II, 38. [229.] An Savitar, Abendlied.

[49] Der Name Savitar bedeutet »Beleber, Erreger, Antreiber«. Als Gott ist er die persönlich gedachte Leben zeugende, Segen schaffende Kraft der Sonne. Namentlich werden die Strahlen, welche die Sonne bei ihrem Auf- und Untergange emporschiesst und mit denen sie alles Höhergelegene hell erleuchtet, mit den Armen verglichen, welche Savitar gebietend emporstreckt, und mit denen er am Morgen die Schlummernden erweckt, alles Leben erregt und Güter spendet, am Abend aber alles zur Ruhe mahnt und treibt. Am Tage führt er die Sonne auf ihrer Bahn oder fährt mit ihr zusammen in die höchsten Lichträume und beschaut alle Wesen, in der Nacht wandert er in braunen Mantel gehüllt wieder nach Osten; den Frommen beschützend, böse Träume verscheuchend. Er trägt den Himmel, durchdringt den Raum, beherrscht und erhält die Welt, schafft Wohnsitze Göttern und Menschen, Unsterblichkeit den Göttern, Vergebung und Sühne den Menschen. Im folgenden Liede scheinen Vers 10 und 11 vielleicht auch 7 oder 8 späterer Zusatz.


1. Gott Savitar erhob zu schneller That sich

im Flug, aufs neue nun sein Werk zu treiben;

Denn jetzt auch theilt den Göttern er die Schätze

und schenket Wohlsein dem, der ihn zum Mahl lud.

2. Der Gott steht aufrecht, streckt empor die Arme,

thut auf die Hand, und alles lauscht gehorsam;

Die Wasser auch, sie schmiegen seinem Dienst sich,

und selbst der Wind ruht aus auf seiner Umfahrt.

3. Mit Hengsten fahrend, löst er nun sie wieder,

den Wandrer liess er ruhn von seinem Gange,

Des Schlangenstössers rasche Gier bezähmt er,

auf Savitar's Geheiss erschien die Nachtruh.

4. Zusammen rollt die Weberin den Aufzug,

der Künstler bei der Arbeit gab sein Werk auf;

Sich rüstend stand er auf und schied die Zeiten,

Gott Savitar erschien der nimmer rastet.

5. In Häusern rings zu allem, was da lebet,

vertheilt sich Hauses Feuer hell erglänzend;

Das beste Theil legt vor dem Sohn die Mutter,

weil Savitar ihm die Begier erregt hat.[49]

6. Es kehrt zurück, wer zu erwerben ausging;

die Sehnsucht aller Wandrer strebte heimwärts;

Sein Werk verlassend gehet heim ein jeder,

auf das Geheiss des göttlichen Erregers.

7.38 Ins Wasser setztest du des Wassers ErbtheilA1,

und auf dem Festland rings vertheilt das Wild sich;

Den Vögeln gabst den Wald du, nie verletzen

sie dieses Gottes Savitar Gebote.

8. So gut er kann, sucht auf den Schooss der Wasser

der Fisch am Abend, er, der rastlos zappelt,

Des Eies Sohn das Nest, den Stall die Heerde;

nach ihrem Sitz schied Savitar die Thierwelt.

9. Ihn, dessen Satzung Indra nicht, noch Rudra,

Varuna, Mitra, Arjaman verletzen,

Noch böse Geister, ruf ich her zum Heile,

Gott Savitar mit demuthsvollem Herzen.

(10. 11 siehe Anhang.)


Fußnoten

A1 d.h. die Fische.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 49-50.
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