Die Beiden Formen des Brahman

[61] Das Brahman hat zwei Erscheinungsformen, eine körperhafte und eine körperlose, eine sterbliche und eine unsterbliche, eine stehende und eine gehende, eine seiende (sat) und eine jenseitige (tyam).


Auf die Welt angewendet:


Alles mit Ausschluß von Wind und Luftraum ist die körperhafte, die sterbliche, die stehende, die seiende Erscheinungsform. Von dieser körperhaften, dieser sterblichen, dieser stehenden, dieser seienden ist der, der dort glüht, (die Sonne), die Essenz; denn er ist die Essenz von dem Seienden.

Wind und Luftraum, das sind die körperlose, unsterbliche, gehende, jenseitige Erscheinungsform. Von dieser körperlosen, dieser unsterblichen, dieser gehenden, dieser jenseitigen ist der Geist (der Purusha) in der Sonnenscheibe die Essenz; denn er ist die Essenz von dem Jenseitigen. Soviel hinsichtlich der Gottheit.
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Auf den Menschen angewendet:


In bezug auf die Person heißt es: Alles mit Ausschluß des Hauches und des Raumes im Herzen ist die körperhafte, sterbliche, stehende, seiende Erscheinungsform. Von dieser körperhaften, dieser sterblichen, dieser stehenden, dieser seienden ist das Auge die Essenz; denn es ist die Essenz des Seienden.

Hauch und Raum im Herzen, das ist die körperlose, unsterbliche, gehende, jenseitige Erscheinungsform. Von dieser körperlosen, dieser unsterblichen, dieser gehenden, dieser jenseitigen ist der Geist (der Purusha) im rechten Auge die Essenz; denn es ist die Essenz von dem Jenseitigen.

Die Gestalt dieses Geistes (Purusha) ist wie ein safrangefärbtes Gewand, wie ein weißes Schafsfell, wie ein Indragopakäfer, wie eine Feuerflamme, wie eine Lotusblüte, wie ein einmaliges Aufblitzen. Wer so weiß, dem wird wie ein einmaliges Aufblitzen Glück zuteil.

Der Hinweis darauf ist: na, na. Es gibt nichts anderes, das über diesem iti na stände1. Aber sein Name ist ›die Wahrheit der Wahrheit‹. Die Hauche sind die Wahrheit (Realität); es ist deren Wahrheit.


(II, 3)

1

Man übersetzt das hier eigentlich unübersetzbare neti neti in der üblichen Weise mit »nicht, nicht«; meine Einwendungen dagegen habe ich ZDMG. 69, 105 zum Ausdruck gebracht; es liegt ein Wortspiel vor, das an den Doppelsinn von na = »ja« (für nai, veraltet) und = »nicht« anknüpft und den deutelustigen Theologen willkommen war.

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 61-62.
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