Festlied bei Bewirthung der königlichen Verwandten.

[412] Das Ried am Wege steht gar dicht;

Zerstampfen es nur Küh' und Schafe nicht,

Dann sprießt, dann wächst es aufgericht't

Und saftig schwellt sein Blatt am Licht.

Ihr Brüder, die Ein Band umflicht,

Kommt her, daß Keiner uns gebricht!

Für Die sind Matten ausgebreitet,

Für Jene Sessel zugericht't.


Hier liegen Matten auf zuzweit,1

Der Diener bei den Sesseln steh'n genug.

Man trinkt sich zu, man thut Bescheid,

Spült den Pokal, setzt hin den Krug.2

Und Brüh' nud Hackfleisch wird gebracht,

Dran Röstfleisch sich und Braten reiht,

Maul und Gekrös von Köstlichkeit,

Bei Sang und Pauk' im Wechselstreit.


Stark sind die schön verzierten Bogen,

Vier Pfeile je wol abgewogen.

Und sind die Pfeil' an's Ziel geflogen,

Tritt jeder, wie er Kunst gepflogen.3

Der schmucke Bogen wird gespannt,

Vier Pfeile liegen in der Hand;

Sind die wie eingepflanzt entsant

Nimmt jeder Gast mit Ehren seinen Stand.
[413]

Urenkel nimmt den Vorsitz ein,4

Und von dem besten süßen Wein

Aus großer Kelle gießt er ein,

Den Greisen sein Gebet zu weih'n,

Daß Greisen mit gekrümmten Rücken

Ihr Führen, Helfen möge glücken,

Ihr hohes Alter segensreich

Stets glänzendere Wolfahrt schmücken.

1

Auf die hingebreiteten Matten find nochmals besondere Sitzmatten gelegt.

2

Gegenseitige Erweisungen zwischen dem königlichen Wirth und seinen Gästen.

3

Wörtlich: »Ordnen sich die Gäste nach der Kunstfertigkeit«, nehmlich die sie bewiesen haben.

4

Der »Urenkel« ist wiederum der regierende Nachkomme der alten Könige.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 412-414.
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