XVI (Adhyâya 40).

Vers 1403-1426 (B. 1-24).

[104] Der Heilige sprach:


1. (1403.) Furchtlosigkeit, Reinheit des Wesens, Erkenntnis, Hingebung, Beständigkeit, Freigebigkeit, Bezähmung, Opfer, Vedastudium, Askese, Geradsinnigkeit,

2. (1404.) Schonung, Wahrhaftigkeit, Nichtzürnen, Entsagung, Nicht-Hinterbringen, Mitleid mit den Wesen, Nicht-Begehrlichkeit, Milde, Schamhaftigkeit, Nicht-Unstetsein,

3. (1405.) Energie, Geduld, Festigkeit, Sauberkeit, Harmlosigkeit, Nicht-Überhebung, – diese, o Bhârata, werden dem zuteil, welcher für ein göttliches Geschick geboren ist.

4. (1406.) Hinterlist, Stolz, Hochmut, Zorn, Schroffheit, Nichtwissen, – diese dem, der für ein dämonisches Geschick geboren ist, o Pṛithâsohn.

5. (1407.) Das göttliche Geschick führt zur Erlösung, das dämonische zur Bindung. Klage nicht, o Sohn des Pâṇḍu, du bist für ein göttliches Geschick geboren.

6. (1408.) Zwei Wesensschöpfungen gibt es[105] in dieser Welt, die göttliche und die dämonische; die göttliche ist ausführlich besprochen worden, vernimm von mir die dämonische, o Pṛithâsohn.

7. (1409.) Die dämonischen Menschen wissen nicht, was sie tun und lassen sollen. Nicht Reinheit, nicht guter Wandel, nicht Wahrheit ist bei ihnen zu finden.

8. (1410.) Sie behaupten, dass die Welt ohne Wahrhaftigkeit, ohne tragenden Grund, ohne Gott sei, nicht entstanden durch geregelte Abkunft und nichts anderes als Geschlechtslust zur Ursache habend.

9. (1411.) In dieser Anschauung sich verhärtend, mit verderbter Seele, mit schwacher Einsicht werden sie geboren als Übeltäter, der Welt zum Schaden, die Bösewichter.

10. (1412.) Schwer zu ersättigender Lust huldigend, von Hinterlist, Hochmut und Tollheit erfüllt, in ihrer Verblendung eine böse Wahl wählend, gehen sie dahin in unreinen Grundsätzen.

11. (1413.) Auf massloses, zum Verderben ausschlagendes Denken sich stützend und den Genuss der Lüste für das Höchste haltend, sind sie überzeugt, dass es nichts weiter gebe.

12. (1414.) Von hundert Stricken der Hoffnungen gebunden, nichts Höheres als Begierde und Zorn kennend, streben sie schrankenlos nach Aufhäufung von Gütern, um ihren Lüsten zu frönen.[106]

13. (1415.) »Diesen Wunsch, habe ich heute er reicht, diesen hoffe ich zu erlangen, dieses Gut habe ich und dieses wird mir wiederum zuteil werden,

14. (1416.) dieser Feind ist von mir getötet worden und andere werde ich noch töten, ich bin Herr, Geniesser, vollkommen, mächtig und glücklich,

15. (1417.) ich bin reich, hochgeboren, welcher andere käme mir gleich, ich werde opfern, werde schenken, werde geniessen«, so sprechen sie, vom Nichtwissen betört.

16. (1418.) Von mancherlei Gedanken umhergetrieben, in das Netz der Verblendung verstrickt und den Genüssen der Lust anhängend, stürzen sie in die unsaubere Hölle hinab.

17. (1419.) Sich selbst die Ehre gebend, hochfahrend, von Reichtumsdünkel und Tollheit besessen, bringen sie Opfer, die es nur dem Namen nach sind, trügerisch und den Vorschriften nicht entsprechend.

18. (1420.) Gestützt auf Selbstsucht, Kraft, Stolz, Lust und Zorn, hassen sie mich in ihren eigenen und in fremden Leibern, die Nörgler.

19. (1421.) Ich stürze sie, die hassenden, grausamen, niedrigsten Menschen, ich stürze sie auf ihrer Wanderung ohne Unterlass, die Unsauberen, in dämonische Mutterleiber.

20. (1422.) Und in einen dämonischen Mutterleib geraten, verblendet von einer Geburt zur[107] andern, finden sie mich nicht, o Kuntîsohn, und gehen den tiefsten Weg.

21. (1423.) Dreifach ist jene Pforte der Hölle, welche die Seele vergiftet, als Begierde, als Zorn, als Lüsternheit, darum soll man diese drei meiden.

22. (1424.) Aber der Mann, o Kuntîsohn, der erlöst ist aus diesen drei Pforten der Finsternis, betreibt das Heil seiner Seele und geht den höchsten Weg.

23. (1425.) Hingegen der, welcher die Vorschriften des Gesetzes von sich wirft und nach eigenem Belieben wandelt, der kann nicht die Vollendung, nicht das Glück und nicht den höchsten Weg erreichen.

24. (1426.) Darum möge in der Bestimmung dessen, was zu tun und was zu lassen ist, das Gesetz deine Richtschnur sein; erkennend, was vom Gesetze vorgeschrieben ist, mögest du hienieden dein Werk ausführen.


So lautet in der Bhagavadgîtâ der Unterschied des göttlichen und dämonischen Loses (daiva-âsura-sampad-vibhâga).

Quelle:
Der Gesang des Heiligen. Eine philosophische Episode des Mahâbhâratam. Leipzig 1911, S. 104-108.
Lizenz: