Pettenkofer, Max von

Pettenkofer, Max von
Pettenkofer, Max von

[1282] Pettenkofer, Max von, in München, der Begründer der experimentellen[1282] Hygiene in Deutschland, geb. zu Lichtersheim bei Neuburg a. d. Donau 3. Dez. 1818, Neffe des Hof- und Leib-Apothekers Dr. Franz Xaver P. (1783 bis 1850), studierte, besonders unter dem Einfluss des Genannten, den er in seiner Doktordissert. als »Lehrer und Erzieher« bezeichnet, Med. und hauptsächlich Chemie in München, Würzburg, Giessen, wo Fuchs, Scherer, Liebig und Bischoff seine bevorzugteren Lehrer waren. Er promovierte 1843 in München mit der Diss.: »Über Mikania Guaco«, die er dem genannten Onkel widmete und trat 1845 als Assistent beim Hauptmünzamt in München ein. Schon vor und während dieser Zeit publizierte v. P. eine Reihe wertvoller Arbeiten physiol.-chem. Inhalts, darunter: »Über eine neue Reaction auf Galle und Zucker« (Liebig's Annal. 1844), worin die von P. entdeckte Gallensäureprobe mitgeteilt ist, ferner Studien über den Schwefel-Cyangehalt d. menschlichen Speichels, über Hippursäure im Harn, Kreatin und Kreatinin u.s.w. 1847 erhielt er die Berufung als Prof. e. o. d. »diätetischen« Chemie an der Münchener Univ., und nun begann v. P. seine Aufmerksamkeit spez. auf die Verwertung der Chemie für die Entscheidung hygien. Fragen zu lenken, was ihn schliesslich ganz auf das Gebiet der Hygiene überführte. Es folgten die in ihrer Art epochemachenden Untersuchungen zur »Bestimmung der Kohlensäure in der Luft und im Wasser« mit einer neuen Methode zum Nachweise der Kohlensäure in der Luft, ferner Arbeiten über die Ventilationsverhältnisse in den Wohnungen, physikalischen Verhältnisse der Kleidung etc. v. P. prüfte den Unterschied zwischen Ofen- und Luftheizung, den Luftwechsel durch das Mauerwerk, die Bodenluftverhältnisse, namentlich die Verunreinigungen der Bodenluft durch Gasausströmungen unter der Erde, die Münchener Kanal- und Abflusssysteme,[1283] stellte in Gemeinschaft mit v. Voit mit Hülfe eines auf Kosten Königs Maximilian v. Bayern beschafften »Respirationsapparats« Untersuchungen über Atmung und Stoffwechsel an Menschen und Tieren an (1861) und begründete durch alle diese Arbeiten die experimentelle Methodik für die Hygiene, der er damit die wissenschaftliche exakte Basis lieferte. Eine andere Reihe von Forschungen betraf die 1855 begonnenen Studien über die Cholera und deren Verhältnis zum Grundwasser. 1853 zum ord. Prof. ernannt, trat v. P. lebhaft für die Begründung besonderer hygien. Lehrstühle und Institute ein. Seiner thatkräftigen Initiative war es zu danken, dass zunächst an den bayrischen Univ. 3 ordentl. Lehrstühle für Hygiene geschaffen wurden, deren erster 1865 in München ihm selbst übertragen wurde. Ebenso wurde nach v. P.'s Plänen 1875 das erste hygien. Institut daselbst erbaut, das gleichzeitig Muster weiterer ähnlicher Einrichtungen und Pflanzstätte einer ausgebreiteten Hygieniker-Schule wurde, als deren Stifter v. P. anzusehen ist. Aus seiner Schule gingen hier u.a. hervor Wolffhügel, Soyka, Renk, Emmerich, die mit den v. P. eingeführten und begründeten Methoden arbeiteten. 1873 wurde er zum Vorsitzenden der vom Reichskanzler berufenen Cholerakommission ernannt, 1883 wurde ihm der erbliche Adel verliehen, 1889 wurde er Präsident der bayr. Akademie der Wissensch. Auch sonst wurden v. P. bei Gelegenheit seiner 70. und 80. Geburtstagsfeier, sowie 1893 aus Anlass seines 50jähr. Doktorjubiläums mannigfache Ehrungen bereitet. Seine weiteren Arbeiten betreffen die bekannten epidemiologischen Studien über Cholera und Typhus, speziell in München, in denen von P. im wesentlichen die Lehre von der bakteriologischen Ätiologie bekämpft und für die Kombination[1284] mehrerer, besonders auch chemischer Faktoren, namentlich den Einfluss der Boden- und Grundwässerbeschaffenheit, eintritt. Wir führen noch an: »Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera« (München 1855) – »Hauptbericht über die Choleraepidemie von 1854 in Bayern« (Ib. 1857) – »Über den Luftwechsel in Wohngebäuden« (Ib. 1858) »Die athmosphärische Luft in Wohngeb.« (Braunschw. 1858) – »Choleraregulativ« (mit Griesinger und Wunderlich, 2. Aufl. München 1867) – »Verbreitungsart der Cholera in Indien« (Braunschweig 1871) – »Zur Ätiologie des Typhus« (München 1872) – »Beziehungen der Luft zu Kleidung, Wohnung und Boden« (4. Aufl. Braunschweig 1877) – »Über den Werth der Gesundheit für eine Stadt« (3. Aufl. Ib.) – »Über den gegenwärtigen, Stand der Cholerafrage« (1873) – »Künftige Prophylaxis gegen Cholera« (1875) – »Vorträge über Kanalisation und Abfuhr« (1880) – »Der Boden und sein Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen« (1882) – »Handbuch der Hygiene des Menschen« (zus. mit v. Ziemssen, Leipzig 1882 ff.). 1865 bis 82 gab v. P. zus. mit Buhl, Radlkofer und v. Voit die »Ztschr. f. Biol.«, 1883 bis 94, wo er in den Ruhestand trat, mit Hoffmann und Forster das »Arch. f. Hygiene« heraus.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1282-1285.
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