[201] Gauḍapâda's Kârikâ III.
8.
So wie der Himmelsraum Kindern
[Obwohl farblos,] als blau erscheint,
So scheint behaftet mit Flecken
Unerfahrnen der Âtman auch.
13.
Wenn die Schrift Jîva und Âtman
Durch Gleichsetzung für eins erklärt,
Verwerfend alles Vielheitsein,
So ist das wahr in vollem Sinn.
14.
Doch wenn auch vor der Weltschöpfung
Sie beide auseinander hält,
So gilt das bildlich, nicht wörtlich,
Und nur von dem, was werden soll.
15.
Und wenn sie überhaupt Schöpfung
Im Bild von Ton, Erz, Funken lehrt,
So dient dies nur als Lehrmittel
Denn »nicht ist Vielheit irgendwie«.
16.
Schüler gibt es in drei Stufen,
Schwache, mittlere, treffliche;
Um ihrer willen, aus Mitleid
Verehrungsobjekt Brahman wird.
17.
Auf ihrer Sätze Standpunkt stehn
Zuversichtlich die Zweiheitler,
Doch widersprechen sie selbst sich,
Bei uns fehlt dieser Widerspruch.
18.
In Wahrheit ist die Unzweiheit,
Zweiheit nur in der Spaltungswelt;[202]
Sie lehren beiderseits Zweiheit,
Bei uns fehlt solcher Widerspruch.
19.
Als Blendwerk nur besteht Spaltung
Jenes Einzigen, Ewigen,
Denn wäre Spaltung in Wahrheit,
Sterblich würde, was ewig ist.
20.
Vom ungewordnen Sein nehmen
Jene Lehrer ein Werden an, –
Was ungeboren, unsterblich,
Wie könnte sterblich werden das!
21.
Was unsterblich, kann nicht sterblich,
Was sterblich nicht unsterblich sein,
Kein Ding kann anders sein jemals
Als es seiner Natur nach ist.
22.
Wenn ein unsterbliches Dasein
Überginge in Sterblichsein,
Nur scheinbar wär' es unsterblich,
Wo bliebe seine Ewigkeit?
27.
Das Seiende kann nicht werden,
Es wäre denn durch Blendwerk nur;
Wer es in Wahrheit lässt werden,
Lässt werden, was schon war vorher.
29.
Wie im Traume der Geist regt sich,
Als viel scheinend durch Täuschung nur,
So im Wachen der Geist regt sich,
Als viel scheinend durch Täuschung nur.
30.
Als viel erscheint, der nur eins ist,
Im Traum der Geist, – das ist ja klar;
Als viel erscheint, der nur eins ist,
Der wache Geist, – auch das ist klar.
[203]
32.
Sobald der Geist nicht mehr vorstellt,
Weil ihm aufging das Âtman-sein,
Nimmt, als Nichtgeist, er nicht wahr mehr,
Weil nichts mehr wahrzunehmen bleibt.
36.
Das ew'ge, schlaf- und traumlose,
Das ohne Namen und Gestalt,
»Mit eins aufleuchtend«, allwissend, –
Ihm gilt keine Verehrung mehr.
37.
Von ihm weicht alle Wehklage,
In ihm ist keine Sorge mehr,
Ganz befriedigt, mit eins Licht, ist
Festes, furchtloses Sinnen es.
38.
Kein Nehmen ist da, kein Geben,
Wo keine Sorge mehr besteht,
Dann ist nur in sich selbst ruhend
Das ew'ge Wissen, selbst sich gleich.
43.
Man weiss, dass alles voll Schmerzen,
Und wendet sich von Wunsch und Lust;
Man weiss, dass alles nur Brahman,
Und sieht nicht das Gewordne mehr.
47.
Als frei, beruhigt und leidlos,
Als unaussprechlich höchste Lust,
Als ewig, ewigen Objekts
Allbewusst, schildern Kenner es.
48.
Keine Seele entsteht jemals,
Kein Entstehn ist der ganzen Welt,
Das ist die höchste Heilswahrheit,
Dass es nirgend ein Werden gibt!
Buchempfehlung
Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.
50 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro