Kapitel VI

Übertragung des Verhältnisses des SINNS auf das Buch der Wandlungen

§ 1

[279] Das Buch der Wandlungen ist weit und groß. Redet man von der Ferne, so kennt es keine Schranken. Redet man von der Nähe, so ist es still und recht. Redet man vom Raum zwischen Himmel und Erde, so umfaßt es alles.


Hier wird das Buch der Wandlungen in Beziehung gesetzt zu der Welt des Makrokosmos und Mikrokosmos. Erst wird sein Bereich im Horizontalen, in der Weite angegeben. Seine Gesetze gelten in allen Fernen, und ebenso gelten sie für das Nächste, als die Gesetze der eigenen Brust. Dann wird die vertikale Richtung, der Raum zwischen Himmel und Erde, angegeben, weil die Schicksale der Menschen sozusagen vom Himmel herabkommen.


§ 2

Das Schöpferische ist im Ruhezustand eins und im Bewegungszustand geradeaus, darum erzeugt es das Große. Das Empfangende ist im Ruhezustand geschlossen und im Bewegungszustand sich öffnend, darum erzeugt es das Weite.


Das Schöpferische ist hier das Zeichen des Buchs der Wandlungen und besonders die Linie, durch die es symbolisiert wird. Diese Linie ist im Ruhezustand eine einfach eindimensionale Linie: ―. Im Bewegungszustande ist die Bewegung direkt nach vorwärts gerichtet. Das Empfangende ist durch eine geteilte Linie symbolisiert: . Im Ruhezustand schließt sie sich, im Bewegungszustand öffnet sie sich. So ist das, was durch das Schöpferische gewirkt wird, seiner Art nach bezeichnet als groß. Das Schöpferische erzeugt die Qualität. Das, was durch das[279] Empfangende erzeugt wird, ist seiner Gestalt nach bezeichnet als weit, mannigfaltig. Das Empfangende erzeugt die Quantität.


§ 3

Durch seine Weite und Größe entspricht es Himmel und Erde. Durch seine Veränderungen und Zusammenhänge entspricht es den vier Jahreszeiten. Durch die Bedeutung des Lichten und Dunkeln entspricht es Sonne und Mond. Durch das Gute des Leichten und Einfachen entspricht es der höchsten Art.


Hier werden die Parallelen des Buchs der Wandlungen mit den Weltzusammenhängen aufgezeigt. Es enthält räumliche Mannigfaltigkeit, Quantität, wie die Erde. Es enthält intensive Größe, Qualität, wie der Himmel. Es zeigt Veränderungen und in sich zusammengeschlossene Zusammenhänge wie der Lauf des Jahres innerhalb der vier Jahreszeiten. Es zeigt im Prinzip des Lichten dieselbe Bedeutung, wie sie der Sonne zugrunde liegt. Das Lichte heißt Yang. Die Bezeichnung der Sonne ist Tai Yang, das große Lichte. Im Prinzip des Dunkeln zeigt es dieselbe Bedeutung, wie sie dem Mond zugrunde liegt. Das Dunkle heißt Yin. Die Bezeichnung für den Mond ist Tai Yin, das große Dunkle. Oben wurde ausgeführt, daß das Wesen des Schöpferischen im Leichten, das Wesen des Empfangenden im Einfachen liegt, jenen Keimen des Werdens, aus denen sich alles Weitere spontan entwickelt. Diese Art entspricht dem Guten im SINN in seiner Kunst, das Leben auf die einfachste Weise fortzusetzen (vgl. Kap. 5, § 2), und damit der höchsten Art des SINNS (vgl. Kap. 5, § 4).

Quelle:
I Ging. Köln 141987, S. 279-280.
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