[102] 13. antara' upapatteḥ
der innere, wegen der Zutreffung.

Die Schrift sagt: »der Mann, den man in dem Auge siehet, der ist der Ātman, so sprach er, der ist das Unsterbliche, das Furchtlose, der ist das Brahman. Darum auch, wenn man Fett oder Wasser ins Auge bringt, so fliesset es ab nach den Rändern« (Chānd. 4, 15, 1.) – Es erhebt sich die Frage, ob hier, wo vom Auge die Rede ist, das Spiegelbild in demselben gemeint ist, oder die individuelle Seele, oder die dem betreffenden Organe vorstehende Götterseele, oder etwa ob Gott hier zu verstehen ist?

Angenommen zunächst, ›es sei das Abbild, wie es den Menschen widerspiegelt, gemeint. Warum? Weil dieses, wie allbekannt, sich im Auge zeigt, und weil die Worte »der Mann, den man in dem Auge siehet« auf etwas allgemein Bekanntes hinweisen. –[102] Oder man muss diese Hinweisung auf die individuelle Seele beziehen, indem diese, sofern sie durch das Auge die Gestalten sieht, in dem Auge | gegenwärtig ist; auch spricht für diese Annahme das Wort Ātman. – Oder es ist der Purusha (Mann, Geist) der Sonne gemeint, indem dieser das Auge unterstützt; denn die Schrift sagt: »jener fusst durch die Strahlen in diesem« (Bṛih. 5, 5, 2); und auch die Bestimmungen der Unsterblichkeit u.s.w. sind in gewissem Sinne auf eine Götterseele zutreffend. Hingegen kann Gott hier nicht gemeint sein, weil dabei ein bestimmter Ort bezeichnet wird.‹

Auf diese Annahme erwidern wir, dass es allerdings der höchste Gott ist, welcher hier unter dem Manne im Innern des Auges zu verstehen ist; warum? »wegen der Zutreffung«, d.h., weil auf den höchsten Gott die hier vorkommenden Eigenschaften zutreffen. Denn schon dies, dass er der Ātman genannt wird, trifft im eigentlichen Sinne nur auf den höchsten Gott zu, von dem es heisst »das ist der Ātman, das bist du« (Chānd. 6, 8, 7.) Und auch die Unsterblichkeit und Furchtlosigkeit werden als diesem eigen mehr als einmal von der Schrift erwähnt. Dazu kommt, dass dieser Ort im Auge ein für den höchsten Gott angemessener ist; denn so wie der höchste Gott durch keinen Fehler befleckt wird, da die Schrift ihn als sündlos u.s.w. schildert, ebenso wird auch von dem Orte im Auge gesagt, dass er von aller Befleckung frei bleibe, indem es heisst: »darum auch, wenn man Fett oder Wasser ins Auge bringt, so fliesset es ab nach den Rändern« (Chānd. 4, 15, 1.) Auch die weiteren Bestimmungen, dass er der Liebeshort u.s.w. sei, passen auf Gott; und es heisst ja [im Verlaufe unserer Stelle]: »ihn nennet man den Liebeshort, denn er ist ein Hort alles Lieben; ... er heisset auch der Liebesfürst [wörtlich: Liebesführer], denn alles Liebe führet er; ... er heisset auch der Glanzesfürst, denn in allen Welten erglänzet er« (Chānd. 4, 15, 2-4.) Darum also, »wegen der Zutreffung«, ist »der innere« der höchste Gott.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 102-103.
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