Schnatterente (Anas strepera)

[483] Hier und da gesellt sich zu dieser bekanntesten Art der Unterfamilie die ihr gleichgestaltete, durch den verhältnismäßig kleineren und schmäleren, mit längeren Zähnchen ausgerüsteten Schnabel unterschiedene und deshalb als Vertreter einer gleichnamigen Untersippe (Chaulelasmus) betrachtete Schnatterente, Schnarr-, Lärm-, Nessel- und Mittelente (Anas strepera, cinerea und Kekuschka, Chaulelasmus streperus, cinereus und americanus, Chaulodes, Ktinorhynchos und Querquedula strepera). Kopf und Hals sind auf licht rostgrauem Grunde mit kleinen rundlichen, dunkelbraunen Flecken getüpfelt, Kropf und Oberbrust auf aschgrauem Grunde muschelartig dunkel gewässert, Nacken, Mantel und Seiten auf ebenfalls grauem Grunde sehr fein quergewellt, Bürzel, obere und untere Schwanzdecken tiefschwarz, Brust- und Bauchmitte weiß, die Handschwingen dunkelbraun, außen lichter gerandet, die vorderen Armschwingen an der weißgesäumten Spitze tiefschwarz, übrigens aschgrau, die hinteren, welche den Spiegel bilden, weiß, die Schulterfedern aschgrau, die vorderen größeren Oberflügeldeckfedern rostroth, die hinteren braun-, die größten hinteren tief sammetschwarz, die Schwanzfedern braungrau, außen weiß gekantet. Das Auge ist braun, der Schnabel blauschwarz, der Fuß schmutziggelb. Im Sommerkleide ist das Gefieder oberseits vorherrschend dunkel graubraun, heller gekantet, unterseits auf rothbraunem Grunde schwarz, an den Seiten pfeilspitzig quergefleckt, auf den Oberflügeln graulich. Ein ähnliches, nur lichteres Kleid trägt das Weibchen. Die Länge beträgt zweiundfunfzig, die Breite fünfundachtzig, die Fittiglänge sechsundzwanzig, die Schwanzlänge zehn Centimeter. Das Weibchen ist, wie gewöhnlich, kleiner.

Das Verbreitungsgebiet der Stockente umfaßt ganz Europa und Asien, Amerika bis Mejiko und Nordafrika; das der Schnatterente ist kaum minder ausgedehnt. Erstere, deren Lebensweise im wesentlichen auch die der Schnatterente ist, zieht im Norden regelmäßig, wandert auch in unseren Breiten noch, bleibt aber schon in Süddeutschland oft auch im Winter innerhalb ihres Brutgebietes wohnen. In den Monaten Oktober und November versammeln sich die Stockenten zu großen Scharen und brechen nach südlicheren Gegenden auf. Die meisten gehen bis Italien, Griechenland und Spanien, wenige nur bis Nordafrika oder in die diesem Theile der Erde entsprechende Breite Südasiens hinab. Auf italienischen, griechischen und spanischen Seen gewahrt man von jener Zeit an tausende und hunderttausende von ihnen, zuweilen auf Strecken von mehreren Geviertkilometern das Wasser bedeckend und, wenn sie sich erheben, einen von fern hörbaren dumpfen Lärm verursachend, welcher an das Getöse der Brandung erinnert. Schon im Februar oder spätestens im März beginnt der Rückzug. In der Heimat wie in der Fremde nimmt die Stockente am liebsten auf schilf- oder riedbedeckten Seen, Teichen und Brüchen ihren Aufenthalt. Gewässer, welche hier und da von Pflanzen frei, im übrigen von Gebüsch und Sumpfpflanzen aller Art bewachsen sind, sagen ihr besonders zu; von ihnen ausfliegt sie ab und zu auf kleinere Teiche, [483] Lachen, Wassergräben oder Felder hinaus, um auch diese Oertlichkeiten auszunutzen. Auf freiem Wasser zeigt sie sich verhältnismäßig wenig, schwimmt vielmehr sobald als möglich dem Pflanzendickichte zu und untersucht nun gründelnd und wadend den Schlamm.

Die Stockente gehört zu den gefräßigsten Vögeln, welche wir kennen, verzehrt die zarten Blätter oder Spitzen der Grasarten und der verschiedensten Sumpfgewächse, deren Knospen, Keime und reife Sämereien, Getreidekörner, Knollenfrüchte, jagt aber auch eifrig auf alle Thiere vom Wurme an bis zum Fische und Lurche, scheint an einem unersättlichen Heißhunger zu leiden und frißt, um ihn zu stillen, so lange sie wach ist und etwas findet.

Wesen, Sitten und Gewohnheiten ähneln dem Gebaren ihrer Nachkommen, der Hausente. Sie geht, schwimmt, taucht und fliegt in ähnlicher Weise, obschon besser als die Hausente, hat genau dieselbe Stimme, das weitschallende »Quak« des Weibchens und das dumpfe »Quäk« des Männchens, das unterhaltende »Weck weck« oder das lockende »Wack wack«, das Furcht ausdrückende »Rätsch« oder »Räb räb«, kurz alle die Laute, welche man von der Hausente vernimmt. Ihre Sinne sind scharf, ihre geistigen Fähigkeiten wohl entwickelt. Sie beurtheilt die Verhältnisse richtig und benimmt sich dementsprechend verschieden, bekundet aber stets Vorsicht und Schlauheit, wird auch, wenn sie Verfolgungen erfährt, bald ungemein scheu. Höchst gesellig, im allgemeinen auch verträglich, mischt sie sich gern unter Verwandte, hält überhaupt mit allen Vögeln Gemeinschaft, welche ihrerseits solche leiden mögen. Auch die Nähe des Menschen meidet sie nicht immer, siedelt sich vielmehr oft auf Teichen an, welche unter dem Schutze der Bevölkerung stehen, beispielsweise auf solchen in Anlagen oder größeren Gärten, zeigt sich hier bald höchst zutraulich, läßt es sich ebenso gern gefallen, wenn ihrer Gefräßigkeit abseiten des Menschen Vorschub geleistet und sie regelmäßig gefüttert wird, brütet und erzieht ihre Jungen hier und benimmt sich schließlich fast wie ein Hausvogel. Trotzdem bewahrt sie sich eine gewisse Selbständigkeit und wird nicht zur Hausente, sondern übererbt auch ihren Jungen immer den Hang zur Freiheit und Ungebundenheit. Wirklich zähmen läßt sie sich nur dann, wenn man sie von Jugend auf mit Hausenten zusammenhält und ganz wie diese behandelt. Sie paart sich leicht mit letzteren, und die aus solchen Ehen hervorgehenden Nachkommen werden ebenso zahm wie die eigentlichen Hausenten selbst.

Bald nach ihrer Ankunft trennen sich die Gesellschaften in Paare, und diese hängen mit vieler Liebe an einander, obwohl heftige Brunst sie leicht zu Ueberschreitungen der Grenzen einer geschlossenen Ehe verleitet. Nach erfolgter Begattung, welche fast immer auf dem Wasser vollzogen, durch Entfaltung eigenthümlicher Schwimmkünste eingeleitet und mit vielem Geschreie begleitet wird, wählt sich die Ente einen passenden Platz zur Anlage des Nestes. Zu diesem Zwecke sucht sie eine ruhige, trockene Stelle unter Gebüsch oder anderen Pflanzen auf, nimmt jedoch ebenso Besitz von bereits vorhandenen, auf Bäumen stehenden Raubthierhorsten oder Krähennestern. Trockene Stengel, Blätter und andere Pflanzenstoffe, welche locker über einander gehäuft, in der Mulde ausgerundet, später aber mit Dunen ausgekleidet werden, bilden den einfachen Bau. Das Gelege besteht aus acht bis sechzehn länglichen, hart- und glattschaligen, grauweißen Eiern, welche von denen der Hausente nicht unterschieden werden können. Die Dauer der Brutzeit währt vierundzwanzig bis achtundzwanzig Tage. Das Weibchen brütet mit Hingebung, bedeckt beim Weggehen die Eier stets vorsichtig mit Dunen, welche es sich ausrupft, schleicht möglichst gedeckt im Grase davon und nähert sich, zurückkehrend, erst, nachdem es sich von der Gefahrlosigkeit vollkommen überzeugt hat. Die Jungen werden nach dem Ausschlüpfen noch einen Tag lang im Neste erwärmt und sodann dem Wasser zugeführt. Wurden sie in einem hochangelegten Neste groß, so springen sie, bevor sie ihren ersten Ausgang antreten, einfach von oben herab auf den Boden, ohne durch den Sturz zu leiden. Ihre erste Jugendzeit verleben sie möglichst versteckt zwischen dichtstehendem Riedgrase, Schilfe und anderen Wasserpflanzen, und erst wenn sie anfangen, ihre Flugwerkzeuge zu proben, zeigen sie sich ab und zu auf freierem Wasser. Ihre Mutter wendet die größte Sorgfalt an, um sie den Blicken der Menschen oder anderer Feinde zu entziehen, sucht [484] nöthigenfalls durch Verstellungskünste die Gefahr auf sich selbst zu lenken, tritt auch, wenn sie die Schar von schwächeren Feinden angegriffen sieht, denselben muthig entgegen und schlägt sie häufig in die Flucht. Die Jungen hängen mit warmer Liebe an ihr, beachten jede Warnung, jeden Lockton, verkriechen sich, sobald die Alte ihnen dies befiehlt, zwischen deckenden Pflanzen oder Bodenerhöhungen und verweilen, bis jene wieder zu ihnen zurückkehrt, in der einmal angenommenen Lage, ohne sich zu regen, sind aber im Nu wieder auf den Beinen und beisammen, wenn die Mutter erscheint. Ihr Wachsthum fördert ungemein rasch; nach etwa sechs Wochen fliegen sie bereits.

Alle Sorge und Angst der Mutter läßt den Vater unbekümmert. Sobald die Ente zu brüten beginnt, verläßt er sie, sucht unter Umständen noch ein Liebesverhältnis mit anderen Entenweibchen anzuknüpfen und vereinigt sich, wenn ihm dies nicht mehr gelingen will, mit seinesgleichen zu Gesellschaften, welche sich nunmehr ungezwungen auf verschiedenen Gewässern umhertreiben. Noch ehe die Jungen dem Eie entschlüpft sind, beginnt bereits die Mauser, welche sein Prachtkleid ins unscheinbare Sommerkleid verwandelt. Letzteres wird kaum vier Monate getragen und geht dann durch Mauser und Verfärbung ins Hochzeitkleid über. Um diese Zeit tritt auch die Mauser bei den Jungen ein, und nunmehr vereinigen sich beide Geschlechter und alt und jung wieder, um fortan gesellig den Herbst zu verbringen und später der Winterherberge zuzuwandern.

Manche alte Stockente fällt dem Fuchse oder dem Fischotter, manche junge dem Iltis und bezüglich dem Nörz zur Beute; die Eier und zarten Jungen werden von Wasserratten weggeschleppt oder durch Rohrweihe und Milane gefährdet; als die schlimmsten Feinde aber müssen wohl die großen Edelfalken gelten, welche sich zeitweilig fast nur von Enten ernähren. Angesichts eines solchen Gegners suchen sich letztere so viel als möglich durch Tauchen zu retten, ziehen auch wohl den Räuber, welcher sie ergriff, gelegentlich mit in die Tiefe hinab und ermatten ihn dadurch so, daß er die Jagd aufgeben muß. Habicht und Adler, insbesondere Seeadler, betreiben die Entenjagd nicht minder eifrig und meist mit Glück, obgleich die Enten auch gegen sie Mittel zur Abwehr anwenden. Seyffertitz beobachtete einst innerhalb weniger Stunden die verschiedenen Vertheidigungsarten der Enten gegen Raubvögel. Als diese einen langsam herbeifliegenden Seeadler gewahrten, erhoben sie sich in die Luft und strichen über dem Wasser hin und her, weil sie wohl wußten, daß er nicht im Stande sei, sie im Fluge zu fangen. Nachdem er die Jagd aufgegeben, fielen sie wieder ein und suchten ihre Nahrung wie vorher. Da zeigte sich ein Wanderfalk; jetzt aber flogen sie nicht auf, sondern tauchten unablässig, bis auch dieser Feind das vergebliche seiner Bemühungen einsah. Später erschien nun ein Habicht, welcher im Fliegen wie im Sitzen gleich geschickt zu fangen weiß. Die Enten zogen sich sofort eng zusammen, warfen mit den Flügeln beständig Wasser in die Höhe und bildeten so einen undurchsichtigen Staubregen; der Habicht durchflog diesen Regen, wurde aber doch so verwirrt, daß er ebenfalls von seiner Jagd ablassen mußte.

Das Wildpret der Stockente ist so vorzüglich, daß man ihre Jagd allerorten eifrig betreibt. Alle üblichen oder erdenklichen Jagd- und Fangarten werden angewendet, um sich ihrer zu bemächtigen, sie auch zu vielen tausenden erbeutet. Die Märkte aller Städte Italiens, Griechenlands und Spaniens oder Egyptens sind während des Winters mit Enten insgemein und insbesondere auch mit Stockenten geradezu überfüllt.

Wirklich nennenswerthen Schaden verursachen auch die Stockenten nicht. Sie fressen allerdings Fische, sind jedoch nur im Stande, kleine hinabzuschlingen und diese bloß in seichten Gewässern zu fangen, so daß dieser Nahrungsverbrauch eben nicht ins Gewicht fällt und durch den Nutzen, welchen Wildpret und Federn gewähren, aufgehoben werden dürfte.

Kriechenten nennt man die kleinsten, etwa taubengroßen Arten der Unterfamilie, vereinigt sie gewöhnlich auch in einer besonderen Untersippe (Querquedula). Schnabel, Fuß, Flügel und Schwanz ähneln den entsprechenden Theilen der Stockenten; das Kleingefieder aber verlängert sich [485] bei den meisten Arten auf dem Hinterkopfe hollenartig, und die Schulterfedern spitzen sich zu, werden selbst zu Flatterfedern.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 483-486.
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