7. Eigenschaften der Musik - Yüo Tsing

[84] Die Musik ist der Ausdruck des Unveränderlichen an den Gefühlen; die Sitten sind der Ausdruck des Unwandelbaren in den Grundrichtungen. Die Musik vereint das Gemeinsame, die Sitten unterscheiden das Verschiedene. Die Theorien von Sitten und Musik beziehen sich auf die Gefühle der Menschen.

Die Wurzel zu erforschen und das Veränderliche zu erkennen, ist die Aufgabe der Musik. Die Wahrheit zu beleuchten und das Falsche zu entfernen, ist der Pfad der Sitte. Sitte und Musik spiegeln die Gefühle von Himmel und Erde. Sie bringen in Gemeinschaft mit den Lebenskräften der himmlischen Götter. Sie rufen die oberen Götter herab und die unteren Götter herauf und lassen das Feine und Grobe zu Gestalten sich verdichten. Sie bringen die Regeln zwischen Vater und Sohn, Herrscher und Diener zur Ausübung. Darum: Wenn ein großer Mann Sitte und Musik fördert, so werden Himmel und Erde ihre Kräfte erstarken lassen, Himmel und Erde vereinigen sich, Schattiges und Lichtes finden sich. Der Himmel weht mit sanftem Hauch, und die Erde wärmt; der Himmel schirmt, und die Erde nährt die Dinge. So sprossen üppig Kraut und Bäume, die gewundenen Keime kommen[84] ans Licht hervor, Federn und Flügel regen sich, Hörner und Geweihe wachsen, die Winterschläfer kommen zum Leben zurück. Die gefiederten Wesen brüten, und die behaarten tragen ihre Jungen und nähren sie. Was im Mutterleib entsteht, geht nicht zugrunde, und was im Ei entsteht, findet keinen vorzeitigen Tod. Wenn es also ist, dann hat der Weg der Musik sein Ziel erreicht.

Unter Musik versteht man nicht nur die gelbe Glocke10 (Huang Dschung) und die große Röhre (Da Lü), nicht nur Saitenspiel und Gesang und Schwingen der Schilde. Das alles sind nur die Äußerlichkeiten der Musik; darum sind es Knaben, die die Tänze aufführen. Das Ausbreiten der Matten, das Aufstellen der Schalen und der Körbe, das Hinaufsteigen und Herabsteigen unter Ausführung der Sitten sind nur die Äußerlichkeiten der Sitte; darum sind es Beamte, die sie ausführen.

Darum ist die Vollendung des Lebens das Obere und die Vollendung der Kunst das Untere, die Vollendung des Wandels das Frühere und die Vollendung der Werke das Spätere. So hatten die früheren Könige Oberes und Unteres, Früheres und Späteres. Dadurch nur vermochten sie Ordnung zu schaffen auf der Welt.

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zwei Tonarten

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 84-85.
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