Rückmarsch der Truppen nach Besiegung der Hiàn-jün.1

[267] Wir zogen aus mit unsern Wagen

Dort auf der Heerden Weideplan.

Her von des Himmelssohnes Stelle2

War uns zum Marsch Befehl gethan.

Man rief herbei die Wagenlenker,

Hieß sie die Wagen spannen an.

Des Königs Dienst war höchlich dringend;

Wol spornet er zum Eifer an.


Wir zogen aus mit unsern Wagen

Soweit die Stadtmark sich erstreckt.

Das Schlangenbanner ward erhoben,3

Der Jakstierschweif ward aufgesteckt.

Und Vogelbanner, Schlangenbanner,4

Wie flatterten sie nicht einher!

Doch Kummer war in bangen Herzen,

Die Wagenlenker sorgenschwer.
[268]

Der König gab Nân-tschúng Befehl,

Zur Wehr des Landes fortzujagen,5

Und zahllos sah man zieh'n die Wagen

Und Drach'- und Schlangenbanner ragen.6

Der Himmelssohn gab uns Befehl,

Zur Wehr des Nordlands fortzujagen;

Und glorreich, glorreich war Nân-tschúng:

Die Hiàn-jün sind hinausgeschlagen.


Vordem, da wir hinwegmarschirten,

Die Hirse blühend erst sich bot;

Nun, da wir heimwärts wieder ziehen,

Nun fällt der Schnee, wir geh'n im Koth.

Des Königs Dienst war höchlich dringend,

Gönnt' uns die Rast nicht, die uns noth.

Ob wir nicht dachten heimzukehren? –

Wir scheuten jener Schrift Gebot.7


»Laut zirpt im Gras die Grille jung,8

Es hüpft die Heuschreck' hin im Sprung;

Noch seh' ich nicht den hohen Mann;

Mein armes Herz hat Grams genung.

Könnt' ich erst seh'n den hohen Mann,

Dann hätt' mein Herz Beruhigung.« –

O glorreich, glorreich ist Nân-tschúng,

Im Westen züchtigt er die Sjûng.9
[269]

Nun ist der Frühling vorgerückt,

Mit Laub ist Kraut und Baum geschmückt,

Der gelben Vöglein Sang entzückt,

Wermuth wird schaarenweis gepflückt.

Mit Sträflingen, Gefangenhaufen10

Wird in die Heimath eingerückt;

Denn glorreich, glorreich ist Nân-tschúng:

Nun sind die Hiàn-jün unterdrückt.

1

Dieses Lied dürfte sich auf denselben Feldzug beziehen, dem das galt. Es verherrlicht zugleich den sonst nicht bekannten Heerführer Nân-tschúng.

2

Der »Himmelssohn«, d.h. der Kaiser, war der Tschē-König.

3

Das Schlangenbanner, »tscháo«, ist eine mit Schildkröten und Schlangen bemalte Fahne.

4

In dem Vogelbanner sah man fliegende Vögel.

5

Nach Inhalt und Gang des Liede können wir »tschhîng«, was zunächst »Mauer, ummauern« heißt, hier mit dem Mandschu nur in dem Sinne von »vertheidigen, abwehren« (tuwakiyambi) fassen.

6

In dem Drachenbanner zeigten sich zwei Drachen über einander, einer nach links andere nach rechts gekehrt.

7

Wörtl.: »wir hatten Ehrfurcht vor jener Bambustafel-Schrift«; nehmlich vor dem auf solche Tafel geschriebenen königlichen Befehl.

8

Hier werden die heimgelassenen Frauen redend eingeführt. Vgl. I. 2, 3.

9

Ein anderer weit westlich wohnender Barbarenstamm.

10

Sträflinge, »sín«, sind die mit Tortur zu Verhörenden, mithin Häuptlinge der Besiegten.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 267-270.
Lizenz:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon