X, 146. [972.] An die Waldfrau, die Genie der Wildniss.[415] 437

1. O Waldesfrau, o Waldesfrau,

es scheint, dass du dich ganz verirrst;[415]

Was frägst du nach dem Dorfe nicht?

hat etwa Furcht beschlichen dich?

2. Wenn auf des Uhu's lauten Ruf

der Papagei die Antwort gibt,

Und hüpft wie nach der Cymbeln Takt,

dann freut die Frau des Waldes sich.

3. Da klingt's als frässen Kühe Gras,

und Häuser glaubt man dort zu sehn;

Und wie ein Wagen knarrt auch wohl

zur Abendzeit die Waldesfrau.

4. Dort ruft wol einer seine Kuh,

dort hat wol einer Holz gefällt,

Jetzt schrie es laut, so meint wol der,

der Abends in der Wildniss weilt,

5. Die Waldesfrau verletzet nie,

wenn nicht ein andrer sie beschleicht;

Wenn sie von süsser Frucht gezehrt,

geht sie zur Ruh, wie ihr's beliebt.

6. Gerühmt hab' ich die Waldesfrau,

sie, die des Wildes Mutter ist,

Von Salben duftend und Gewürz,

an Speisen reich auch ohne Pflug.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 415-416.
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