X, 129. [955.] Entstehung der Welt.[405] 429

Aus der anfänglichen Leere und Oede ward das Eine durch die Macht der Wärme und durch des Geistes Regung geboren; da fanden[405] die Weisen, die erstgeborenen Götter das Band, die Schnur des Daseins erzeugend, schaffend strebend. Dennoch bleibt die Schöpfung ein ungelöstes Räthsel.


1. Zu jener Zeit war weder Sein, noch Nichtsein,

nicht war der Luftraum, noch der Himmel drüber;

Was regte sich? und wo? in wessen Obhut?

war Wasser da? und gab's den tiefen Abgrund?

2. Nicht Tod und nicht Unsterblichkeit war damals,

nicht gab's des Tages noch der Nacht Erscheinung;

Nur Eines hauchte windlos durch sich selber

und ausser ihm gab nirgend es ein andres.

3. Nur Dunkel war, verhüllt von Dunkel, anfangs

und unerkennbar wogte dieses alles;

Vom leeren Raum war zugedeckt die Oede,

das Eine ward durch Macht der Glut geboren.

4. Da regte sich zuerst in ihm Begierde,

als sich des Geistes erster Same zeigte;

Es fanden da das Band des Seins im Nichtsein

die Weisen suchend mit des Herzens Einsicht.

5. Und quer hindurch, war ihre Schnur gezogen,

was war darunter? und was war darüber?

Erzeuger waren, und es waren Mächte,

und Schöpferkraft war unten, Streben oben.

6. Wer weiss es recht? wer mag es hier verkünden?

woher entstand, woher sie kam die Schöpfung,

Ob durch seinA1 Schaffen erst die Götter wurden,

wer weiss es doch, woher es sei gekommen?

7. Von wannen diese Schöpfung sei gekommen,

ob sie geschaffen oder unerschaffen,

Der auf sie schaut im höchsten Himmelsraume,

der weiss allein es, oder weiss ers auch nicht?


Fußnoten

A1 Des Einen? (V. 2-4.)

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 405-406.
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