprechend werden Inseln, welche theilweise mit niederem Gestrüppe bewachsen sind, allen übrigen vorgezogen. Da, wo der Mensch um das Brutgeschäft sich kümmert, trifft er zum Empfange der nützlichen Gäste Vorkehrungen, indem er alte Kisten am Strande aufstellt, Steine mit Brettern oder Reisig überdeckt und anderweitige Versteckplätze vorrichtet. So scheu der Eidervogel früher war, so zutraulich zeigt er sich jetzt. Er hält sich des Schutzes abseiten des Menschen im voraus versichert und läßt sich durch dessen Treiben in keiner Weise behelligen oder stören. Bis unmittelbar an das einsame Gehöft des Küstenbewohners, bis in dieses selbst, bis ins Innere der Hütte watschelt er, um sich einen passenden Platz zum Neste aufzusuchen, und gar nicht selten geschieht es, daß einzelne Eidervögelweibchen in Kammern und Ställen, Backöfen und ähnlichen Orten brüten, ja der Hausfrau förmlich lästig werden. Anfänglich begleitet das Männchen sein Weibchen regelmäßig bei allen diesen Fußwanderungen, erscheint mit ihm des Morgens am Lande, fliegt gegen Mittag nach den Fjorden hinaus, schwimmt dem hohen Meere zu, kehrt am Abend zurück, tritt am nächsten Morgen eine ähnliche Wanderung an und hält, während das Weibchen legt, Wache beim Neste; wenn aber das Gelege vollständig geworden ist, verläßt es Nest und Weibchen und fliegt nun auf das Meer hinaus, um hier mit anderen Männchen sich zu vereinigen. Um einzelne Schären Norwegens sieht man diese Strohwittwer massenhaft geschart, gleichsam einen Blütenkranz um das Eiland bildend. Das Nest besteht nur aus denjenigen Stoffen, welche sich in nächster Nähe finden, und wird höchst liederlich zusammengeschichtet, bald von feinem Reisige, bald von Seetang, bald von Gras oder Strohabfällen und dergleichen. Um so dichter und reicher ist die innere Dunenausfütterung, der kostbare Zoll, welchen die brütenden Eidervögel dem sie freundlich schützenden Menschen zurücklassen. Das Gelege besteht in der Regel aus sechs bis acht rein eiförmigen, etwa fünfundachtzig Millimeter langen, sechzig Millimeter dicken, glattschaligen, schmutzig- oder graugrünen Eiern. Schon nach wenigen Tagen sitzt die brütende Alte sehr fest auf dem Neste, und da, wo sie an den Menschen gewöhnt ist, weicht sie beim Kommen desselben nicht von der Stelle, sondern drückt nur den Kopf zu Boden und breitet die Flügel ein wenig, um sich unkenntlich zu machen. Die Färbung ihres Gefieders stimmt gewöhnlich mit der des umgebenden Bodens so vollständig überein, daß es dem Ungeübten wirklich schwer wird, den Vogel zu unterscheiden und zu entdecken. Anfangs bin ich sehr oft getäuscht und in Verwunderung gesetzt worden, wenn ich plötzlich einen gelinden Biß am Fuße fühlte, den mir ein auf dem Neste sitzendes, von mir übersehenes Eiderentenweibchen beigebracht hatte. Auch auf solchen Inseln, welche entfernt von Wohnungen liegen, lassen die Eidervögel den Menschen sehr nahe an sich herankommen, bevor sie auffliegen. Diejenigen, welche in der Nähe der Wohnungen brüten, erlauben dem Beobachter, sie vom Neste aufzuheben, die Eier zu betrachten und sie wieder auf diese zu setzen, ohne daß sie ans Wegfliegen denken. Ich habe mir das Vergnügen bereitet, mich längere Zeit neben sie hinzusetzen, sie zu streicheln, meine Hand zwischen ihren Leib und die Eier zu stecken und doch sehr viele nicht vom Neste aufgescheucht. Einzelne bissen wie spielend nach meinem Finger, andere gaben gar kein Zeichen des Mißbehagens von sich. Solche, welche ich vom Neste gehoben und in einer gewissen Entfernung auf den Boden niedergesetzt hatte, watschelten, als ob nichts geschehen wäre, dem Neste zu, ordneten die Dunen und setzten sich in meiner Gegenwart wiederum zum Brüten nieder. Die scheueren entflohen und bespritzten dann regelmäßig die [499] Eier mit ihrem Kothe; sie flogen aber niemals weit weg und kehrten auch stets bald zurück, um weiter zu brüten. Ungestört, verläßt die Mutter gewöhnlich in den Morgenstunden das Nest; vorher aber bedeckt sie das Gelege höchst sorgfältig mit den Dunen, um jeden schädlichen Einfluß der Witterung abzuhalten. Hierauf fliegt sie so eilig als möglich dem Meere zu, taucht emsig ungefähr eine halbe Stunde lang nach Nahrung, füllt sich in dieser Zeit den Kropf bis zum Bersten mit Muscheln an und kehrt wieder zum Neste zurück. Die Männchen sind immer scheuer, auch wenn sie im Anfange der Brutzeit mit dem Weibchen aufs Land gehen und am Neste Wache halten. Nähert man sich ihnen, so gerathen sie in heftige Bewegung, erheben und senken den Kopf, rufen dem Weibchen zu, stehen dann polternd auf und fliegen in das Meer hinaus, von dort aus ängstlich den Störenfried beobachtend. Nach fünfundzwanzig- bis sechsundzwanzigtägiger Bebrütung entschlüpfen die Jungen, allerliebste Geschöpfe, welche in ein reiches und ziemlich buntes Dunengewand gekleidet sind, vom ersten Tage ihres Lebens an fertig schwimmen und tauchen, auch ziemlich gut, jedenfalls besser als die Mutter, laufen. Diese führt sie, sobald sie halbwegs trocken geworden sind, dem Meere zu und verläßt es mit ihnen nunmehr bloß dann noch, wenn die Jungen müde geworden und sich bei heftigem Wogenschlage nicht auf ihrem eigenen Rücken ausruhen können. Wenn die Brutstätte weit vom Meere liegt, währt die Wanderung der Familie ziemlich lange Zeit, und der besorgte Besitzer pflegt dann gewöhnlich helfend einzuschreiten, indem er die eben ausgeschlüpfte Brut in einen Korb packt und im Gefolge der hinter ihm drein watschelnden Alten mit jener der See zuwandelt. Das Meer ist die sicherste Zufluchtsstätte für die Küchlein, weil sie hier den Nachstellungen ihrer schlimmsten Feinde, der Edelfalken, Kolkraben und Raubmöven, am leichtesten entgehen können. Sehr oft vereinigen sich mehrere Mütter mit ihren Kindern und gewähren dann dem Beobachter ein höchst wechselvolles, unterhaltendes Schauspiel. Sieht sich die Mutter von einem Boote verfolgt, so rudert sie anfangs aus allen Kräften, um dem Schützen zu entrinnen, läßt dabei das Boot bis auf wenige Schritte an sich herankommen und entschließt sich nur im äußersten Nothfalle zum Auffliegen; wird sie von den Kleinen abgeschnitten, so eilen diese dem Lande zu, klettern und holpern auf die Küste hinauf, rennen behend hin und her und haben sich im Nu zwischen Steinen oder Bodenerhöhungen so geschickt verborgen, daß sie das ungeübte Auge wohl täuschen können. Geht die Gefahr glücklich vor über, so sieht man sie nach einiger Zeit sich erheben, dem Meere zueilen und im vollsten Bewußtsein des zu wählenden Weges in gerader Linie vom Lande sich entfernen, der besorgten Mutter oder einem anderen alten Weibchen zuschwimmend. Wenn die Alte getödtet wird, so lange die Jungen noch der mütterlichen Hülfe nicht entbehren können, schließen sich diese einer anderen Kinderschar an, und deren gutmüthige Erzeugerin nimmt sie auch ohne weiteres auf und führt und pflegt sie, als ob es die eigenen Kinder wären. Der Trieb zu bemuttern ist überhaupt bei den Eidervögeln sehr ausgeprägt: schon die neben einander brütenden Weibchen bestehlen sich gegenseitig um die Eier und theilen sich später, wenn sie sich vereinigten, ohne Widerspruch zu erfahren, in Pflege und Erziehung der Kleinen. Letztere wachsen schnell heran, werden bereits im Verlaufe der ersten Wochen so selbständig, daß sie alle Pflege entbehren können, bleiben aber dennoch bis zum nächsten Frühjahre in Gesellschaft ihrer Eltern und im zweiten Jahre ihres Lebens so viel als möglich in Gesellschaft der alten Männchen.
In der ersten Jugend fressen die Eiderenten kleine Krebsarten und Weichthierchen; später halten sie sich fast ausschließlich an Muscheln, ohne jedoch kleine Fische und andere Meerthiere zu verschmähen.
Obgleich die Eidervögel den größten Reichthum der hochnordischen Länder bilden, werden sie doch keineswegs in vernünftiger Weise gehegt und gepflegt. Verständige Eigenthümer der »Eiderholme« oder Brutplätze nehmen den brütenden Vögeln, während sie legen, einige Eier weg und zwingen sie dadurch, mehr von diesen zu erzeugen, als sie sonst thun würden. Nunmehr aber warten sie, bis die Brutzeit vorüber ist, und sammeln dann erst die Dunen auf. So verfährt man im südlichen Norwegen, anders in Lappland, auf Island, Spitzbergen und Grönland. Hier schont man [500] weder Vögel noch Eier. Trotz des schlechten Fleisches der älteren Eidervögel treibt man ihre Jagd jahraus jahrein und tödtet tausende, und trotz des ersichtlichen Vortheiles, welchen vor allen Dingen Hegung der brütenden Eiderenten gewährt, nimmt man ihnen Eier und Dunen weg, wo man sie findet. Auf Spitzbergen haben sich die Folgen dieses unsinnigen Verfahrens bereits sehr bemerklich gemacht; denn während man die Ausbeutung früher nach tausenden von Kilogrammen berechnen konnte, muß man jetzt mit hunderten zufrieden sein: Malmgren versichert, daß man jetzt im Herbste gar nicht oft junge Eiderenten erblicke und die Fänger allgemein überrasche Abnahme, welche sie doch selbst verschuldet haben, in Klagen ausbrechen. In Grönland hat sich die Verminderung noch nicht so bemerklich gemacht; es werden von dort aus, laut Holboell, alljährlich noch mehrere tausend Kilogramm versandt. »Die größte Menge unreiner Dunen, welche von Südgrönland aus in einem Jahre abgesendet wurde, betrug 2005 Kilogramm; Nordgrönland liefert ungefähr halb so viel. Man rechnet die Dunen von zwölf Nestern auf ein Pfund; es wurden also 104,520 Vögel ihrer Dunen und zugleich, wenigstens zum größten Theile, auch ihrer Eier beraubt.« Ein Kilogramm gereinigter Eiderdunen kostet gegenwärtig in Norwegen ungefähr sechsunddreißig Mark unseres Geldes; der Gewinn, welchen ein reich besetzter Eiderholm liefern kann, ist also keineswegs unbedeutend und würde sich noch beträchtlich steigern, wollte man sich entschließen, die Dunen erst, nachdem die Jungen dem Neste entlaufen sind, aufzunehmen. Die Bauern auf Sylt schonen die so bedeutenden Nutzen bringenden Vögel gar nicht, verpachten für wenige Mark die Eierlese und hindern so, sehr zu ihrem Nachtheile, jener gedeihliche Vermehrung.
Kolkraben und Raubmöven stellen Eiern und Jungen, Jagdfalken und Eisfüchse diesen und den Alten nach; der Mensch wendet zur Jagd das Feuergewehr und geschickt aufgestellte Netze an. Im Herbste erlegt man in Grönland zuweilen einige zwanzig mit einem einzigen Schusse, falls man mit einem Boote so nahe an eine schwimmende Herde heranzurudern vermag, daß man einen Schuß in ziemlicher Nähe abgeben kann. Für die Gefangenschaft eignen sich die Eidervögel ebensowenig wie alle anderen Meertauchenten: sie verkümmern auch bei der besten Pflege, selbst wenn man ihnen ihre Hauptnahrung, die Muscheln, in genügender Menge vorwirft. Diejenigen, welche wir bisher in den Thiergärten gepflegt haben, starben regelmäßig im Hochsommer, gewöhnlich bei Beginn der Mauser. An eine Fortpflanzung im Käfige ist bei ihnen nicht zu denken.
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