Schwalbenmöve (Xema Sabinii)

[550] Die wichtigste der beiden Arten dieser Sippe ist die Schwalbenmöve (Xema Sabinii und collaris, Larus und Gavia Sabinii). Kopf und Oberhals sind dunkel bleigrau, unten durch ein mäßig breites schwarzes Halsringband begrenzt, Nacken, ganze Unterseite und Schwanz weiß, Mantel und Rücken mövenblau, Flügelbug und Flügelrand schwarz, die ersten fünf Handschwingen [550] schwarz, innen bis gegen die Spitze hin und an dieser breit weiß, die übrigen wie die Armschwingen und Oberarmschwingen mövenblau, am Ende breit weiß gerandet. Im mittleren Kleide ist die Kappe nur durch einen dunkel aschgrauen Fleck hinter dem Auge angedeutet, der Nacken und die kleinen Flügeldeckfedern sind mattschwarz, Mantel und Rücken mövenblau, die Steuerfedern im Enddrittel mattschwarz, alle übrigen Theile weiß. Im Jugendkleide sind alle Federn der ganzen fahl rauchbraunen Oberseite lichter, fahlgelb bis weiß, gerandet, die Schwanzfedern am Ende mattschwarz und alle Untertheile weiß. Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel röthlichschwarz, an der Spitze orangegelb, der Fuß schwarz. Die Länge beträgt etwa fünfunddreißig, die Fittiglänge achtundzwanzig, die Schwanzlänge zwölf Centimeter.

Der höchste Norden der Erde, die amerikanischen und sibirischen Küsten sowie verschiedene Inseln des Eismeeres bilden das Wohngebiet der Schwalbenmöve. Ihre Brutplätze liegen erst jenseit des dreiundsiebzigsten Grades der Breite. Von ihnen aus streifen die Alten höchstens bis Spitzbergen und Südgrönland hinab, während die jungen Vögel in ihrem ersten und zweiten Lebensjahre zuweilen südlicher reisen und dann auch Großbritannien, Dänemark, Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, selbst Ungarn besuchen. In unserem Vaterlande wurden mehrere, in Großbritannien viele erlegt oder beobachtet. Mit alleiniger Ausnahme der Brutzeit scheinen die kraft ihrer langen Schwingen besonders flugbegabten Vögel auf hohem Meere zu leben. Holboell erfuhr von Grönländern, welche ihm eine Schwalbenmöve überbrachten, daß sie dieselbe zuweilen zu Gesicht bekommen hätten, wenn sie weit in der See hinaus auf Fang gewesen seien. In der Davisstraße und dem Baffinsbusen treten sie sehr häufig auf. Edward Sabine fand sie hier, Middendorff am Taimyrflusse zwischen dem dreiundsiebzigsten und vierundsiebzigsten Grade brütend. Beiden danken wir das wenige, welches wir von ihrem Betragen wissen.

Am Taimyrflusse erschienen die von Middendorff beobachteten Schwalbenmöven am fünften Juni, verschwanden aber bald darauf gänzlich, weil sie sich wahrscheinlich ihren Brutplätzen zugewendet hatten. Diese befanden sich nördlich des vierundsiebzigsten Grades auf kleinen Schwemmlandinseln des genannten Flusses und in der Nähe gewisser Wasserbecken der Tundra, diejenigen, welche Sabine besuchte, auf kleinen, unter dem fünfundsiebzigsten Breitengrade gelegenen, etwa zwanzig Seemeilen von Grönland entfernten Felseninseln der Davisstraße. Hier wie dort brüteten die Schwalbenmöven in innigster Gemeinschaft mit Küstenseeschwalben, denen sie auch in ihrem Fluge mehr als alle übrigen Möven ähneln. Beide Beobachter fanden im Juli je zwei Eier in den Nestern, am Taimyrflusse in mit vorjährigen Grashalmen ausgelegten Vertiefungen im Moose, auf den Felsenbergen auf dem nackten Boden. Die Eier haben einen Längsdurchmesser von dreiundvierzig, einen Querdurchmesser von dreißig Millimeter und sind auf schmutzig gelbgrünem Grunde bräunlich gefleckt. Am zehnten Juli waren die von Middendorff untersuchten Eier schon stark bebrütet; am funfzehnten Juli krochen die meisten Jungen aus. Ihr Dunenkleid ist oberseits auf rostgelbem Grunde über und über schwarz gefleckt, unterseits weißlich grau. Sie wachsen rasch heran, werden von ihren Eltern in der Tundra mit den Larven eines Zweiflüglers, auf den Meeresinseln mit kleinen Krebsthieren geatzt und laufen, schwimmen und tauchen später ganz vorzüglich. Die besorgten Eltern stürzen sich unter lautem Gegacker, welches an das Schäkern der Wacholderdrossel erinnert, auf jeden Eindringling herab, greifen solchen todesmuthig an und verlassen den Brutplatz auch dann nicht, wenn ihre Gatten vor ihren Augen dem Bleie des Schützen erlagen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 550-551.
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