Traum

[78] »Da dies der Anstieg zu dem Standort in jener Welt ist, betritt er diesen Anstieg und überblickt die Übel wie die Freuden. Wenn er da in Schlaf versinkt, so sondert er ein Teilchen der alles enthaltenden Welt ab, zerspaltet es selbst, baut es selbst auf und versinkt beim eigenen Glanz, beim eigenen Licht in Schlaf. Hier ist dann der Purusha sein eigenes Licht. Nicht gibt es dort Wagen, Wagengespanne und Wege; sondern Wagen, Wagengespanne und Wege schafft er; nicht gibt es dort Freude, Lust und Scherz, sondern Freude, Lust und Scherz schafft er; nicht gibt es dort Teiche, Flüsse, Seen, sondern Teiche, Flüsse, Seen schafft er; er ist ein Schöpfer.

Das sagen auch die Verse:

›Im Traum streift er alles Körperliche ab. Schlaflos überschaut er die Schläfer [die Sinne]. Mit dem Licht kehrt der goldene einzige Geistesschwan wieder heim.‹

›Das niedere Nest [den Leib] mittels des Hauches beschützend1, schweift der Unsterbliche außerhalb des Nestes umher; es eilt nach seinem Wunsch der unsterbliche, goldene, einzige Geistesschwan [Purusha] dahin.‹

›Im Traum auf- und niedersteigend, nimmt der Gott vielerlei Gestalt an; bald vergnügt er sich mit Frauen, bald ißt er, bald sieht er Gefahr.‹

Sein Ergötzen sieht man2; ihn aber sieht keiner.

Darum sagt man, man solle einen (schlafend) Hingestreckten nicht wecken3; denn der ist schwer zu heilen, zu dem (der Geist) nicht zurückkehrt.[78]

Aber einige sagen: ›Das ist für ihn die Stätte des Wachens. Denn was er beim Wachen erblickt, das erblickt er auch im Schlaf.‹ Hierin ist der Purusha sein eignes Licht.«

›So ist das, Yâjnavalkya. Ich schenke dem Ehrwürdigen Tausend. Sprich mir weiter von dem, was zur Erlösung dient.‹

»Er erfreut sich im Traum4, wandert umher, sieht Gut und Böse, und wenn er es gesehen hat, kehrt er nach Ordnung und Herkunft zum Zustand des Wachens zurück. Was immer er sieht, davon bleibt der Purusha unberührt; denn er hängt an nichts.«

›So ist das, Yâjnavalkya. Ich gebe dem Ehrwürdigen hier Tausend. Sprich mir weiter von dem, was zur Befreiung dient.‹

»Wie ein großer Fisch an beiden Ufern entlangschwimmt, an dem diesseitigen und jenseitigen, so eilt der Purusha entlang an den beiden Zuständen, an dem des Traumes und dem des Wachens.«

1

Prashna 4, 3.

2

An seinen Äußerungen beim Träumen.

3

âyatam wird sonst mit »plötzlich« wiedergegeben; ich halte das nicht für richtig.

4

Für svapnânte lies svapne.

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 78-79.
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