IV. Verteilung

[278] Wir sahen bereits früher, daß die Dühringsche Ökonomie auf den Satz hinauslief: Die kapitalistische Produktionsweise ist ganz gut und kann bestehn bleiben, aber die kapitalistische Verteilungsweise ist vom Übel und muß verschwinden. Wir finden jetzt, daß die »Sozialität« des Herrn Dühring weiter nichts ist als die Durchführung dieses Satzes in der Phantasie. In der Tat zeigte sich, daß Herr Dühring an der Produktionsweise – als solcher – der kapitalistischen Gesellschaft fast gar nichts auszusetzen hat, daß er die alte Teilung der Arbeit in allen wesentlichen Beziehungen beibehalten will, und daher auch über die Produktion innerhalb seiner Wirtschaftskommune kaum ein Wort zu sagen weiß. Die Produktion ist allerdings ein Gebiet, auf dem es sich um handfeste Tatsachen handelt, auf dem daher die »rationelle Phantasie« dem Flügelschlag ihrer freien Seele nur wenig Raum geben darf, weil die Gefahr der Blamage zu nahe liegt. Dagegen die Verteilung, die nach der Ansicht des Herrn Dühring ja gar nicht mit der Produktion zusammenhängt, die nach ihm nicht durch die Produktion, sondern durch einen reinen Willensakt bestimmt wird – die Verteilung ist das prädestinierte Feld seiner »sozialen Alchimisterei«.

Der gleichen Produktionspflicht tritt gegenüber das gleiche Konsumtionsrecht, organisiert in der Wirtschaftskommune und der eine größere Anzahl der letztern umfassenden Handelskommune. Hier wird »Arbeit... nach dem Grundsatz der gleichen Schätzung gegen andre Arbeit ausgetauscht... Leistung und Gegenleistung stellen hier wirkliche Gleichheit der Arbeitsgrößen vor«. Und zwar gilt diese »Gleichsetzung[278] der Menschenkräfte, mögen die einzelnen nun mehr oder weniger oder zufällig auch nichts geleistet haben«; denn man kann alle Verrichtungen, insofern sie Zeit und Kräfte in Anspruch nehmen, als Arbeitsleistungen ansehn – also auch Kegelschieben und Spazierengehn. Dieser Austausch findet aber nicht statt zwischen den einzelnen, da die Gesamtheit Besitzerin aller Produktionsmittel, also auch aller Produkte ist, sondern einerseits zwischen jeder Wirtschaftskommune und ihren einzelnen Mitgliedern, andrerseits zwischen den verschiednen Wirtschafts- und Handelskommunen selbst. »Namentlich werden die einzelnen Wirtschaftskommunen innerhalb ihres eignen Rahmens den Kleinhandel durch völlig planmäßigen Vertrieb ersetzen.« Ebenso wird der Handel im großen organisiert: »Das System der freien Wirtschaftsgesellschaft...bleibt daher eine große Tauscheinrichtung, deren Vornahmen sich vermittelst der durch die edlen Metalle gegebnen Grundlagen vollziehn. Durch die Einsicht in die unumgängliche Notwendigkeit dieser Grundeigenschaft unterscheidet sich unser Schema von allen jenen Nebelhaftigkeiten, die auch noch den rationellsten Formen der heute umlaufenden sozialistischen Vorstellungen anhaften.«

Die Wirtschaftskommune, als erste Aneignerin der gesellschaftlichen Produkte, hat behufs dieses Austausches »für jeden Zweig von Artikeln einen einheitlichen Preis« nach den durchschnittlichen Produktionskosten festzusetzen. »Was gegenwärtig die sogenannten Selbstkosten der Produktion... für Wert und Preis bedeuten, das werden« (in der Sozialität) »...die Anschläge der zu verwendenden Arbeitsmenge leisten. Diese Anschläge, die sich nach dem Grundsatz des auch wirtschaftlich gleichen Rechts jeder Persönlichkeit schließlich auf die Berücksichtigung der beteiligten Personenzahl zurückführen lassen, werden das zugleich den Naturverhältnissen der Produktion und dem gesellschaftlichen Verwertungsrecht entsprechende Verhältnis der Preise ergeben. Die Produktion der edlen Metalle wird ähnlich wie heute für die Wertbestimmung des Geldes maßgebend bleiben... Man sieht hieraus, daß man in der veränderten Gesellschaftsverfassung zunächst für die Werte und mithin für die Verhältnisse, in denen die Erzeugnisse sich gegeneinander umsetzen, nicht nur Bestimmungsgrund und Maß nicht verliert, sondern erst gehörig gewinnt.«

Der berühmte »absolute Wert« ist endlich realisiert.

Andrerseits aber wird die Kommune nun auch die einzelnen in den Stand setzen müssen, die produzierten Artikel von ihr zu kaufen, indem sie jedem eine gewisse tägliche, wöchentliche oder monatliche Geldsumme, die für jeden gleich zu sein hat, als Gegenleistung für seine Arbeit auszahlt. »Es ist daher vom Standpunkt der Sozialität gleichgültig, ob man sagt, daß der Arbeitslohn verschwinden oder daß er die ausschließliche Form der ökonomischen Einkünfte werden müsse.« Gleiche Löhne und gleiche Preise aber stellen die »quantitative, wenn auch nicht qualitative Gleichheit der Konsumtion« her, und damit ist das »universelle Prinzip der Gerechtigkeit« ökonomisch verwirklicht.

Über die Bestimmung der Höhe dieses Zukunftslohns sagt uns Herr Dühring nur,

[279] daß auch hier, wie in allen andern Fällen, »gleiche Arbeit gegen gleiche Arbeit« ausgetauscht wird. Für sechsstündige Arbeit wird daher eine Geldsumme zu zahlen sein, die ebenfalls sechs Arbeitsstunden in sich verkörpert.

Indes ist das »universelle Prinzip der Gerechtigkeit« keineswegs mit jener rohen Gleichmacherei zu verwechseln, die den Bürger so sehr aufbringt gegen jeden, namentlich den naturwüchsigen Arbeiterkom munismus. Es ist lange nicht so unerbittlich, als es gern aussehn möchte.

Die »prinzipielle Gleichheit der ökonomischen Rechtsansprüche schließt nicht aus, daß freiwillig zu dem, was die Gerechtigkeit erfordert, auch noch ein Ausdruck der besondern Anerkennung und Ehre gefügt werde... Die Gesellschaft ehrt sich selbst, indem sie die höher gesteigerten Leistungsgattungen durch eine mäßige Mehrausstattung für die Konsumtion auszeichnet.«

Und auch Herr Dühring ehrt sich selbst. Indem er. Taubenunschuld und Schlangenklugheit verschmelzend, so rührend für die mäßige Mehrkonsumtion der Zukunfts-Dührings besorgt ist.

Hiermit ist die kapitalistische Verteilungsweise endgültig beseitigt. Denn

»gesetzt, es hätte jemand unter Voraussetzung eines solchen Zustands wirklich einen Überschuß von privaten Mitteln zur Verfügung, so würde er für denselben keine kapitalmäßige Verwendung ausfindig machen können. Kein einzelner oder keine Gruppe würde ihm denselben für die Produktion anders als im Wege des Austausches oder Kaufs abnehmen, niemals aber in den Fall kommen, ihm Zinsen oder Gewinn zu zahlen.« Hiermit wird »eine dem Grundsatz der Gleichheit entsprechende Vererbung« zulässig. Sie ist unvermeidlich, denn »eine gewisse Vererbung wird immer die notwendige Begleitung des Familienprinzips sein«. Auch das Erbrecht wird »zu keiner Ansammlung umfangreicher Vermögen führen können, da hier die Eigentumsbildung... namentlich nie mehr den Zweck haben kann, Produktionsmittel und reine Rentenexistenzen zu schaffen«.

Hiermit wäre die Wirtschaftskommune glücklich fertig. Sehn wir nun zu, wie sie wirtschaftet.

Wir nehmen an, alle Unterstellungen des Herrn Dühring seien vollständig realisiert; wir setzen also voraus, daß die Wirtschaftskommune jedem ihrer Mitglieder für täglich sechsstündige Arbeit eine Geldsumme zahlt, in der ebenfalls sechs Arbeitsstunden verkörpert sind, meinetwegen zwölf Mark. Wir nehmen ebenfalls an, daß die Preise genau den Werten entsprechen, also unter unsern Voraussetzungen nur die Kosten der Rohstoffe, den Verschleiß der Maschinerie, den Verbrauch von Arbeitsmitteln und den gezahlten Arbeitslohn umfassen. Eine Wirtschaftskommune von hundert arbeitenden Mitgliedern produziert dann täglich Waren im Wert von 1200 Mark, im Jahr bei dreihundert Arbeitstagen für 360000 Mark,[280] und zahlt dieselbe Summe an ihre Mitglieder aus, deren jedes mit seinem Anteil von täglich 12 oder jährlich 3600 Mark macht, was es will. Am Ende des Jahres, und am Ende von hundert Jahren ist die Kommune nicht reicher als am Anfang. Sie wird während dieser Zeit nicht einmal imstande sein, die mäßige Mehrausstattung für die Konsumtion des Herrn Dühring zu leisten, falls sie nicht ihren Stamm von Produktionsmitteln angreifen will. Die Akkumulation ist total vergessen worden. Noch schlimmer: da die Akkumulation eine gesellschaftliche Notwendigkeit, und in der Beibehaltung des Geldes eine bequeme Form der Akkumulation gegeben, so fordert die Organisation der Wirtschaftskommune ihre Mitglieder direkt auf zur Privatakkumulation, und damit zu ihrer eignen Zerstörung.

Wie diesem Zwiespalt der Natur der Wirtschaftskommune entgehn? Sie könnte Zuflucht nehmen zu der beliebten »Bezollung«, dem Preisaufschlag, und ihre Jahresproduktion statt für 360 000 Mark für 480 000 Mark verkaufen. Da aber alle andern Wirtschaftskommunen in derselben Lage sind, also dasselbe tun müßten, so würde jede im Austausch mit der andern ebensoviel »Bezollung« zahlen müssen wie sie einsteckt, und der »Tribut« also nur auf ihre eignen Mitglieder fallen.

Oder aber, sie macht die Sache kurz und bündig ab, indem sie jedem Mitglied für sechsstündige Arbeit das Produkt von weniger als sechsstündiger Arbeit, meinetwegen von vier Arbeitsstunden zahlt, also statt zwölf Mark nur acht Mark täglich, die Warenpreise aber auf der alten Höhe bestehn läßt. Sie tut in diesem Falle direkt und offen, was sie im vorigen versteckt und auf einem Umweg versucht: sie bildet Marxschen Mehrwert im jährlichen Betrag von 120000 Mark, indem sie ihre Mitglieder in durchaus kapitalistischer Weise unter dem Wert ihrer Leistung bezahlt und ihnen obendrein die Waren, die sie nur bei ihr kaufen können, zum vollen Wert anrechnet. Die Wirtschaftskommune kann also nur zu einem Reservefonds kommen, indem sie sich enthüllt als das »veredelte« Trucksystem13 auf breitester kommunistischer Grundlage.

Also eins von zweien: Entweder tauscht die Wirtschaftskommune »gleiche Arbeit aus gegen gleiche Arbeit«, und dann kann nicht sie, sondern nur die Privaten einen Fonds zur Erhaltung und Ausdehnung der Produktion akkumulieren. Oder aber, sie bildet einen solchen Fonds, und dann tauscht sie nicht »gleiche Arbeit aus gegen gleiche Arbeit«.[281]

So steht's mit dem Inhalt des Austausches in der Wirtschaftskommune. Wie mit der Form? Der Austausch wird durch Metallgeld vermittelt, und Herr Dühring tut sich nicht wenig zugut auf die »menschheitsgeschichtliche Tragweite« dieser Verbesserung. Aber im Verkehr zwischen der Kommune und ihren Mitgliedern ist das Geld gar kein Geld, fungiert es gar nicht als Geld. Es dient als reines Arbeitszertifikat, es konstatiert, um mit Marx zu reden, »nur den individuellen Anteil des Produzenten an der Gemeinarbeit und seinen individuellen Anspruch auf den zur Konsumtion bestimmten Teil des Gemeinprodukts«, und ist in dieser Funktion »ebensowenig ›Geld‹ wie etwa eine Theatermarke «. Es kann hiermit durch jedes beliebige Zeichen ersetzt werden, wie Weitling es durch ein »Kommerzbuch« ersetzt, worin auf der einen Seite die Arbeitsstunden und auf der andern die dafür bezognen Genüsse abgestempelt werden. Kurz, es fungiert im Verkehr der Wirtschaftskommune mit ihren Mitgliedern einfach als das Owensche »Arbeitsstundengeld«, dies »Wahngebilde«, auf das Herr Dühring so vornehm herabsieht und das er dennoch selbst in seine Zukunftswirtschaft einführen muß. Ob die Marke, die das Maß der erfüllten »Produktionspflicht« und des damit erworbnen »Konsumtionsrechts« bezeichnet, ein Wisch Papier, ein Rechenpfennig oder ein Goldstück ist, bleibt sich für diesen Zweck vollständig gleich. Für andre Zwecke aber durchaus nicht, wie sich zeigen wird.

Wenn das Metallgeld also schon im Verkehr der Wirtschaftskommune mit ihren Mitgliedern nicht als Geld fungiert, sondern als verkleidete Arbeitsmarke, so kommt es noch weniger zu seiner Geldfunktion im Austausch zwischen den verschiednen Wirtschaftskommunen. Hier ist, unter den Voraussetzungen des Herrn Dühring, das Metallgeld total überflüssig. In der Tat würde eine bloße Buchführung hinreichen, die den Austausch von Produkten gleicher Arbeit gegen Produkte gleicher Arbeit viel einfacher vollzieht, wenn sie mit dem natürlichen Maßstab der Arbeit – der Zeit, der Arbeitsstunde als Einheit – rechnet, als wenn sie die Arbeitsstunden erst in Geld übersetzt. Der Austausch ist in Wirklichkeit reiner Naturalaustausch; alle Mehrforderungen sind leicht und einfach ausgleichbar durch Anweisungen auf andre Kommunen. Wenn aber eine Kommune wirklich gegenüber andern Kommunen ein Defizit haben sollte, so kann alles »im Universum vorhandne Gold«, und wenn es noch so sehr »von Natur Geld« sein sollte, dieser Kommune das Schicksal nicht ersparen, dies Defizit durch vermehrte eigne Arbeit zu ersetzen, falls sie nicht in Schuldabhängigkeit[282] von andern Kommunen geraten will. Übrigens möge der Leser fortwährend im Gedächtnis halten, daß wir hier keineswegs Zukunftskonstruktion machen. Wir nehmen einfach die Voraussetzungen des Herrn Dühring an und ziehen nur die unvermeidlichen Folgerungen daraus.

Also weder im Austausch zwischen der Wirtschaftskommune und ihren Mitgliedern noch in dem zwischen den verschiednen Kommunen kann das Gold, das »von Natur Geld ist«, dahin kommen, diese seine Natur zu verwirklichen. Trotzdem schreibt ihm Herr Dühring vor, auch in der »Sozialität« Geldfunk tion zu vollziehn. Wir müssen uns also nach einem andern Spielraum für diese Geldfunktion umsehn. Und dieser Spielraum existiert. Herr Dühring befähigt zwar jeden zur »quantitativ gleichen Konsumtion«, aber er kann niemanden dazu zwingen. Im Gegenteil, er ist stolz darauf, daß in seiner Welt jeder mit seinem Gelde machen kann, was er will. Er kann also nicht verhindern, daß die einen sich einen kleinen Goldschatz zurücklegen, während die andern mit dem ihnen gezahlten Lohn nicht auskommen. Er macht dies sogar unvermeidlich. Indem er das Gemeineigentum der Familie im Erbrecht ausdrücklich anerkennt, woraus sich dann weiter die Verpflichtung der Eltern zur Erhaltung der Kinder ergibt. Damit aber bekommt die quantitativ gleiche Konsumtion einen gewaltigen Riß. Der Junggesell lebt herrlich und in Freuden von seinen acht oder zwölf Mark täglich, während der Witwer mit acht unmündigen Kindern damit kümmerlich auskommt. Andrerseits aber läßt die Kommune, indem sie Geld ohne weiteres in Zahlung nimmt, die Möglichkeit offen, daß dies Geld anders als durch eigne Arbeit erworben sei. Non olet. Sie weiß nicht, woher es kommt. Hiermit sind aber alle Bedingungen gegeben, um das Metallgeld, das bisher nur die Rolle einer Arbeitsmarke spielte, in wirkliche Geldfunktion treten zu lassen. Es liegen vor die Gelegenheit und das Motiv, einerseits zur Schatzbildung, andrerseits zur Verschuldung. Der Bedürftige borgt beim Schatzbildner. Das geborgte Geld, von der Kommune in Zahlung genommen für Lebensmittel, wird damit wieder, was es in der heutigen Gesellschaft ist, gesellschaftliche Inkarnation der menschlichen Arbeit, wirkliches Maß der Arbeit, allgemeines Zirkulationsmittel. Alle »Gesetze und Verwaltungsnormen« der Welt sind ebenso ohnmächtig dagegen, wie gegen das Einmaleins oder gegen die chemische Zusammensetzung des Wassers. Und da der Schatzbildner in der Lage ist, vom Bedürftigen Zinsen zu erzwingen, so ist mit dem als Geld fungierenden Metallgeld auch der Zinswucher wiederhergestellt.[283]

Soweit haben wir nur die Wirkungen der Beibehaltung des Metallgeldes betrachtet innerhalb des Geltungsbereichs der Dühringschen Wirtschaftskommune. Aber jenseits dieses Bereichs geht die übrige verworfne Welt einstweilen ihren alten Gang ruhig weiter. Gold und Silber bleiben, auf dem Weltmarkt, Weltgeld, allgemeines Kauf- und Zahlungsmittel, absolut gesellschaftliche Verkörperung des Reichtums. Und mit dieser Eigenschaft des edlen Metalls tritt vor die einzelnen Wirtschaftskommunisten ein neues Motiv zur Schatzbildung, zur Bereicherung, zum Wucher, das Motiv, sich gegenüber der Kommune und jenseits ihrer Grenzen frei und unabhängig zu bewegen und den aufgehäuften Einzelreichtum auf dem Weltmarkt zu verwerten. Die Wucherer verwandeln sich in Händler mit dem Zirkulationsmittel, in Bankiers, in Beherrscher des Zirkulationsmittels und des Weltgelds, damit in Beherrscher der Produktion und damit in Beherrscher der Produktionsmittel, mögen diese auch noch jahrelang dem Namen nach als Eigentum der Wirtschafts- und Handelskommune figurieren. Damit sind aber die in Bankiers übergegangnen Schatzbildner und Wucherer auch die Herren der Wirtschafts- und Handelskommune selbst. Die »Sozialität« des Herrn Dühring unterscheidet sich in der Tat sehr wesentlich von den »Nebelhaftigkeiten« der übrigen Sozialisten. Sie hat weiter keinen Zweck als die Wiedererzeugung der hohen Finanz, unter deren Kontrolle und für deren Säckel sie sich tapfer abarbeiten wird – wenn sie überhaupt zusammenkommt und zusammenhält. Die einzige Rettung für sie läge darin, daß die Schatzbildner vorzögen, vermittelst ihres Weltgeldes eiligst aus der Kommune – davonzulaufen.

Bei der in Deutschland herrschenden ausgedehnten Unbekanntschaft mit dem älteren Sozialismus könnte nun ein unschuldiger Jüngling die Frage aufwerfen, ob nicht auch z.B. die Owenschen Arbeitsmarken zu einem ähnlichen Mißbrauch Anlaß geben könnten. Obwohl wir hier nicht die Bedeutung dieser Arbeitsmarken zu entwickeln haben, so mag doch zur Vergleichung des Dühringschen »umfassenden Schematismus« mit den »rohen, matten und dürftigen Ideen« Owens folgendes Platz finden: Erstens wäre zu einem solchen Mißbrauch der Owenschen Arbeitsmarken ihre Verwandlung in wirkliches Geld nötig, während Herr Dühring wirkliches Geld voraussetzt, ihm aber verbieten will, anders als bloße Arbeitsmarke zu fungieren. Während dort wirklicher Mißbrauch stattfände, setzt sich hier die immanente, vom menschlichen Willen unabhängige Natur des Geldes durch, setzt das Geld seinen ihm eigentümlichen, richtigen Gebrauch durch gegenüber dem Mißbrauch, den Herr Dühring ihm aufzwingen will kraft seiner eignen Unwissenheit über die Natur des Geldes. Zweitens sind bei Owen[284] die Arbeitsmarken nur eine Übergangsform zur vollständigen Gemeinschaft und freien Benutzung der gesellschaftlichen Ressourcen, nebenbei höchstens noch ein Mittel, dem britischen Publikum den Kommunismus plausibel zu machen. Wenn also etwelcher Mißbrauch die Owensche Gesellschaft zur Abschaffung der Arbeitsmarken zwingen sollte, so tut diese Gesellschaft einen Schritt weiter voran zu ihrem Ziel und tritt in eine vollkommnere Entwicklungsstufe ein. Schafft dagegen die Dühringsche Wirtschaftskommune das Geld ab, so vernichtet sie mit einem Schlage ihre »menschheitsgeschichtliche Tragweite«, so beseitigt sie ihre eigentümlichste Schönheit, hört auf, Dühringsche Wirtschaftskommune zu sein und sinkt herab zu den Nebelhaftigkeiten, aus denen sie herauszuheben Herr Dühring soviel saure Arbeit der rationellen Phantasie aufgewandt hat.14

Woraus entstehn nun alle die sonderbaren Irrungen und Wirrungen, in denen die Dühringsche Wirtschaftskommune herumfährt? Einfach aus der Nebelhaftigkeit, die im Kopf des Herrn Dühring die Begriffe von Wert und Geld umhüllt, und die ihn schließlich dahin treibt, den Wert der Arbeit entdecken zu wollen. Da aber Herr Dühring keineswegs das Monopol solcher Nebelhaftigkeit für Deutschland besitzt. Im Gegenteil zahlreiche Konkurrenz findet, so wollen wir »uns einen Augenblick überwinden, das Knäuel aufzulösen«, das er hier angerichtet hat.

Der einzige Wert, den die Ökonomie kennt. Ist der Wert von Waren. Was sind Waren? Produkte, erzeugt in einer Gesellschaft mehr oder weniger vereinzelter Privatproduzenten, also zunächst Privatprodukte. Aber diese Privatprodukte werden erst Waren, sobald sie nicht für den Selbstverbrauch, sondern für den Verbrauch durch andre, also für den gesellschaftlichen Verbrauch produziert werden; sie treten ein in den gesellschaftlichen Verbrauch durch den Austausch. Die Privatproduzenten stehn also in einem gesellschaftlichen Zusammenhang, bilden eine Gesellschaft. Ihre Produkte, obwohl Privatprodukte jedes einzelnen, sind daher gleichzeitig, aber unabsichtlich und gleichsam widerwillig, auch gesellschaftliche Produkte. Worin besteht nun der gesellschaftliche Charakter dieser Privatprodukte? Offenbar in zwei Eigenschaften: erstens darin, daß sie alle irgendein menschliches Bedürfnis befriedigen, einen Gebrauchswert haben nicht nur für den[285] Produzenten, sondern auch für andre; und zweitens darin, daß sie, obwohl Produkte der verschiedensten Privatarbeiten, gleichzeitig Produkte menschlicher Arbeit schlechthin, allgemein menschlicher Arbeit sind. Insofern sie auch für andre einen Gebrauchswert haben, können sie überhaupt in den Austausch treten; insofern in ihnen allen allgemein menschliche Arbeit, einfache Aufwendung menschlicher Arbeitskraft steckt, können sie nach der in einer jeden steckenden Menge dieser Arbeit miteinander im Austausch verglichen, gleich oder ungleich gesetzt werden. In zwei gleichen Privatprodukten kann, unter gleichbleibenden gesellschaftlichen Verhältnissen, ungleich viel Privatarbeit stecken, aber immer nur gleich viel allgemein menschliche Arbeit. Ein ungeschickter Schmied kann in derselben Zeit fünf Hufeisen machen, in der ein geschickter zehn macht. Aber die Gesellschaft verwertet nicht das zufällige Ungeschick des einen, sie erkennt als allgemein menschliche Arbeit nur Arbeit von jedesmal normalem Durchschnittsgeschick an. Eins der fünf Hufeisen des ersten hat im Austausch also nicht mehr Wert als eins der in gleicher Arbeitszeit geschmiedeten zehn des andern. Nur insofern sie gesellschaftlich notwendig, enthält die Privatarbeit allgemein menschliche Arbeit.

Indem ich also sage, eine Ware hat diesen bestimmten Wert, sage ich 1. daß sie ein gesellschaftlich nützliches Produkt ist; 2. daß sie von einer Privatperson für Privatrechnung produziert ist; 3. daß sie, obwohl Produkt von Privatarbeit, dennoch gleichzeitig und gleichsam ohne es zu wissen oder zu wollen, auch Produkt von gesellschaftlicher Arbeit ist, und zwar von einer bestimmten, auf einem gesellschaftlichen Wege, durch den Austausch festgestellten Menge derselben; 4. drücke ich diese Menge nicht aus in Arbeit selbst, in soundso viel Arbeitsstunden, sondern in einer andern Ware. Wenn ich also sage, diese Uhr ist soviel wert wie dies Stück Tuch und jedes von beiden ist fünfzig Mark wert, so sage ich: in der Uhr, dem Tuch und dem Geld steckt gleich viel gesellschaftliche Arbeit. Ich konstatiere also, daß die in ihnen repräsentierte gesellschaftliche Arbeitszeit gesellschaftlich gemessen und gleichgefunden worden ist. Aber nicht direkt, absolut, wie man sonst Arbeitszeit mißt, in Arbeitsstunden oder Tagen usw., sondern auf einem Umweg, vermittelst des Austausches, relativ. Ich kann daher auch dieses festgestellte Quantum Arbeitszeit nicht in Arbeitsstunden ausdrücken, deren Zahl mir unbekannt bleibt, sondern ebenfalls nur auf einem Umweg, relativ, in einer andern Ware, die das gleiche Quantum gesellschaftlicher Arbeitszeit vorstellt. Die Uhr ist soviel wert wie das Stück Tuch.

Indem aber Warenproduktion und Warenaustausch die auf ihnen beruhende Gesellschaft zu diesem Umweg zwingen, zwingen sie ebenso zu[286] seiner möglichsten Verkürzung. Sie sondern aus dem gemeinen Warenpöbel eine fürstliche Ware aus, in der der Wert aller andern Waren ein für allemal ausdrückbar ist, eine Ware, die als unmittelbare Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit gilt und daher gegen alle Waren unmittelbar und unbedingt austauschbar wird – das Geld. Das Geld ist im Wertbegriff bereits im Keim enthalten, es ist nur der entwickelte Wert. Aber indem der Warenwert sich, gegenüber den Waren selbst, verselbständigt im Geld, tritt ein neuer Faktor ein in die Waren produzierende und austauschende Gesellschaft, ein Faktor mit neuen gesellschaftlichen Funktionen und Wirkungen. Wir haben dies vorderhand nur festzustellen, ohne näher darauf einzugehn.

Die Ökonomie der Warenproduktion ist keineswegs die einzige Wissenschaft, die nur mit relativ bekannten Faktoren zu rechnen hat. Auch in der Physik wissen wir nicht, wieviel einzelne Gasmoleküle in einem gegebnen Gasvolumen, Druck und Temperatur ebenfalls gegeben, vorhanden sind. Aber wir wissen, daß, soweit das Boylesche Gesetz richtig, ein solches gegebnes Volumen irgendwelches Gases ebensoviel Moleküle enthält, wie ein gleiches Volumen eines beliebigen andern Gases bei gleichem Druck und gleicher Temperatur. Wir können daher die verschiedensten Volumen der verschiedensten Gase, unter den verschiedensten Druck- und Temperaturbedingungen, auf ihren Molekulargehalt vergleichen; und wenn wir 1 Liter Gas bei 0° C und 760 mm Druck als Einheit annehmen, an dieser Einheit jenen Molekulargehalt messen. – In der Chemie sind uns die absoluten Atomgewichte der einzelnen Elemente ebenfalls unbekannt. Aber wir kennen sie relativ. Indem wir ihre gegenseitigen Verhältnisse kennen. Wie also die Warenproduktion und ihre Ökonomie für die in den einzelnen Waren steckenden. Ihr unbekannten Arbeitsquanta einen relativen Ausdruck erhält, Indem sie diese Waren auf ihren relativen Arbeitsgehalt vergleicht, so verschafft sich die Chemie einen relativen Ausdruck für die Größe der ihr unbekannten Atomgewichte, indem sie die einzelnen Elemente auf ihr Atomgewicht vergleicht, das Atomgewicht des einen in Vielfachen oder Bruchteilen des andern (Schwefel, Sauerstoff, Wasserstoff) ausdrückt. Und wie die Warenproduktion das Gold zur absoluten Ware, zum all gemeinen Äquivalent der übrigen Waren, zum Maß aller Werte erhebt, so erhebt die Chemie den Wasserstoff zur chemischen Geldware, Indem sie sein Atomgewicht = 1 setzt und die Atomgewichte aller übrigen Elemente auf Wasserstoff reduziert, in Vielfachen seines Atomgewichts ausdrückt.

Die Warenproduktion ist indes keineswegs die ausschließliche Form der gesellschaftlichen Produktion. In dem altindischen Gemeinwesen, in der südslawischen Familiengemeinde verwandeln sich die Produkte nicht in[287] Waren. Die Mitglieder der Gemeinde sind unmittelbar zur Produktion vergesellschaftet, die Arbeit wird nach Herkommen und Bedürfnis verteilt, die Produkte, soweit sie zur Konsumtion kommen, ebenfalls. Die unmittelbar gesellschaftliche Produktion wie die direkte Verteilung schließen allen Warenaustausch aus, also auch die Verwandlung der Produkte in Waren (wenigstens innerhalb der Gemeinde), und damit auch ihre Verwandlung in Werte.

Sobald die Gesellschaft sich in den Besitz der Produktionsmittel setzt und sie in unmittelbarer Vergesellschaftung zur Produktion verwendet, wird die Arbeit eines jeden, wie verschieden auch ihr spezifisch nützlicher Charakter sei, von vornherein und direkt gesellschaftliche Arbeit. Die in einem Produkt steckende Menge gesellschaftlicher Arbeit braucht dann nicht erst auf einem Umweg festgestellt zu werden; die tägliche Erfahrung zeigt direkt an, wieviel davon im Durchschnitt nötig ist. Die Gesellschaft kann einfach berechnen, wieviel Arbeitsstunden in einer Dampfmaschine, einem Hektoliter Weizen der letzten Ernte, in hundert Quadratmeter Tuch von bestimmter Qualität stecken. Es kann ihr also nicht einfallen, die in den Produkten niedergelegten Arbeitsquanta, die sie alsdann direkt und absolut kennt, noch fernerhin in einem nur relativen, schwankenden, unzulänglichen, früher als Notbehelf unvermeidlichen Maß, in einem dritten Produkt auszudrücken und nicht in ihrem natürlichen, adäquaten, absoluten Maß, der Zeit. Ebensowenig wie es der Chemie einfallen würde, die Atomgewichte auch dann auf dem Umwege des Wasserstoffatoms relativ auszudrücken, sobald sie imstande wäre, sie absolut, in ihrem adäquaten Maß auszudrücken, nämlich in wirklichem Gewicht, in Billiontel oder Quadrilliontel Gramm. Die Gesellschaft schreibt also unter obigen Voraussetzungen den Produkten auch keine Werte zu. Sie wird die einfache Tatsache, daß die hundert Quadratmeter Tuch meinetwegen tausend Arbeitsstunden zu ihrer Produktion erfordert haben, nicht in der schielenden und sinnlosen Weise ausdrücken, sie seien tausend Arbeitsstunden wert. Allerdings wird auch dann die Gesellschaft wissen müssen, wieviel Arbeit jeder Gebrauchsgegenstand zu seiner Herstellung bedarf. Sie wird den Produktions plan einzurichten haben nach den Produktionsmitteln, wozu besonders auch die Arbeitskräfte gehören. Die Nutzeffekte der verschiednen Gebrauchsgegenstände, abgewogen untereinander und gegenüber den zu ihrer Herstellung nötigen Arbeitsmengen, werden den Plan schließlich bestimmen. Die Leute machen alles sehr einfach ab ohne Dazwischenkunft des vielberühmten »Werts«.15[288]

Der Wertbegriff ist der allgemeinste und daher umfassendste Ausdruck der ökonomischen Bedingungen der Warenproduktion. Im Wertbegriff ist daher der Keim enthalten, nicht nur des Geldes, sondern auch aller weiter entwickelten Formen der Warenproduktion und des Warenaustausches. Darin, daß der Wert der Ausdruck der in den Privatprodukten enthaltnen gesellschaftlichen Arbeit ist, liegt schon die Möglichkeit der Differenz zwischen dieser und der im selben Produkt enthaltnen Privatarbeit. Produziert also ein Privatproduzent nach alter Weise weiter, während die gesellschaftliche Produktionsweise fortschreitet, so wird ihm diese Differenz empfindlich fühlbar. Dasselbe geschieht, sobald die Gesamtheit der Privatanfertiger einer bestimmten Warengattung ein den gesellschaftlichen Bedarf überschießendes Quantum davon produziert. Darin, daß der Wert einer Ware nur in einer andern Ware ausgedrückt und nur im Austausch gegen sie realisiert werden kann, liegt die Möglichkeit, daß der Austausch überhaupt nicht zustande kommt oder doch nicht den richtigen Wert realisiert. Endlich, tritt die spezifische Ware Arbeitskraft auf den Markt, so bestimmt sich ihr Wert, wie der jeder andern Ware, nach der zu ihrer Produktion gesellschaftlich nötigen Arbeitszeit. In der Wertform der Produkte steckt daher bereits im Keim die ganze kapitalistische Produktionsform, der Gegensatz von Kapitalisten und Lohnarbeitern, die industrielle Reservearmee, die Krisen. Die kapitalistische Produktionsform abschaffen wollen durch Herstellung des »wahren Werts«, heißt daher den Katholizismus abschaffen wollen durch die Herstellung des »wahren« Papstes oder eine Gesellschaft, in der die Produzenten endlich einmal ihr Produkt beherrschen, herstellen durch konsequente Durchführung einer ökonomischen Kategorie, die der umfassendste Ausdruck der Knechtung der Produzenten durch ihr eignes Produkt ist.

Hat die Waren produzierende Gesellschaft die den Waren, als solchen, inhärente Wertform weiterentwickelt zur Geldform, so brechen bereits verschiedne der im Wert noch verborgnen Keime an den Tag. Die nächste und wesentlichste Wirkung ist die Verallgemeinerung der Warenform. Auch den bisher für direkten Selbstverbrauch produzierten Gegenständen zwingt das Geld Warenform auf, reißt sie in den Austausch. Damit dringt die Warenform und das Geld ein in den innern Haushalt der zur Produktion unmittelbar vergesellschafteten Gemeinwesen, bricht ein Band der[289] Gemeinschaft nach dem andern und löst das Gemeinwesen auf in einen Haufen von Privatproduzenten. Das Geld setzt zuerst, wie in Indien zu sehn, an die Stelle der gemeinsamen Bodenbebauung die Einzelkultur; später löst es das noch in zeitweilig wiederholter Umteilung zutage tretende gemeinsame Eigentum am Ackerland auf durch endgültige Aufteilung (z.B. in den Gehöferschaften an der Mosel, beginnend auch in der russischen Gemeinde); endlich drängt es zur Verteilung des noch übrigen gemeinsamen Wald- und Weidebesitzes. Welche andern, in der Entwicklung der Produktion begründeten Ursachen auch hier mitarbeiten, das Geld bleibt immer das mächtigste Mittel ihrer Einwirkung auf die Gemeinwesen. Und mit derselben Naturnotwendigkeit müßte das Geld, allen »Gesetzen und Verwaltungsnormen« zum Trotz, die Dühringsche Wirtschaftskommune auflösen, käme sie je zustande.

Wir haben bereits oben (Ökonomie, VI) gesehn, daß es ein Widerspruch in sich selbst ist, von einem Wert der Arbeit zu sprechen. Da Arbeit unter gewissen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht nur Produkte erzeugt, sondern auch Wert, und dieser Wert durch die Arbeit gemessen wird, so kann sie ebensowenig einen besondern Wert haben wie die Schwere als solche ein besondres Gewicht oder die Wärme eine besondre Temperatur. Es ist aber die charakteristische Eigenschaft aller über den »wahren Wert« grübelnden Sozialkonfusion, sich einzubilden, der Arbeiter erhalte in der heutigen Gesellschaft nicht den vollen »Wert« seiner Arbeit und der Sozialismus sei berufen, dem abzuhelfen. Dazu gehört dann zunächst, auszufinden, was der Wert der Arbeit ist; und diesen findet man, indem man versucht, die Arbeit nicht an ihrem adäquaten Maß, der Zeit, zu messen, sondern an ihrem Produkt. Der Arbeiter soll den »vollen Arbeitsertrag« erhalten. Nicht nur Arbeitsprodukt, sondern Arbeit selbst soll unmittelbar austauschbar sein gegen Produkt, eine Arbeitsstunde gegen das Produkt einer andren Arbeitsstunde. Dies hat aber sofort einen sehr »bedenklichen« Haken. Das ganze Produkt wird verteilt. Die wichtigste progressive Funktion der Gesellschaft, die Akkumulation, wird der Gesellschaft entzogen und in die Hände und die Willkür der einzelnen gelegt. Die einzelnen mögen mit ihren »Erträgen« machen, was sie wollen, die Gesellschaft bleibt im besten Fall so reich oder so arm, wie sie war. Man hat also die in der Vergangenheit akkumulierten Produktionsmittel nur deshalb in den Händen der Gesellschaft zentralisiert, damit alle in Zukunft akkumulierten Produktionsmittel wieder in den Händen der einzelnen zersplittert werden. Man schlägt seinen eignen Voraussetzungen ins Gesicht, man ist angekommen bei einer puren Absurdität.[290]

Flüssige Arbeit, tätige Arbeitskraft soll ausgetauscht werden gegen Arbeitsprodukt. Dann ist sie Ware, ebenso wie das Produkt, wogegen sie ausgetauscht werden soll. Dann wird der Wert dieser Arbeitskraft bestimmt keineswegs nach ihrem Produkt, sondern nach der in ihr verkörperten gesellschaftlichen Arbeit, also nach dem heutigen Gesetz des Arbeitslohns.

Aber das soll ja grade nicht sein. Die flüssige Arbeit, die Arbeitskraft soll austauschbar sein gegen ihr volles Produkt. Das heißt, sie soll austauschbar sein nicht gegen ihren Wert, sondern gegen ihren Gebrauchswert; das Wertgesetz soll für alle andern Waren gelten, aber es soll aufgehoben sein für die Arbeitskraft. Und diese sich selbst aufhebende Konfusion ist es, die sich hinter dem »Wert der Arbeit« verbirgt.

Der »Austausch von Arbeit gegen Arbeit nach dem Grundsatz der gleichen Schätzung«, soweit er einen Sinn hat, also die Austauschbarkeit von Produkten gleicher gesellschaftlichen Arbeit gegeneinander, also das Wertgesetz, ist das Grundgesetz grade der Warenproduktion, also auch der höchsten Form derselben, der kapitalistischen Produktion. Es setzt sich in der heutigen Gesellschaft durch in derselben Weise, in der allein ökonomische Gesetze in einer Gesellschaft von Privatproduzenten sich durchsetzen können: als in den Dingen und Verhältnissen liegendes, vom Wollen oder Laufen der Produzenten unabhängiges, blind wirkendes Naturgesetz. Indem Herr Dühring dies Gesetz zum Grundgesetz seiner Wirtschaftskommune erhebt und verlangt, daß diese es mit vollem Bewußtsein durchführen soll, macht er das Grundgesetz der bestehenden Gesellschaft zum Grundgesetz seiner Phantasiegesellschaft. Er will die bestehende Gesellschaft, aber ohne ihre Mißstände. Er bewegt sich dabei ganz auf demselben Boden wie Proudhon. Wie dieser will er die Mißstände, die aus der Entwicklung der Warenproduktion zur kapitalistischen Produktion entstanden sind, beseitigen, indem er ihnen gegenüber das Grundgesetz der Warenproduktion geltend macht, dessen Betätigung grade diese Mißstände erzeugt hat. Wie Proudhon will er die wirklichen Konsequenzen des Wertgesetzes aufheben durch phantastische.

Wie stolz er aber auch hinausreite, unser moderner Don Quijote, auf seiner edlen Rosinante, dem »universellen Prinzip der Gerechtigkeit«, und gefolgt von seinem wackern Sancho Pansa Abraham Enß, auf der Irrenden Ritterfahrt zur Eroberung des Helms des Mambrin, des »Werts der Arbeit« – wir fürchten, wir fürchten, er bringt nichts heim, als das alte bekannte Barbierbecken.[291]

13

Trucksystem nennt man in England das auch in Deutschland wohlbekannte System, wobei die Fabrikanten selbst Läden halten und ihre Arbeiter nötigen, sich bei ihnen mit Waren zu versehn.

14

Beiläufig ist die Rolle, die die Arbeitsmarken in der Owenschen kommunistischen Gesellschaft spielen, dem Herrn Dühring gänzlich unbekannt. Er kennt diese Marken – aus Sargant – nur, soweit sie in den, natürlich fehlgeschlagnen, Labour Exchange Bazaars figurieren, Versuchen, vermittelst direkten Arbeitsaustausches aus der bestehenden in die kommunistische Gesellschaft überzuführen.

15

Daß obige Abwägung von Nutzeffekt und Arbeitsaufwand bei der Entscheidung über die Produktion alles ist, was in einer kommunistischen Gesellschaft vom Wertbegriff der politischen Ökonomie übrigbleibt, habe ich schon 1844 ausgesprochen. (»Deutsch-Französische Jahrbücher«, Seite 95.) Die wissenschaftliche Begründung dieses Satzes ist aber, wie man sieht, erst durch Marx' »Kapital« möglich geworden.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 20, S. 278-292.
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Große Erzählungen der Frühromantik

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1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

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