Zweites Brâhmaṇam.

[411] Der Eingang schildert den Prâṇa (das Leben) als ein junges Tier: der Leib ist sein Stall, der Kopf das Dach des Stalles; der Atem ist der Pfosten, an den der Prâṇa gebunden ist, die Nahrung das Band, welches ihn daran festhält. Sieben Gottheiten (Rudra, Parjanya, Âditya, Agni, Indra, Erde und Himmel) wohnen im Auge und halten über ihm Wache.

Nicht recht zusammenstimmend hiermit ist der dann weiter aufgeführte und erklärte Vers (über dessen ursprüngliche Fassung und Bedeutung vgl. Atharvav. 10,8,9 und Gesch. d. Phil. I, 320), welcher den Kopf als eine, nach der Seite die Öffnung habende, Trinkschale voller Herrlichkeit schildert, an deren Rändern als sieben Ṛishi's die sieben Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nasenlöcher und Mund oder Zunge) und als achte die dem Brahman verwandte Rede (vâc) wohnt. Ein späterer Zusatz ist wohl die dann folgende Aufzählung der sieben Ṛishi's, wobei als siebenter Ṛishi die Vâc erscheint, welche man hier (da sie als Rede die achte war) mit »Zunge« übersetzen muss (vgl. Çatap. Br. 8,5,4,1: vâcâ eva annasya rasam vijânâti), wenn man anders den Widerspruch vermeiden will.

Beide Hälften des Brâhmaṇam scheinen aus verschiedenen Anschauungen entsprungen zu sein; in der ersten ist der Leib, in der zweiten der Kopf die Hauptsache; in der ersten wohnen sieben Götter im Auge, in der zweiten sind die Augen zwei Ṛishi's.


1. Wer das junge Tier kennt und seine Behausung und seine Überdachung und seinen Pfosten und den Strick, mit[411] dem es angebunden ist, der, fürwahr, bewältigt die sieben feindlichen Vettern.4

Fürwahr, das junge Tier, das ist hier dieser Lebensodem in der Mitte [der Mukhya Prâṇa], und dieses hier [der Leib] ist seine Behausung, und dieses [der Kopf] seine Überdachung, und der Odem ist sein Pfosten, und die Nahrung ist der Strick, mit dem es angebunden ist.

2. In seinem Dienste stehen diese sieben Unvergänglichkeiten: nämlich die roten Streifen, die da im Auge sind, durch diese ist Rudra mit ihm verbunden, und durch das Wasser, welches im Auge ist, ist Parjanya, und durch den Augenstern ist Âditya, und durch das Schwarze Agni, und durch das Weisse Indra, und durch die untere Wimper ist Pṛithivî (die Erde) mit ihm verbunden, und durch die obere Dyaus (der Himmel). – Dessen Nahrung vergeht nicht, der solches weiss.

3. Darüber ist dieser Vers:


Nach vorn die Öffnung und den Boden oben,

Ist eine Schale, aller Herrlichkeit voll;

An ihrem Rande wohnen sieben Ṛishi's,

Zu acht die Rede, dem Gebet (brahman) verbunden.


»Nach vorn die Öffnung und den Boden oben, ist eine Schale«, – das ist der Kopf, denn er ist eine Schale, welche die Öffnung nach vorn und den Boden oben hat; – »aller Herrlichkeit voll«, – die Lebensorgane nämlich sind die mannigfache Herrlichkeit, deren er voll ist; hiermit sind also die Lebensorgane gemeint; – »an ihrem Rande wohnen sieben Ṛishi's«, – die Lebensorgane nämlich sind die sieben Ṛishi's, hiermit sind also die Lebensorgane gemeint; – »zu acht die Rede, dem Gebet verbunden«, – die Rede (vâc) also ist die achte, und sie ist mit dem Gebete verbunden. 4. Nämlich diese beiden hier [auf die Ohren hinweisend] sind Gautama und Bharadvâja, dieses nämlich ist Gautama und dieses Bharadvâja; und diese beiden hier [die Augen] sind Viçvâmitra und Jamadagni, dieses nämlich ist Viçvâmitra und dieses Jamadagni; und diese beiden hier [die Nasenlöcher] sind Vasishṭha[412] und Kaçyapa, dieses nämlich ist Vasishṭha und dieses Kaçyapa; die Zunge (vâc) endlich ist Atri, denn mit der Zunge wird die Speise gegessen (adyate); nämlich Atri ist soviel wie Atti (er isst). – Der ist ein Esser von allem, dem dient alles zur Speise (oben S. 135, Anm. 2), wer solches weiss.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 411-413.
Lizenz: