Riesensturmvogel (Procellaria gigantea)

[565] Als Verbindungsglied der Albatrosse und Mövensturmvögel darf der eine gleichnamige Untersippe (Ossifraga) vertretende Riesensturmvogel (Procellaria gigantea und ossifraga, Fulmarus giganteus, Ossifraga gigantea) angesehen werden. Der alte Vogel trägt ein oberseits geflecktes Kleid, weil die meisten kleinen Federn trübweiße Ränder zeigen; die Untertheile sind weiß; das Auge hat gelbweiße, der Schnabel lebhaft, der Fuß blaßgelbe Färbung. Das [565] Gefieder des jungen Vogels ist einfarbig dunkel chokoladebraun, das Auge dunkel schwarzbraun, der Schnabel hell hornfarbig, an der Spitze blaß weinroth überlaufen, der Fuß schwärzlichbraun. Die Länge beträgt neunzig, die Breite zweihundert, die Fittiglänge funfzig, die Schwanzlänge achtzehn Centimeter.

Der Verbreitungskreis des Riesensturmvogels, dessen Leichnam einmal auch auf dem Rheine gefunden worden sein soll, erstreckt sich über den gemäßigten und kalten Gürtel der südlichen Halbkugel.


Riesensturmvogel (Procellaria gigantea). 1/6 natürl. Größe.
Riesensturmvogel (Procellaria gigantea). 1/6 natürl. Größe.

Tschudi beobachtete ihn im Atlantischen Weltmeere zwischen dem dreißigsten und fünfunddreißigsten Grade und in der Südsee zwischen dem einundvierzigsten und vierundfunfzigsten Grade tagtäglich; Gould meint, daß er oft um die Erdkugel fliegen möge. Ein durch sein lichtgraues Gefieder auffallender Vogel dieser Art verfolgte das Schiff unseres Forschers auf seiner Fahrt vom Vorgebirge der Guten Hoffnung nach Vandiemensland ungefähr drei Wochen lang und durchflog während dieser Zeit mindestens zweitausend Seemeilen, da er, in weiten Kreisen von zwanzig Seemeilen Durchmesser umherschweifend, nur alle halben Stunden vom Schiffe aus sichtbar wurde. Der Flug dieses Riesen der Familie ist nicht so angenehm schwimmend als der des Albatros, sondern mehr angestrengt und schlagend; doch kann man ihn bei flüchtiger Beobachtung leicht mit den kleineren Albatrosarten verwechseln. »Obgleich sehr gefräßig«, sagt Tschudi, »ist er doch sehr vorsichtig und mißtrauisch und beißt nur selten in die Angel; gefangen an Bord gezogen, vertheidigt er sich mit Muth und haut mit seinem scharfen Schnabel wüthend um sich. Scheu [566] weichen ihm immer die übrigen kleinen Sturmvögel aus, von denen er vielleicht öfters einen mit wegschnappen mag.« Gould hat in dem Magen der von ihm getödteten Stücke zwar nur mehr oder weniger verdaute Fische gefunden; Lesson aber theilt mit, daß er in den Eingeweiden eines solchen Reste von Vögeln fand. Hutton sagt, daß er überaus gefräßig sei und sich gierig auf alles genießbare, unter anderem auch auf die erschlagenen Seehunde, stürze, um von ihnen zu fressen. Gould sah auf der Reise nach Vandiemensland tausende dieser Vögel beisammen auf dem Wasser sitzen, das umherschwimmende Fett der getödteten Walthiere verzehrend. Cook fand ihn auf Christmaseiland so zahm, daß ihn die Matrosen mit Stöcken erschlugen.

Nach Huttons Erfahrungen brütet der Riesensturmvogel auf Prinz Edwards Eiland und legt ein einziges weißes Ei. Aus ihm schlüpft nach langer Bebrütung das anfänglich in ein schönes weißes, langduniges Kleid gehüllte Junge, welches langsam heranwächst und später seine auf dunkelbraunem Grunde weißgefleckte Jugendtracht anlegt. Wenn sich jemand dem Neste nähert, wendet sich der alte Vogel etwas zur Seite, und das Junge spuckt sodann ein entsetzlich stinkendes Oel über zwei Meter weit gegen den Angreifer.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 565-567.
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