Schmutzgeier (Neophron percnopterus)

[28] Unter allen Mitgliedern der Gruppe hat kein einziger eine so große Berühmtheit erlangt wie der Schmutzgeier, der seit uralter Zeit bekannte und beschriebene Koth- oder Maltesergeier, der Racham, Alimosch, die »Henne der Pharaonen«, und wie er sonst noch benamset worden sein mag (Neophron percnopterus und ginginianus, Vultur percnopterus, albus, meleagris, ginginianus und stercorarius, Percnopterus aegyptiacus). Er ist es, dessen Bildnis die altegyptischen Bauwerke zeigen, welcher von den alten Egyptern und den Hebräern als Sinnbild der Elternliebe gefeiert wurde und heutigen Tages noch wenigstens keine Mißachtung auf sich gezogen hat. Er unterscheidet sich von allen bekannten Arten seiner Familie durch seine rabenähnliche Gestalt, die langen, ziemlich spitzen Schwingen, den langen, abgestuften Schwanz und die Art und Weise der Befiederung. Der Schnabel ist sehr in die Länge gestreckt, die Wachshaut über mehr als die Hälfte desselben ausgedehnt, der Haken des Oberschnabels lang herabgekrümmt, aber zart und unkräftig, der Fuß schwach, die Mittelzehe fast ebenso lang als der Lauf, der Fang mit mittellangen, schwach gebogenen Nägeln bewehrt. Im Fittige überragt die dritte Schwinge alle übrigen; die zweite ist länger als die vierte, die sechste länger als die erste. Im Schwanze sind die seitlichen Federn nur zwei Drittel so lang als die äußeren. Das reiche Gefieder besteht aus großen und langen Federn, welche sich im Nacken und am Hinterhalse noch mehr verlängern, zugleich auch verschmälern und zuspitzen. Gesicht und Kopf bleiben unbefiedert. Ein schmutziges Weiß, welches in der Hals- und Ober brustgegend mehr oder weniger in das Dunkelgelbe spielt, auf Rücken und Bauch aber reiner wird, herrscht vor; die Handschwingen sind schwarz, die Schulterfedern graulich. Der Augenstern ist rothbraun oder licht erzgelb, der Schnabel an der Spitze hornblau, im übrigen wie die nackten Kopftheile und der Kropfflecken lebhaft orangegelb, die Kehlhaut etwas lichter als der Unterschnabelrand. Bei jungen Vögeln sind Schultern und Oberflügeldeckfedern, [28] ein Streifen über die Mitte der Unterbrust und des Bauches, Krause, Bürzel, Steiß und Steuerfederenden stahlgrau, Hinter- und Vorderhals, Brust, Bauchseiten und Schwingen aber schwarzbraun, die Federn der Schenkel grau und schwarz gescheckt, die wolligen der Krause grau, die des Seitenhalses braun geschaftet und gespitzt, die Steuerfedern gänsegrau, Gesicht, Wachshaut und Kopf aschgrau. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß lichtgrau wie bei den Alten. Die Länge des Weibchens beträgt siebzig, die Breite einhundertundsechzig, die Fittiglänge funfzig, die Schwanzlänge sechsundzwanzig Centimeter. Männchen habe ich zufällig nicht gemessen.

Der Schmutzgeier wird unter den deutschen Vögeln mit aufgezählt, weil er einige Male in unserem Vaterlande erlegt worden ist. Häufiger kommt er in der Schweiz vor, wie schon der alte Geßner angibt; in der Nähe von Genf hat sogar ein Paar gehorstet. Weiter nach Süden hin tritt er in namhafterer Menge auf. Im Süden von Frankreich ist er zwar noch nicht ansässig, als Besuchsvogel aber doch nicht allzu selten, in Italien auf das Vorgebirge Argentaro und die Nähe von Nizza beschränkt, auffallenderweise aber in Sardinien, dem bevorzugten Wohngebiete anderer Geier, nicht seßhaft, in Spanien ein überall vorkommender, wenn auch nicht gerade häufiger Vogel, in Griechenland und auf der Balkanhalbinsel überhaupt allgemein verbreitet. Hier erscheint er, laut Krüper, mehr oder weniger regelmäßig an den ersten Frühlingstagen, weshalb die Hirten den Beginn des Frühlings von seiner Ankunft an zu berechnen pflegen, ebenso wie sie ihn das »Pferd des Kukuks« nennen, weil sie glauben, daß der letztere auf seinem Rücken die Winterreise zurücklegen soll. Ausnahmsweise läßt sich einer bereits am zwölften März im Lande sehen, und ebenso kann es vorkommen, daß man sie erst zu Ende des Monats oder selbst im Anfange des April bemerkt. Von dieser Zeit an verweilt er im Lande bis zum September oder Oktober, um seine Winterreise anzutreten. Auf den Kykladen bleibt der eine oder andere während des Winters wohnen, und ebenso ist es in Spanien, woselbst wir unseren Geier noch im November und December in Andalusien und im Januar in der Umgegend von Toledo beobachteten. Die Krim und Südrußland, woselbst er ebenfalls horstet, pflegt er im Winter zu verlassen; in Afrika, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der westlichen Küstenländer, und einem großen Theile West- und Südasiens dagegen ist er entschiedener Standvogel. Von Mittelegypten an südlich wird er häufig, in Nubien ist er einer der gemeinsten Raubvögel. Dasselbe gilt für Mittel- und Südafrika, jedoch unter Maßgabe, daß der Schmutzgeier als entschiedener Freund morgenländischen Getriebes betrachtet werden muß. So häufig er sich allerorten findet, wo der Morgenländer im weitesten Sinne des Wortes sich angesiedelt hat, so einzeln tritt er in anderen Gegenden auf. Er bewohnt in der That ganz Afrika, von der Nordgrenze an bis zum äußersten Süden, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der Küstengebiete des Westens, woselbst er bisher nur auf den Inseln des Grünen Vorgebirges beobachtet wurde, ist jedoch nicht allein in den Küstenländern des Rothen Meeres, sondern auch im tieferen Inneren oder überall da, wo der Neger lebt, eine seltene Erscheinung und meidet größere Waldungen, welche sein Vetter, der Kappengeier, besucht, fast gänzlich. In West- und Südasien haust er in Kleinasien, Syrien, Palästina, Arabien, Persien, Nepal, Afghanistan, den Himalayaländern, in Nord- und Mittelindien, fehlt dagegen im Süden des Landes und ebenso weiter nach Osten hin, insbesondere in China, durchaus.

Das schmutzige Handwerk, welches dieser Geier betreibt, hat Vorurtheile erzeugt, welche selbst von unseren tüchtigsten Naturforschern getheilt werden. »Es möchte schwerlich einen Vogel geben«, sagt Naumann, »dessen widerliches Aeußere seinen Sitten und seiner Lebensweise so vollkommen entspräche als diesen. Das kahle Gesicht des kleinen Kopfes, der vorstehende nackte Kropf, die lockere Halsbefiederung, das stets beschmutzte und abgeriebene Gewand nebst den groben Füßen sind nicht geeignet, einen vortheilhaften Eindruck auf den Beschauer zu machen. Dazu kommt noch, daß dem lebenden Vogel häufig eine häßliche Feuchtigkeit aus der Nase trieft, der Geier überhaupt einen Geruch, ähnlich dem unserer Raben ausdünstet, welcher so stark ist, daß ihn selbst der todte Balg nach Jahren und in einem fast zerstörten Zustande nicht verliert. Er ist ein trauriger [29] und träger Vogel.« Ich bin fest überzeugt, daß Naumann anders geurtheilt haben würde, hätte er den Schmutzgeier so oft wie ich lebend gesehen. Das Handwerk, welches der Vogel betreibt, ist widerlich, nicht er selbst. Es ist durchaus nicht meine Absicht, ihn zu einem schönen und anmuthigen oder liebenswürdigen Vogel stempeln zu wollen: eine angenehme Erscheinung aber ist er gewiß. Mir wenigstens hat er immer weit besser gefallen als die großen Arten seiner Zunft.

Der Schmutzgeier ist nur in Südeuropa scheu und vorsichtig. In ganz Afrika vertraut er dem Menschen, vorausgesetzt, daß er von der Mordsucht des Europäers noch nicht zu leiden gehabt hat. Er ist nichts weniger als ein dummer Vogel; denn er unterscheidet sehr genau zwischen dem, was ihm frommt, und dem, was ihm schadet, weiß sich auch, oft unter recht schwierigen Umständen, mit einer gewissen List sein tägliches Brod zu erwerben. Träge kann man ihn ebenfalls nicht nennen; er ist im Gegentheile sehr viel in Bewegung und gebraucht seine Schwingen oft stundenlang nur des Spieles halber. Hat er sich freilich satt gefressen, so sitzt auch er lange Zeit auf einer und derselben Stelle. Im Gehen ähnelt er unserem Kolkraben; im Fliegen erinnert er einigermaßen an unseren Storch, aber auch wieder an den Geieradler, nur daß er weit langsamer und minder zierlich fliegt als dieser. Er verläßt mit einem Sprunge den Boden, fördert sich durch einige langsame Flügelschläge und streicht dann rasch ohne Flügelbewegung dahin. Ist das Wetter schön, so erhebt er sich mehr und mehr, zuweilen, der Schätzung nach, bis in Luftschichten von tausend bis zwölfhundert Meter Höhe über dem Boden. Zu seinen Ruhesitzen wählt er sich, wenn er es haben kann, Felsen; die Bäume meidet er so lange als möglich, und in großen Waldungen fehlt er gänzlich. Ebenso häufig als auf Felsen, sieht man ihn auf alten Gebäuden fußen, in Nordafrika, Indien und Arabien auf Tempeln, Moscheen, Grabmälern und Häusern. Mit seinen Familienverwandten theilt er Geselligkeit. Einzeln sieht man ihn höchst selten, paarweise schon öfter, am häufigsten aber in größeren oder kleineren Gesellschaften. Er vereinigt sich, weil sein Handwerk es mit sich bringt, mit anderen Geiern, aber doch immer nur auf kurze Zeit; sobald die gemeinsame Tafel aufgehoben ist, bekümmert er sich um seine Verwandten nicht mehr. Im Bewußtsein seiner Schwäche ist er friedlich und verträglich, wenn auch nicht ganz so, wie der alte Geßner sagt, welcher behauptet, daß er »gantz forchtsam und verzagt« sei, also »daß er von den Rappen vnd anderen dergleichen Vögeln geschlagen, gejagt vnd gefangen wirt, dieweil er schwer vnd faul zu der Arbeit ist«. In Südegypten und Südnubien bemerkt man zahlreiche Flüge von ihm, welche sich stundenlang durch prächtige Flugübungen vergnügen, gemeinschaftlich ihre Schlafplätze aussuchen und auf Nahrung ausgehen, ohne daß man jemals Zank und Streit unter ihnen wahrnimmt. In Gesellschaft der großen Geier sitzt er entsagend zur Seite und schaut anscheinend ängstlich deren wüstem Treiben zu.

Der Schmutzgeier ist kein Kostverächter. Er verzehrt alles, was genießbar ist. Man nimmt gewöhnlich, aber mit Unrecht, an, daß Aas auch für ihn die Hauptspeise sei: der Schmutzgeier ist weit genügsamer. Allerdings erscheint er auf jedem Aase und versucht, soweit seine schwachen Kräfte erlauben, sich zu nähren, pickt die Augen heraus, öffnet am After eine Höhle und bemüht sich, die Eingeweide herauszuzerren, oder wartet, bis die großen Geier sich gesättigt haben, und nagt dann die Knochen ab, welche sie übrig ließen: aber ein derartiger Schmaus gehört doch zu seinen Festgerichten. Größere Ströme oder die Küste des Meeres bieten ihm schon mehr, sei es, daß sie ein Aas oder wenigstens todte Fische an den Strand schwemmen, ihn mindestens zu allerlei niederem Seegethier verhelfen. Endlich liefert ihm auch allerlei Kleingethier dann und wann eine Mahlzeit. Räuberisch überfällt er Ratten, Mäuse, kleine Vögel, Eidechsen und andere Kriechthiere; diebisch plündert er Nester mit Eiern, und geschickt fängt auch er Heuschrecken auf Wiesen und Triften. Mein Bruder beobachtete von einem gefangenen Schmutzgeier, daß er augenblicklich auf seine gezähmten Vögel losging und sie eifrigst verfolgte. Einen Fettammer, welchen er glücklich erlangte, tödtete er mit einem einzigen Schnabelhiebe, hielt ihn fest und verzehrte ihn auf der Stelle. Don Lorenzo Maurel erzählte Bolle, er könne nur mit Schwierigkeit Pfauen erziehen, weil [30] die Schmutzgeier deren frisch gelegte Eier auf das schamloseste wegholten, ja den Hennen zu diesem Behufe auf Tritt und Schritt nachschlichen. Allein weder seine Räubereien noch seine Diebereien können für seine Ernährung besonders ins Gewicht fallen. Zum Glück für ihn weiß er sich anders zu behelfen. In ganz Afrika, ja in Südspanien schon bildet Menschenkoth seine hauptsächlichste Nahrung. Fast die ganze Bevölkerung ist gezwungen, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gewisse Plätze aufzusuchen, welche für Wiedehopf und Schmutzgeier gleich ergiebig werden. Hier nun findet sich der letztere ein, unbekümmert um das Treiben der Menschen, welche in seiner baldmöglichst beginnenden Thätigkeit zwar etwas überaus verächtliches, in dem Vogel selbst aber doch einen Wohlthäter sehen. Daß es in Indien nicht anders ist, haben wir durch Jerdon erfahren. In der Nähe größerer Ortschaften Afrikas ist er ein regelmäßiger Gast bei den Schlachtplätzen, welche außerhalb der Städte zu liegen pflegen. Hier sitzt er dicht neben dem Schlachter und lauert auf Fleisch und Hautfetzen oder auf die Eingeweide mitsammt deren Inhalt, welche sein Brodgeber ihm zuwirft. Im Nothfalle klaubt er blutgetränkte Erde auf. Daß dabei zuweilen auch ein Gegenstand mit unterläuft, welcher eigentlich nicht genießbar ist, ein alter, mit Blut besudelter Lappen zum Beispiel, oder etwas ähnliches, ist gewiß begründet. Den europäischen Beobachter fesselt besonders, wahrzunehmen, wie richtig er den Menschen beurtheilt, wie genau er ihn kennt. Eines gewissen Schutzes oder, richtiger gesagt, gleichgültiger Duldung gewiß, treibt er sich unmittelbar vor den Hausthüren herum und geht seiner Nahrung mit derselben Ruhe nach wie Hausgeflügel oder mindestens wie eine unserer Krähenarten. Ich habe beobachtet, daß er, wenn wir im Zelte Vögel abbalgten, bis zu den Zeltpflöcken sich heranschlich, uns aufmerksam zusah und unter unseren Augen die Fleischstücke auffraß oder die Knochen benagte, welche wir ihm zuwarfen. Bei meinen Wüstenreisen habe ich ihn wirklich lieb gewonnen. Er ist es, welcher der Karavane tagelang das Geleite gibt; er ist nebst den Wüstenraben der erste Vogel, welcher sich am Lagerplatze einfindet und der letzte des Reisezuges, welcher ihn verläßt.

Ueber das Brutgeschäft sind erst in der Neuzeit sichere Beobachtungen angestellt worden. Krüper hat in Griechenland mehrere Horste bestiegen und gibt an, daß mehrere Paare selten in großer Nähe neben einander, wohl aber zuweilen in einer und derselben Gebirgswand brüten; Bolle hingegen beobachtete, daß fünf bis sechs Horste dicht neben einander in den zerklüfteten Wänden eines tiefen Thales standen. »Sie lieben es«, sagt er, »nachbarlich neben einander zu horsten. Wo eine steile Felswand ihnen bequeme Nistplätze darbietet, da siedeln sie sich an, ohne auf die größere oder geringere Wärme der Oertlichkeit besonders Rücksicht zu nehmen. Die Masse des neben und unter den Nestern sich anhäufenden Kothes macht, daß dieselben weithin sichtbar werden und dem Beobachter mit Leichtigkeit ins Auge fallen. Die Geier scheinen ihre Sicherheit durchaus nicht durch eine versteckte Lage begünstigen zu wollen, sondern sich einzig und allein auf die Unzugänglichkeit der Orte, welche sie wählen, zu verlassen.« In Spanien tritt der Vogel so einzeln auf, daß ein gesellschaftliches Brüten kaum möglich ist; in Egypten sieht man die Horste an den steilen Wänden der Kalkfelsen zu beiden Seiten des Niles, und zwar, wenn die Oertlichkeit es erlaubt, oft mehrere neben einander, regelmäßig aber an Stellen, zu denen man nur dann gelangen kann, wenn man sich an einem Seile von oben herabläßt. Das habe ich nicht gethan. Heuglin, welcher auch die Pyramiden als Standort der Nester angibt und letztere untersucht zu haben scheint, bemerkt, daß sie von dem Vogel selbst gebaut werden, ziemlich groß und dicht sind und aus dürren Reisern und Durahstengeln bestehen, wogegen Hartmann sagt, daß der große Horst aus Gras und Lumpen erbaut werde. Auch in Indien brütet der Schmutzgeier auf Felsen und Klippen, ebenso aber in großen Gebäuden, Pagoden, Moscheen, Gräbern, gelegentlich sogar auf Bäumen, baut hier wie da den Horst aus Zweigen und mancherlei Abfällen und kleidet die Mulde oft mit alten Lumpen aus. Ein besonders beliebter Brutplatz scheint, laut Alléon, die Stadt Konstantinopel zu sein, jedoch nur der von den Türken bewohnte Theil Stambuls und nicht das Fremdenviertel Pera. Dort nistet der Vogel ebenso auf den Cypressen wie auf den Moscheen, und zwar in so bedeutender Menge, [31] daß der genannte die Anzahl der alljährlich ausfliegenden Jungen auf tausend Stück anschlägt. In Egypten fällt die Brutzeit in die Monate Februar bis April, in Griechenland, nach Krüper, etwa in die Mitte des letztgenannten Monates. Doch erhielt Krüper auch zu Ende April und im Anfange des Mai noch frische Eier. Das Gelege enthält gewöhnlich zwei Eier; dreimal fand jedoch Krüper nur ein einziges. Die Eier sind länglich, hinsichtlich des Korns und der Färbung sehr verschieden, gewöhnlich auf gilblichweißem Grunde entweder lehmfarben oder rostbraun gefleckt und gemarmelt, einzelne auch wie mit blutschwarzen größeren Flecken und Streifen überschmiert. Diese Flecke stehen zuweilen am dickeren, zuweilen am spitzeren Ende dichter zusammen. Wie lange die Brutzeit währt, ist noch nicht ermittelt; auch weiß man nicht, ob beide Geschlechter an der Bebrütung theilnehmen, obwohl sich dies erwarten läßt. Das Weibchen sitzt sehr fest auf den Eiern und verläßt sie erst, wenn der störende Mensch unmittelbar vor dem Horste angelangt ist. Die Jungen, welche anfänglich mit grauweißlichem Flaume bekleidet sind, werden aus dem Kropfe geatzt, sitzen lange Zeit am Horste und verweilen auch dann noch Monate in Gesellschaft ihrer Alten.

Jung eingefangene Schmutzgeier werden sehr zahm, folgen zuletzt ihrem Pfleger wie ein Hund auf dem Fuße nach und begrüßen ihn mit Freudengeschrei, sobald er sich zeigt. Auch alt gefangene gewöhnen sich bald ein und ertragen den Verlust ihrer Freiheit viele Jahre.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 28-32.
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