Dittel, Leopold

Dittel, Leopold
Dittel, Leopold

[397] Dittel, Leopold Ritter v., 15. Mai 1815 zu Fulneck in Schlesien geb., studierte in Wien, wo er 9. Juni 1840 promoviert wurde und sich den Grad eines Doktor der Chirurgie und Magister der Geburtshilfe erwarb. Er liess sich zunächst als prakt. Arzt in Wien nieder und betrieb mit grosser Emsigkeit orthopädische Studien, während er im Sommer alljährlich als Badearzt in Trentschen-Teplitz praktizierte. Erst verhältnismässig spät entschied er sich für die wissenschaftliche Laufbahn. Zunächst wurde er Hilfsarzt am allgemeinen Krankenhause in Wien, eine Zeitlang war er auch Assistent an der Anstalt für Staatsarzneikunde unter Kolletschka. Dann trat er als Assistent bei Dumreicher ein und unter dessen Leitung bildete er sich zum Spezialchirurgen, namentlich in der Urologie aus. Nach Absolvierung der Assistentenzeit an der Dumreicher'schen Klinik habilitierte er sich 1856 als Privatdozent der Chirurgie an der Wiener Universität. 1861 erfolgte seine Ernennung zum Primar arzte der chir. Abteilung im k. k. allgemeinen Krankenhause in Wien und 1865 wurde er zum Professor e. o. der Chirurgie ernannt. Die ihm 1880 angebotene ordentliche Professur als Nachfolger Dumreicher's lehnte er ab, verblieb vielmehr in seiner vorherigen Stellung,[397] feierte 9. Juni 1890 sein 50jähriges Doktorjubiläum, wobei ihm ebenso wie bei seiner 80. Geburtstagsfeier zahlreiche Ehrungen bereitet wurden und starb nach längerer Krankheit 28. Juli 1898. D's wissenschaftlicher Ruf ist durch seine Leistungen in der Urologie begründet, die ihn den Hauptrepräsentanten dieser Wissenschaft in der Neuzeit: Sir Henry Thompson und Felix Guyon ebenbürtig zur Seite stellen. Seine zahlreichen Arbeiten auf diesem Gebiete betreffen fast alle Kapitel, die Krankheiten der Blase, der Prostata, der Harnröhre; eine Reihe von operativen Modifikationen und instrumentellen Neuerungen sind ihm zu verdanken. In der Gedenkrede von Albert in der Wiener Gesellschaft der Ärzte, deren Ehrenpräsident D. war (W. k. W. 1898 Nr. 42), werden als eigentlich originelle Leistungen D.'s aufgezählt: Die Konstruktion eines Arzneimittelträgers zur lokalisierten Medikation der Harnröhre, die Mitbegründung resp. der weitere Ausbau der endoskopischen Diagnose, besonders der Blasentumoren, die Anbringung des Glühlämpchens am Kystoskop an Stelle des früheren Platindrahtes, wodurch die Wasserspülung entbehrlich wurde, die Empfehlung der Rektalpunktion bei der Harnverhaltung der Prostatiker, die systematische Verwertung des hohen Blasenstichs, die erstmalige Einführung eines Kautschukkatheters durch die Fistelöffnung u. v. a. 1884 hatte er bereits 52 mal den hohen Blasenstich ausgeführt und 1894 konnte er über das achte hundert seiner Steinoperationen einen Bericht veröffentlichen. Die erste Publikation D's zur Urologie erfolgte 1854 in einem Fall von Fremdkörper in der Harnblase, geheilt durch den Mastdarm-Blasenschnitt. 1859 erfolgten die »Beiträge zur Pathologie und Therapie der männlichen Geschlechtstheile« – 1861 ein Artikel über die »Eintheilung der Harnröhrenstricturen« –[398] 1862 die »Beiträge zur Pathologie und Therapie der Harnröhrenstricturen« – »Callöse Strictur« – 1863 ein Fall von »Narbenstrictur im bulbären Theil der Harnröhre, erweitert mit Hold's Dilatator« – »Die Nosologie der Harnröhrenfisteln« – 1864 »Der Katheterismus« – »Apparat zur Fixirung des Katheters«. Daran schliessen sich: »Beitrag zur Lehre der Hypertrophie der Prostata« (Österr. med. Jahrb. 1867) –»Dilatator für Verengerungen der Harnröhre« (Ib. 1869) – »Über einen neuen Apparat zum hohen Blasenstiche« (1869) und »Ein neuer Apparat zur Hintanhaltung der gefährlichen Folgen beim hohen Blasenstiche« (Österr. med. Jahrb. 1870) – »Der Steinsauger« (Allgem. Wiener med. Zeitung 1870) – »Die Stricturen der Harnröhre« (im Handbuche der Chirurgie von Pitha-Billroth, Bd. III, Abt. 2, 1872; dasselbe in der Deutschen Chirurgie von Billroth-Lücke) – »Über Enuresis« (Wiener med. Jahrb. 1871) – »Ablösung der Mastdarmwand« (W. m. W. 1874) – »Zur Behandlung der Hypertrophie der Vorsteherdrüse« (Ib. 1876) – »Beiträge zur Verbandlehre, Katheterstativ« (Ib. 1878) – »Operationen der Blasensteine« (Ib. 1880) – »Ein neuer Heilversuch gegen unheilbare Darm-Blasenscheidenfisteln« (Österr. med. Jahrb. 1881) – »Über Communication zwischen dem Darmrohre und unteren Harnorganen« (W. m. W. 1881) – »Über das Verhältniss der Lithotripsie und Litholapaxie« (Ib. 1881) – »Über Seitensteinschnitt zur Entfernung fremder Körper aus der Blase« (Ib. 1881) »Nierencalculose« (Ib. 1881). Auch andere Gebiete der Chirurgie hat D. bereichert. In Betracht kommen hierfür besonders seine Aufsehen erregenden Erstlingsarbeiten über die Halsfascien, über Coxalgie (»Coxalgische Studie zur Bestimmung der Grösse der Verkürzung der coxalgischen Extremitäten« 1866), über elastische Ligatur, A jour-Verband bei osteoplastischen Operationen nach Gritti und Pirogoff, über orthopädische Gegenstände (über Klumpfuss 1851, pes equinus und valgus 1852, Skoliose 1853, genu valgum 1855, über die Stellung bei Coxitis 1856, sekundäre Luxation des Hüftgelenkes 1861) u.s.w. – 1864 setzte D. die Gründung einer besonderen chirurgischanatomischen Anstalt durch, an der er selbst lange Zeit die Übungen leitete.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 397-399.
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