Hëú-tsĭ der Urahn des Tschēu-Hauses.

[410] Der Ursprung des Geschlechtes war

Von Kiāng-Juân, die es gebar.

Und wie gebar sie dieß Geschlecht?

Sie brachte Opfer, brachte Weih'n,

Daß sie nicht kindlos möge sein;

Trat in des HErren Fußspur schauernd ein,1

Wo's weit war, wo sie stand allein.

Und nun empfing sie, schloß sich ein,

Und nun gebar, nun säugte sie. –

Und dieses eben war Hëú-tsĭ.2


Mit Ausgang ihrer Monden kam

Ihr Erstgeborner wie ein Lamm.

Da war kein Reißen, war kein Ringen,

Da war kein Weh, da war kein Gram,

Daß er als Wunder sich verkünde.

Macht' ihr's der Höchste HErr nicht linde?

Nahm er nicht hold ihr Opfer dar,

Daß sie den Sohn so sanft gebar?
[410]

Man setzt' ihn aus auf einen engen Pfad. –

Und zärtlich schonten Küh' und Schafe sein;

Man setzt' ihn aus in einen tiefen Wald;

Holzhauer fanden ihn im tiefen Wald;

Man setzt' ihn aus auf starrend kaltes Eis, –

Ihn hüllten Vogelflügel ein;

Und als der Vogel sich entschwang,

Und Hëú-tsĭ's Klaggeschrei erklang,

War es so laut und war so lang,

Daß es durch alle Wege drang.


So kroch er fort mit Fuß und Hand,

Wuchs dann herauf, kam zu Verstand,

Daß für den Mund er Speise fand.

Da pflanzt' er große Bohnen ein,

Die Bohnen fanden reich Gedeih'n,

Ihm sproßte Reiß in üpp'gen Reih'n,

Wuchs Hanf und Weizen mächtiglich,

Melon' und Kürbis prächtiglich.


Der Weg Hëú-tsĭ's zu seinem Erntesegen

War wechselseitiger Verein.

Fort schafft' er wilde Gräserei'n

Und säte gelbe Saat darein;

Die keimte, die entsproßte fein,

Die wuchs empor, die nahm Gedeih'n

Die ährte, trat in's Blühen ein,

Gewann das Korn, schlug trefflich ein,

Ward ährenschwer und reif zuletzt; –

Da ward er in das Haus von Thāi gesetzt.3


Dann theilt' er trefflich Saatkorn aus.

Von schwarzer Hirse, Doppelhirse,[411]

Von rother Hirse, weißer Hirse.

Ringsum ward Schwarz und Doppelhirse

Geerntet und geschobert dann;

Ringsum ward roth' und weiße Hirse

Getragen und gebracht heran.

Damit hub er zu opfern an.


Und was geschieht bei unserm Opfer nun?

Die hülsen aus, Die schütten ein,

Die treten aus, Die sichten fein;

Und mit Geplätscher wäscht man's rein,

Und kocht's mit Dampfgewirbel klein.

Dann hält man Rath, man reinigt sich,4

Man nimmt die Stabwurz, opfert Fett,

Man nimmt den Widder, bringt ihn dar,5

Und röstet dann und brät es gahr,

Um einzuweih'n das Folgejahr,


Wir tragen's eingefüllt in Schüsseln,

In Schüsseln und in Näpfen vor.

Da steigt der Wolgeruch empor,

Den riecht der Höchste HErr erfreut.

Wie duftet's an den rechten Tagen!

Hëú-tsĭ begann das Opfertragen;

Das sonder Fehl und Reueklagen,6

So ist herabgelangt bis heut'.

1

Der Sinn ist schwer zu erklären und es scheint eine uralte Sage zu Grunde zu liegen aus einer Zeit, als der Höchste Herr noch persönlich gedacht wurde.

2

Der nehmlich, den sie gebar und säugte. Er soll im 25. Jahrh. v. Chr. geboren und sein eigentlicher Name Khí gewesen sein, den Namen Hëú-tsĭ, »der Saatenfürst«, soll er als späterer Ackerbauminister erhalten haben.

3

Für seine Verdienste im Amt erhielt er das Fürstenthum Thāi.

4

Es ist die religiöse Reinigung gemeint.

5

pă heißt eigentlich, »dem Schutzgeist der Wege opfern«.

6

Legge's umschreibende Übersetzung erklärt dieß vortrefflich mit den Worten: And no one, we presume has given occasion for blame or regret in regard to it.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 410-412.
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