[270] 7. asad, iti cen? na! pratishedha-mātratvāt
ein Nichtseiendes, meint ihr? Nein! weil es eine blosse Negation ist.

Man könnte einwenden: ›wenn das geistige, reine, der Sinneswahrnehmung entrückte Brahman als Ursache angenommen wird für die ihm entgegengesetzte, ungeistige, | unreine, sinnlich wahrnehmbare Wirkung, so folgt doch, dass die Wirkung vor ihrem Ursprunge »ein Nichtseiendes« gewesen ist, und dieses steht mit deiner Annahme, dass die Wirkung ein Seiendes gewesen sei, nicht in Einklang.‹ – Aber diese Einwendung ist ohne Grund, »weil es eine blosse Negation ist«; d.h. die Behauptung von dem Nichtsein der Wirkung ist eine rein negative, und dasjenige, was durch dieselbe negiert wird, ist gar nicht das Seiende [die Substanz]. Diese Negation reicht also nicht hin, um das Sein der Wirkung vor ihrem Ursprunge zu bestreiten; vielmehr steht es so damit, dass diese Wirkung |die Welt] eben so wie sie im[270] gegenwärtigen Augenblicke nur durch das Selbst ihrer Ursache [das Brahman] besteht, ebenso auch schon vor ihrem Ursprunge bestand. Nämlich auch jetzt besteht diese Wirkung nicht unabhängig und ohne das Selbst ihrer Ursache; denn die Schrift sagt: »das Weltall schliesst den aus, der das Weltall ausserhalb des Selbstes weiss« (Bṛih. 2, 4, 6); darin aber, dass die Wirkung nur durch das Selbst der Ursache besteht, ist für sie zwischen jetzt und der Zeit vor ihrem Ursprunge kein Unterschied. – ›Aber ist nicht das sinnlich unwahrnehmbare Brahman die Ursache der [wahrnehmbaren] Welt?‹ – Schon recht! aber das beweist nicht, dass die sinnlich wahrnehmbare Wirkung vor ihrem Ursprunge oder auch gegenwärtig ohne das Selbst der Ursache bestünde. Es lässt sich mithin nicht behaupten, dass die Wirkung vor ihrem Ursprunge ein Nichtseiendes gewesen sei. [D.h. das Sein liegt nicht in dem Accidens, sondern in der Substanz, in welcher Wirkung und Ursache, Welt und Brahman identisch sind.] Übrigens werden wir die Frage noch ausführlicher bei der Lehre von der Identität der Wirkung mit der Ursache (Sūtram 2, 1, 14 fg.) behandeln.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 270-271.
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