[108] 18. antaryâmî adhidaiva-âdishu, tad-dharma-vyapadeçât
der innere Lenker in der Göttersphäre u.s.w., wegen Nachweisung seiner Eigenschaften.

In einem Schrifttexte (Bṛih. 3, 7, 1) wird gefragt nach »jenem innern Lenker, der diese Welt und die andere Welt und alle Wesen innerlich regiert«, und als Antwort darauf heisst es: »der in der Erde wohnend von der Erde verschieden ist, den die Erde nicht kennt, dessen Leib die Erde ist, der die Erde innerlich regiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche« u.s.w. (Bṛih. 3, 7, 3 fg.). Hier ist die Rede von einem, der in der Göttersphäre, der Weltsphäre, der Vedasphäre, der Opfersphäre, der Wesensphäre und der Âtmansphäre, inwendig darinnen wohnt und, weil er dieselben regiert, ihr »innerer Lenker« (antaryâmin) genannt wird. Da dies ein neu auftretender Name ist, so erhebt sich die Frage, was unter demselben zu verstehen ist, etwa eine die Göttersphäre u.s.w. repräsentierende Götterseele, oder irgend ein mit den [acht] Machtvollkommenheiten, sich atom-klein u.s.w. zu machen, begabter Yogin, oder der höchste Âtman, oder irgend etwas anderes?

Was | sollen wir also zunächst annehmen? Etwa dieses, dass, ›weil der Name [Antaryâmin] ein unbekannter ist, auch der Träger desselben irgend etwas anderes Unbekanntes sei?‹ – Aber ein ganz fremdes Wesen, welches eine noch nie gesehene Gestalt hätte,[108] ist doch in dieser Weise anzunehmen nicht möglich; auch ist das Wort Antaryâmin, »innerer Lenker«, sofern es von der Thätigkeit eines Lenkens von innen heraus hergenommen ist, nicht so völlig unbekannt. – ›Angenommen also, der innere Lenker bedeute irgend eine die Erde u.s.w. repräsentierende Naturgottheit; denn in diesem Sinne sagt die Schrift: »der die Erde als Grundlage, das Feuer als Reich, den Verstand als Licht hat« u.s.w. (Bṛih. 3, 9, 10); eine solche Naturgottheit, welche, mit Organen des Wirkens begabt, die Erde u.s.w. von innen heraus lenkte, könnte füglich für jenen innern Lenker gelten. Oder auch irgend ein Yogin, welcher, der Vollendung teilhaftig geworden, in alles innerlich einzudringen vermag, könnte darum der innere Lenker genannt werden. Hingegen von dem höchsten Âtman kann dies nicht verstanden werden, weil derselbe keine Organe des Wirkens besitzt.‹

Auf diese Einwendung antworten wir wie folgt. Der, welcher hier als »der innere Lenker in der Göttersphäre u.s.w.« geschildert wird, kann nur der höchste Âtman und kein anderer sein; warum? »wegen Nachweisung seiner Eigenschaften«; d.h., seine, des höchsten Âtman Eigenschaften werden hier von der Schrift nachgewiesen. Denn dass er die ganze durch Umwandlung entstandene und in die Göttersphäre u.s.w. sich zerlegende Welt, die Erde u.s.w., von innen heraus lenke, dieses innerliche Lenken lässt sich nur als eine Eigenschaft des höchsten Âtman denken; denn wenn er wirklich die Ursache alles Entstandenen ist, so können auch alle Kraftäusserungen als von ihm ausgehend gedacht werden; | die Worte aber »der ist deine Seele (âtman), der innere Lenker, der unsterbliche«, reden von einem Seelesein und Unsterblichsein, welches im vollen Sinne nur auf den höchsten Âtman zutrifft. Und wenn es heisst: »den die Erde nicht kennt«, so beweisen diese Worte, indem sie den innern Lenker als der Erdgottheit unbekannt schildern, dass dieser innere Lenker von der [die Erde repräsentierenden] Götterseele verschieden ist; denn sich selbst kennt doch diese Erdgottheit, indem sie sich bewusst ist: »ich bin die Erde«. Ebenso passt auch die Nachweisung desselben als »unsichtbar«, »unhörbar« u.s.w. (Bṛih. 3, 7, 23) auf den von Gestalt u.s.w. freien höchsten Âtman. Wenn aber behauptet wurde, dass der höchste Âtman nicht innerlich lenken könne, weil er keine Organe des Wirkens besitze, so ist das nicht richtig; denn eben durch die Wirkungsorgane derjenigen, welche er lenkt, ist er im Besitz von Organen des Wirkens. Dass aber, wenn man Gott als den innern Lenker auffasse, dieser selbst wiederum einen andern innern Lenker haben müsse und so fort, dass somit ein regressus in infinitum eintrete, diese Einwendung lässt sich darum nicht machen, weil in Gott keine Vielheitlichkeit statthat. Wäre auch in ihm Vielheitlichkeit, so würde allerdings[109] der regressus in infinitum unvermeidlich sein. – Somit ist unter dem »innern Lenker« der höchste Âtman zu verstehen.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 108-110.
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