Ueber den Begriff der Art, Varietät, Gattung und Familie.

Unter einer Art verstehen wir die gesamten Käferindividuen, welche eine gleiche Ausbildung aller Teile ihres Hautskelettes, sowie der inneren Organisation besitzen u. nur sexuelle Verschiedenheiten aufweisen; auch gleiche Neigungen bei ihrer Ernährung u. in ihrem natürlichen Verhalten zeigen u. die sich endlich zur Fortpflanzung gegenseitig aufsuchen, eine Begattung eingehen u. sich vermehren.

(v.) Varietäten. Zeigen sich an einzelnen Teilen einer Insekten- oder Käferart, besonders an bestimmten Lokalitäten, oder in bestimmten Ländern, oder unter andern Voraussetzungen wahrnehmbare Verschiedenheiten, die sich konstant wiederholen, u. sie geeignet erscheinen lassen, durch die veränderten Eigenschaften von der Stammart erkennen zu lassen, also zu unterscheiden, so nennen wir solche Individuen eine Varietät.

(r. ssp.) Rassen, Subspecies. Sind diese durch lokale Entfernung, oder durch besondere Lokalitäten bedingten Unterschiede bedeutender, so zwar, dass man sich versucht fühlen könnte, in ihnen eine besondere Art zu erblicken, die aber durch Individuen des Zwischengebietes als noch zusammengehörig nachge wiesen werden können, so bezeichnen wir solche abweichende, unter sich aber gleiche Individuen als Rassen oder Subspecies.

(a.) Aberrationen beziehen sich auf geringere, sich aber wiederholende Abweichungen der Farbe oder Skulptur. Abweichungen in der Färbung werden immer als Aberrationen betrachtet, obgleich solche bisher auch als var. bezeichnet wurden. Skulpturabweichungen geringeren Grades, die sich bei einzelnen Individuen in gleicher Weise wiederholen, sind ebenfalls hierher zu ziehen. Letztere bezeichnet Sanitätsrat Dr. Fleischer in Brünn als as. Skulpturaberration (aberratio sculpturae) u. die andern ac. als Farbenaberration (aberratio coloris).

Eine Art (Species) kann also innerhalb eines grösseren Gebietes zerfallen in die

Stammart,

Aberration (Aberrationen),

Varietät (Varietäten),

Rasse (Rassen).

Die Rasse oder Subspecies hat sich bereits naturgemäss von der Stammart am weitesten entfernt.

Werden zwischen einer Stammart u. einer vermeintlichen Rasse oder Subspecies in den benachbarten Gebieten Zwischenglieder nicht gefunden, so[25] haben wir in ihr eine nahe verwandte, aber selbständige Art zu sehen. Rassen einer Art werden oft als selbständige Arten angesehen u. beschrieben, so lange man solche Individuen nicht kennt, welche eine Verwischung der Eigenschaften der vermeintlichen Art hervorzurufen geeignet sind. Werden solche Individuen (meist aus benachbarten Ländern der Stammart) nachgewiesen, so ist die vermeintliche Art als Rasse zu der verwandten Grundform anzusprechen.

Aus Rücksichten auf das Prioritätsgesetz wird stets als Grundform diejenige angesehen, welche zuerst beschrieben wurde, wenn sich auch herausstellen sollte, dass die jüngere, später beschriebene, die häufigere u. weiter verbreitete sein sollte.

Gattung. Eine grössere oder geringere Anzahl von Arten, welche in einigen wesentlichen Punkten ein gemeinschaftliches Merkmal aufweisen, das durch Zwischenglieder nicht verbunden erscheint, werden durch einen gemeinschaftlichen Namen zusammengefasst, nämlich dem Gattungsnamen. Die Gattung hat ebenfalls, wie die Art, nur in solange Bestand, als sich Zwischenglieder nicht vorfinden, welche die Gattungsmerkmale aufheben.

Familie. Eine Anzahl Gattungen, welche ebenfalls durch ein oder mehrere Merkmale verbunden erscheinen u. dadurch eine entferntere Verwandtschaft zeigen, werden zu einer Familie zusammengefügt, mehrere in irgend einer Weise nachweisbar verwandte Familien zu einer Familienreihe gezogen.

Quelle:
Edmund Reitter: Fauna Germanica. Die Käfer des deutschen Reiches. Stuttgart: K.G. Lutz, 1908, S. 25-26.
Lizenz:
Kategorien: