Preyer, Thierry William

Preyer, Thierry William
Preyer, Thierry William

[1323] Preyer, Thierry William, Physiolog, geb. zu Moss-Side b. Manchester 4. Juli 1841, erhielt seine Schulerziehung teils in London, teils in Duisburg (1857 bis 59), studierte Med. in Bonn, Berlin, Wien, Heidelberg u. Paris. 1862 als Dr. phil., 1866 als Dr. med. promoviert und in Bonn 1867 approbiert, wirkte er von 1865 ab als Dozent in Bonn, um 1869 die ord. Professur für Physiol. in Jena einzunehmen. Hier blieb er bis 1888, siedelte darauf nach Berlin über, wo er bis 1893 als Privatdozent wirkte. Kränklichkeit bewog ihn, von seiner Lehrthätigkeit zurückzutreten und sich nach Wiesbaden zurückzuziehen, wo er 15. Juli 1897 gestorben ist. P. hat sehr viel geschrieben und sich namhafte Verdienste um die Biologie, wie um die Naturforschung überhaupt erworben. Schon als Student beteiligte er sich 1860 mit seinem Freunde Zirkel an einer Expedition nach Island und veröffentlichte darüber zusammen mit seinem Genossen eine kleine Schrift (Leipzig 1862). Seine med. Doktordissertation ist betitelt: »De haemoglobino observationes et experimenta«. Seine übrigen Schriften bewegen sich auf verschiedenen Gebieten. In die erste Periode seiner Thätigkeit fallen Arbeiten physiol.-chem. Inhalts, über Blutfarbstoff, Blutgase, wie:[1323] »Über einige Eigenschaften des Hämoglobins und Methämoglobins« (Bonn 1868) – »Die Blausäure« (2 Tle., Bonn 1868, 1870) – »Die Blutkrystalle« (1871). Daneben beschäftigte sich P. mit der Erforschung der Beziehungen zwischen Reiz und Muskelthätigkeit, für die er ein dem Fechner-schen psychophys. analoges »myophysisches« Gesetz zu erweisen suchte; hierher gehören die in Paris entstandene Abhandlung: »Rétablissement de l'irritabilité des muscles roides« (1865) – »Das myophysische Gesetz« (Jena 1874). Die hier von P. behaupteten Thatsachen sind von Luchsinger u. Bernstein widerlegt worden. Sehr bedeutend dagegen sind die von P. herrührenden Forschungen zur Sinnesphysiologie, in denen er sich als scharfsinniger und geistreicher physiolog. Beobachter zeigt. Die betr. Schriften sind betitelt: »Die fünf Sinne d. Menschen« (Leipzig 1870) – »Über die Grenzen der Tonwahrnehmung« (Jena 1876) – »Über die Ursachen des Schlafes« (Stuttgart 1877) – »Farben- und Temperatursinn« (1881) – »Die Seele des Kindes« (1882, 4. Aufl. 1895) u.a. Mit diesen Untersuchungen hängt es zusammen, dass P. sich später auch dem Hypnotismus zuwandte, worüber er mehrere sehr gediegene Abhandlungen publizierte: »Die Entdeckung des Hypnotismus« (Berlin 1881) – »Die Hypnotismus-Vorless. an der Univ. Berlin« (Wien 1890) – »Der Prozess Czynski. Thatbestand desselben und Gutachten über Willensbeschränkung durch hypnotisch-suggestiven Einfluss etc.« (Stuttgart 1895). – Vielfach wandte sich P. auch allgemein biol. Fragen zu. Bezügliche Schriften sind: »Elemente der allgemeinen Physiologie« (Leipzig 1883) – »Biol. Zeitfragen« (Berlin 1889) – »Specielle Physiologie des Embryo« (Leipzig 1885). Sehr rührig war P. in der Popularisierung der Naturwissenschaften, insbesondere trat er lebhaft für den Darwinismus und die modernen biol. Gedanken ein, wie die Schriften: »Naturwissenschaftliche Thatsachen und Probleme« (1880) – »Aus Natur- und Menschenleben« (1885) und die von ihm veranstaltete Sammlung und Ausgabe der »Briefe Robert v. Mayers an Wilh. Griesinger nebst dessen Antwortschreiben aus den Jahren 1842 bis 45« (Berlin 1889) beweisen. Weitere Schriften P.'s sind: »Naturforschung und[1324] Schule« (Stuttgart 1887) – »Ein neues Verfahren zur Herabsetzung der Körpertemperatur« (Jena 1884) – »Die geistige Entwickelung in der ersten Kindheit, nebst Anweisung für Eltern, dieselbe zu beobachten« (Stuttgart 1893) u. v. a. – P. war eine äusserst lebhafte, temperamentvolle, genial veranlagte Beobachter-Natur. Die moderne Naturwissenschaft hat er in vielen Stücken gefördert und bereichert.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1323-1325.
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