Zweiter Praçna.

[562] Auf die Frage nach Anzahl und Rang der Lebenskräfte im Menschen wird die Erzählung vom Rangstreite der Lebenskräfte (vgl. Chând. 1,2. 5,1. Bṛih. 1,3. 6,1. Kaush. 2,14) in selbständiger Weise vorgetragen. An sie schliesst sich ein Hymnus an den Prâṇa, welcher mehrfache Anklänge an den entsprechenden Hymnus Atharvav. 11,4 (übersetzt Gesch. d. Phil. I, 302 fg). zeigt.


1. Da befragte ihn Bhârgava Vaidarbhi: »Erhabener! Wie viele Götter halten das Geschöpf aufrecht, und welche von ihnen erleuchten diesen Leib, und wer unter allen ist der vorzüglichste?« – 2. Und er sprach zu ihm: »Der Äther, fürwahr, ist dieser Gott und der Wind und das Feuer, Wasser und Erde, Rede, Manas, Auge und Ohr. Diese, indem sie [den Leib] erleuchten, rühmen sich: ›Wir sind es, die dieses Röhrenwerk stützen und aufrecht halten.‹ 3. Da sprach zu ihnen der oberste Prâṇa: ›Nicht so! In Wahn seid ihr befangen. Ich allein bin es, der ich, mich fünffach teilend, dieses Röhrenwerk stütze und aufrecht halte!‹ 4. Sie aber wollten ihm nicht glauben. Da gibt er sich den Anschein, als wollte er, aus [verletztem] Stolz nach oben entweichen. Und wie er entweicht, da wollen auch die andern alle entweichen, und wie er stille stehen bleibt, da bleiben auch die andern stehen. Und gleichwie die Bienen dem Bienenkönige, wenn er auszieht, alle nachziehen, und solange er bleibt, alle bleiben, also auch die Rede, das Manas, das Auge und das Ohr. Da sind sie zufriedengestellt und preisen den Prâṇa:


5. Er brennt als Feuer, und er glüht als Sonne,

Er ist Parjanya, Maghavân und Vâyu,

Er der Gott ist Erde, Rayi,

Was ist, nicht ist und ewig ist.


6. Wie Speichen an der Radnabe,

Haftet am Prâṇa alles fest,[562]

Die Ric's, die Yajus' und Sâman's,

Opfer, Krieger- und Brahman-Stand.


7. Als Prajâpati im Mutterleib

Weilst du und wirst geboren neu,

Dir, o Prâṇa, bringen die Geschöpfe Spende dar (Atharvav. 11,4,19),

Wenn du mit Lebenskräften weilst.


8. Du erst Göttern bringst das Opfer,

Du erst Vätern den Labetrank,

Du bist der Dichter Werk, du bist

Wahrheit der Atharvâ giras.


9. An Kraft bist Indra du, Prâṇa!

Rudra bist du, der Schützende,

Du schweisst im Luftraum als Sonne,

Du bist der Lichter Oberherr.1


10. Wenn du über sie hin regnest,

Stehn deine Kreaturen hier

Voll Freude, Prâṇa, und sprechen:

›Nahrung wird uns entstehn nach Lust.‹


11. Du bist von selbst geweiht, Prâṇa,

Höchstweiser, Esser, Herr des Alls,

Wir sind des, das du isst, Spender,

Du, Mâtariçva(n)! Vater uns.


12. Was von dir in der Rede weilt,

Was im Ohre, im Auge weilt,

Was im Manas sich ausbreitet,

Das mache hold uns, zieh nicht aus!


13. In Prâṇa's Macht ist dies Weltall,

Selbst was im dritten Himmel ist;

Wie die Mutter das Kind, schütz' uns,

Glück und Weisheit verleihe uns!«


Fußnoten

1 Der Lichter Oberherr ist Brahman, Kâṭh. 5,15.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 562-563.
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