§ 80. Der wahre Sinn der Malebrancheschen Philosophie

[274] Um den wahren Sinn, die eigentliche Idee der Malebrancheschen Philosophie, deren interessantester und wesentlichster Gedanke ist, daß wir alle Dinge nur in und durch Gott erkennen oder alle Dinge nur in ihm Objekte unsrer Anschauung und Erkenntnis werden können und sind, muß man nicht bloß den Gegensatz zwischen Geist und Körper im Auge haben, welchen die Philosophie des Cartesius fixierte und wovon M. ausging, sondern, wie schon in der Einleitung angeführt wurde, hauptsächlich bedenken, daß dieser die Seele oder den Geist als ein besonderes Wesen faßte – eine Auffassung, die übrigens nichts weiter als eine nähere Bestimmung jenes Gegensatzes ist, denn entgegengesetzte Wesen sind eben besondere –, daß also bei ihm, da die Besonderheit wesentlich Vielheit und Einzelheit in sich schließt, die Anschauung des Geistes als lauter Geister, als einer Vielheit von Geistern, d. i. eben als eines einzelnen Wesens – denn mit einem einzelnen sind zugleich viele einzelne gesetzt – zugrunde liegt. M. ging von der Theologie in die Philosophie über, aber er wird von ihr nicht frei; es bleiben die Vorstellungen der Theologie, wenn er sie gleich größtenteils nur anwendet, um sie aufzuheben, dennoch wenigstens die äußere Grundlage seiner Gedanken. In der Theologie ist nämlich der Geist nur als lauter einzelne Geister, d. i. als Personen, Gegenstand, und der Geist, die Einheit des Geistes oder der vielen Geister kommt nur zum Vorschein als ein Geist, der selbst wieder ein besonderer Geist ist, zugleich aber nicht wie die andern einer unter den vielen, sondern einzig ist, keinen seinesgleichen hat, als der vollkommene Geist über den andern als ihre Einheit insofern steht, inwiefern sie vor ihm elle gleich sind. Wenn daher M., der von der Theologie ausgeht, vom Geiste, von der Seele spricht, so versteht er darunter nichts als die sogenannten [274] erschaffenen Geister, die vielen einzelnen Seelen, die Personen, die Menschen. M. sagt daher auch gleichbedeutend bald »esprit«, bald »esprits eréés«, bald wieder »les esprits«, bald »les hommes«.

M. versteht unter dem Geiste, der Seele nichts andres eben als das Ich, das unmittelbar nur mit sich identische, unmitteilbare, einfache, einzelne Selbst des Menschen, das als einzelnes Selbst nur im Gefühle sich Objekt ist und erkennt, nur soviel von sich weiß, als es erlebt, erfährt. Die Seele, sagt M., erkennt sich nicht durch die Ideen, sondern nur durch das Selbstgefühl, durch die Erfahrung des innern Gefühls. »Je sens mes perceptions (d. i. nicht die Ideen, die allgemein oder objektiv sind, sondern die Affektionen derselben in mir, sie, wie sie als allgemeine, zugleich meine, in mir sind, oder die Vorstellung, die Gefühle in mir von den Ideen) sans les connoître, parce que n'ayant une idée claire de mon ame je ne puis découvrir que par le sentiment intérieur les modifications, dont je suis capable.« (»Reponse à Mr. Regis«) »Lorsque nous voyons les choses en nous,... nous ne voyons que nos sentimens et non pas les choses.« (»Rech. de la V.«, Liv. IV, ch. 11, 1) Unter den Dingen, die in der Seele sind, oder unter den Modifikationen oder Bestimmungen der Seele versteht daher M. auch hauptsächlich135 nur die selbstischen Bestimmungen der Seele, die Empfindungen, die Gefühle z.B. des Schmerzes, Vergnügens, selbst die sinnlichen Empfindungen wie Wärme, Farbe, die von der Cartesischen Schule bloß für Bestimmungen der Seele gehalten wurden, ob er gleich auch unter die Modifikationen, unter denen er die sensations, die passions und inclinations aufführt, auch die pures intellections rechnet.136Aber[275] unter diesen pures intellections können nichts verstanden werden als die Vorstellungen überhaupt oder die reinen Begriffe nur insofern, als sie nicht in der Beziehung auf ein Objekt, sondern nur auf das Selbst gedacht werden, etwas Subjektives ausdrücken, das Selbstgefühl des Individuums affizieren.

Aus dieser Auffassung des Geistes, welcher nichts andres zugrunde liegt als die Vorstellung vom Men schen, inwiefern er sich von der Außenwelt und von andern unterscheidet sein innres eignes Selbst erfaßt und dieses Selbst seine Seele, seinen Geist nennt, ergibt sich nun mit Notwendigkeit der Gedanke, daß wir alle Dinge in Gott sehen, und erhellt zugleich, was denn eigentlich der Sinn desselben ist. Denn was das Wesen des einzelnen Geistes als einzelnen ausmacht, was den Menschen zum Menschen als Individuum macht, ist eben sein unmittelbares, innres Selbstbewußtsein oder Selbstgefühl, sein Ich oder Selbst, das Prinzip seiner Gefühle, Leidenschaften, Neigungen und übrigen Modifkationen.137 Nun hat aber – eine unbezweifelbare Tatsache – der Mensch allgemeine und notwendige Ideen, die für alle gelten, in denen alle übereinstimmen; er hat zum Gegenstand[276] ideale Objekte, die alle auf die nämliche Weise ansehen und ansehen müssen. Das Gefühl gehört ihm an, das ist in ihm, das ist sein; aber das ideale Objekt, das ist mehr als er, das ist nicht Bein von seinem Bein, Fleisch von seinem Fleisch, das ist nicht sein, das ist allgemein, nicht in ihm, inwiefern er nur ein Einzelnes, ein Besonderes ist – denn in ihm als einzelnen können nur einzelne Ideen, die aber darum keine Ideen mehr sind, sondern Gefühle, Affektionen, kann nur Subjektives sein –, das ist also nur in dem, was allgemein ist, gehört nur dem an, was selbst nicht dieses oder jenes, sondern allgemeines Wesen ist. Dieses ist aber Gott; die Ideen sind also allgemeinen Wesens, nicht menschlichen, besondern Wesens, sie sind in Gott, aber eben weil Gott das allgemeine Wesen ist, sind sie zugleich auch die Ideen des Menschen, das Gott- und Menschgemeine. »Nous ne les (créatures) voyons qu'en lui (Dieu), que par lui, que comme lui, je veux dire, que dans les mêmes idées que lui. De sorte que nous penserons comme lui. Nous aurons par les mêmes idées quelque société avec lui.« (»Réponse à Mr. Regis«) Sind aber die Ideen in Gott, so schauen wir an und erkennen die Dinge nur in Gott; denn wir erkennen sie nur durch die Ideen.

Die Haupt- und Grundidee aber, in der wir alle Dinge anschauen, ist die Ausdehnung; denn alle Dinge außer uns, d. i. alle Körper, sind ausgedehnt, und diese Idee ist nicht etwa abgezogen von der Wahrnehmung der besondern, ausgedehnten Dinge oder aus einer konfusen Zusammenfassung derselben in eine Idee gebildet. Im Gegenteil, daß ich etwas, was ein Körper ist, sehe, daß ich es als Körper, als Ausgedehntes wahrnehme, dazu ist die Idee der Ausdehnung vorausgesetzt. Sehen heißt eben nichts andres, als ein Ausgedehntes als Ausgedehntes wahrnehmen, und selbst dem sinnlichen Wahrnehmen des Sehens ist daher die Idee der Ausdehnung vorausgesetzt; ich kann die Dinge nur im Raume, d. i. in der Ausdehnung, sehen, sie sind mir nur in ihr und durch sie Objekt; der Raum, die Ausdehnung oder ihre Idee ist daher eher in mir als die Idee der bestimmten ausgedehnten Dinge. Alle besondere Dinge kann ich deswegen[277] nur anschauen, erkennen und denken in der allgemeinen und unendlichen Idee der Ausdehnung. »Tous les corps sont présens à l'ame, confusément et en général, parce qu'ils sont renfermés dans l'idée de l'étendue.« (»Rep. ä Mr. Regis«) Diese Idee nun oder Anschauung der Ausdehnung und aller Dinge in ihr ist aber eine notwendige, allen Geistern gemeine, in allen sich selbst gleiche, ewige Anschauung, also eine Anschauung notwendiger und allgemeiner Natur, folglich die Anschauung Gottes selbst. »Cette idée est éternelle, immuable, nécessaire, commune à tous les esprits et à Dieu même: ainsi elle est bien différente des modalités changeantes et particulières de notre esprit.« (l. c. ) Um diese Idee nicht mißzuverstehen, muß man sich nur nicht vorstellen, als hätten wir auch die sinnlichen Vorstellungen oder Empfindungen von den Dingen in Gott, als sähe ich z.B. diesen Baum von dieser besondern Höhe, dieser besondern Farbe in Gott. Nicht dieses sinnlich bestimmte Sehen, das einfache Sehen nur in diesem bestimmten Sehen, das allgemeine und notwendige Sehen, nämlich, daß ich den Baum als Ausgedehntes ansehen muß, ihn als diesen Baum mit seiner besondern Gestalt und Farbe nur sehen kann, wiefern, wenn und indem ich ihn als Ausgedehntes schaue, ist das Sehen in Gott. Die sinnlichen Qualitäten oder die Empfindungen sind nur in mir, in mir, dem besondern, dem bestimmten Wesen, dem Empfindenden, wird die allgemeine, aller möglichen Formen und Bestimmungen fähige Ausdehnung auf Veranlassung der äußern Körper, wenn ich sie sehe, eine besondere, wird sie bestimmt, empfindbar. »Il faut bien prendre garde que je ne dis pas, que nous en ayons en Dieu les sentimens, mais seulement que c'est Dieu qui agit en nous; car Dieu connoît bien les choses sensibles, mais il ne les sent pas. Lorsque nous appercevons quelque chose de sensible, il se trouve dans notre perception sentiment et idée pure. Le sentiment est une modification de notre ame. Pour l'idée qui se trouve jointe avec le sentiment, elle est en Dieu.«[278] (»Rech. de la V.«, Liv. III, P. II, ch. 6)

Der Sinn des Malebrancheschen Grund- und Hauptsatzes, daß wir alle Dinge nur in Gott sehen, laßt sich einfach so veranschaulichen: Die Seele ist ein besonderes, bestimmtes Wesen, ebenso wie die Materie und alle materiellen Dinge solche bestimmte besondere Wesen sind, d. i., die Seele oder der Mensch ist ein dunkles, unklares, finstres Wesen ebenso wie die materiellen Dinge; denn die Besonderheit, die bestimmte Beschaffenheit verdunkelt, macht trüb und finster; das reine Wasser z.B. ist wohl hell, durchsichtig, aber ein Wasser mit besondern Ingredienzen und Beschaffenheiten ist trüb. Die Seele kann daher unmöglich in sich oder durch sich die Dinge erkennen und sehen; denn zum Erkennen und Sehen ist Licht erforderlich, sie kann als ein besonderes Wesen ebensowenig in sich und durch sich die Dinge erkennen, als wir durch ein besonderes, bestimmtes Licht die Farbe der Dinge wahrnehmen können, da die Anschauung der Farben die Anschauung des Lichts voraussetzt, nur in ihr möglich ist. Gott ist daher nur das Licht der Menschen; denn er ist kein besonderes, sondern ein allgemeines, beschaffenheitsloses Wesen; er ist allein das reine, das klare, durch keine Bestimmtheit getrübte Wesen; wir können daher nur in ihm die Anschauung der Dinge haben, wie wir nur im Lichte die Farben oder farbigen Dinge sehen. »Les idées que nous voyons en lui sont lumineuses.« (»Rep. ä Mr. Regis«)

Der wahre Sinn des Malebrancheschen Hauptsatzes ist also kein andrer als der: Gott ist die Vernunft oder der Geist in uns, oder: Der Geist, die Vernunft in uns ist Gott.138 »Elle[279] (scl. la substance de Dieu) est la lumière ou la raison universelle des esprits.« (l. c. ) Da M. den Geist nur im Sinn des einzelnen Geistes erfaßt, ihn für eins mit dem Menschen nimmt, der seine eigentliche individuelle Existenz nur in seinem moralischen und empfindenden Selbst, im Gefühl, Herz u. dgl. hat, kurz, so, wie er Objekt der Theologie und der empirischen Psychologie überhaupt ist, so war es ganz richtig und konsequent von ihm, so war er darin und nur darin allein Philosoph, daß er die allgemeinen Begriffe, die allgemeinen und notwendigen Ideen, die als diese dem einzelnen Geiste nicht angehören, nicht in ihm, nicht aus ihm sein können, in Gott setzte, ihn nur durch Gott die Dinge sehen und erkennen ließ.139 Der große Mangel an M. aber ist eben der, daß er von jener[280] Vorstellung des Geistes und allen mit ihr zusammenhängenden Folgen ausgeht und so überhaupt nicht frei wird von der Theologie. Aus dieser Verschmelzung der theologischen, besonders Augustinischen Vorstellungen mit seiner Philosophie ergeben sich alle Schwächen, Unbegreiflichkeiten, Willkürlichkeiten, Unklarheiten und Widersprüche in derselben. Daher kommen die vielen unpassenden Ausdrücke und Vorstellungen, die sich in ihm finden, daher, daß er von der Gnade, vom Willen, von der Macht Gottes ableitet, was er aus innrer Notwendigkeit, von bestimmten, Erkenntnis gewährenden Begriffen ableiten sollte. So bemerkt schon Locke (»Examen du sentiment du P. Malebranche etc.«, Œuvres diverses, Tom. II, p. 184, 169), der ihn übrigens, so recht er in vielen einzelnen Punkten hat, doch in den wesentlichen Punkten (man vergleiche z.B. p. 161, 176, 180, 190) unrichtig versteht, ohne auf die eigentliche Idee einzugehen, den Widerspruch, daß er die Anschauung und Erkenntnis der Dinge erst von der Einheit des Geistes mit Gott und dann doch gleich wieder von der Gnade, dem Willen Gottes abhängig macht, Gott dem Geiste nur das offenbaren läßt, was ihm gefällt. (»R. d. l. Vér.«, Liv. III, P. II, ch. 6) Der Hauptmangel aber, der aus jener Verschmelzung theologischer Vorstellungen und philosophischen Denkens hervorgeht, ist folgender. Gott ist zwar als das allgemeine Wesen bestimmt, es sind alle Wesen, auch die materiellen, in ihm enthalten und aufgehoben; die Materie ist daher insofern keine unüberwundene Realität für Gott, kein Gegensatz gegen ihn, und der Geist kann daher auch in ihm, weil in ihm der Gegensatz aufgehoben, die Materie ideell gesetzt ist, die Dinge schauen und erkennen. Aber die Trennung oder Kluft vielmehr zwischen der geistigen, intelligiblen und der materiellen, sinnlichen Welt bleibt doch zugleich in Wahrheit befestigt. Die Materie wird nicht auf eine wahrhafte und positive Weise aufgehoben, d. i., nicht in ihrer Notwendigkeit begriffen. Denn Gott, das allgemeine, das unendliche, das absolut reelle Wesen ist als das höchst geistige, höchst immaterielle, d. i. als das von aller Materie abgesonderte Wesen bestimmt und in diese Immaterialität gerade seine wesentliche Bestimmung gesetzt; die Materie und mit ihr die Natur ist daher zwar als ein Ungöttliches, als ein Nichtiges, Unreelles gesetzt, weil es[281] als ein von Gott Ausgeschiedenes bestimmt ist; aber ein solches Negatives, das nur ein Ausgeschiedenes, ein Verstoßenes, nur als ein Nichtiges gefaßt ist, bleibt eben gerade dadurch als ein eignes, isoliertes, zwar kopfhängerisches, aber nichtsdestoweniger heimtückisches und arglistiges Wesen im Dunkeln für sich bestehen.

Gott enthält zwar auch nach M. die Natur oder Materie, die körperlichen Dinge in sich, aber er enthält sie nur als immaterielle Dinge, als Ideen, in der Abstreifung von allem Materiellen; die materiellen Dinge bleiben ein von Gott Ausgeschiedenes, die Ideen ein von ihnen Abgetrenntes. Es ist daher insofern auch nicht einzusehen, wie der Geist in Gott die materiellen Dinge schauen könne, und es bleibt unentschieden, ob der Geist die Dinge wirklich, die materiellen Dinge als materielle oder nur die Ideen derselben wahrnimmt. M. sagt daher auch bald, daß der Geist die Dinge selbst sieht, bald, daß er nur die idealen Objekte, die Ideen der Dinge sieht.140Zugegeben selbst, daß, wie M. sagt, man erst die Dinge in ihrer Wahrheit, so, wie sie wirklich sind, in Gott sieht141, daß man also, wenn man gleich nur die idealen Objekte sieht, deswegen doch nicht etwa »Scheindinge« sieht, so bleibt doch die Wahrnehmung des Materiellen als Materiellen, die Wahrnehmung überhaupt einer Materie ein Unbegreifliches. Die materiellen Dinge als materiell, die Materie oder die Natur bleibt deswegen auch ein fremdes, im Organismus des Ganzen nicht notwendig enthaltenes, unheimliches, unbegreifliches Wesen, ihr Dasein ein unauflösliches Rätsel: »Sie hat keinen andern Grund als die Macht und den Willen Gottes«, d.h., sie hat keinen Grund, sie ist kein Notwendiges, sondern ein absolut Zufälliges und Willkürliches. »La création de le matière (est) arbitraire, et dépendante de la Volonté du Créateur. Si nos idées sont représentatives, ce n'est que parce qu'il a[282] plû à Dieu de créer des êtres qui leur répondissent. Quoique Dieu n'eût point créé de corps, les esprits seroient capables d'en avoir les idées.« (»Rép. à Mr. Regis«)[283]

135

Man vergleiche z.B. Éclaircissement sur la »R. de la Vérite«, XI. Éclairc, sur le III. liv.

136

Man vergl. z.B. l. c., XI. Écl.

137

Unendlich ist die Konfusion in diesem Paragraphen, an dem ich daher auch soviel als möglich gestrichen habe. Sie liegt aber keineswegs nur in den Worten »Ich«, »Selbst«, »einzelner Geist«, »Mensch«, »Individuum«; sie liegt in der Sache, im Wesen der Abstraktion, der Philosophie, welche die Tätigkeit des Denkens vom Menschen absondert und zu einem selbständigen Wesen macht, dem sich aber doch stets unwillkürlich wieder das sinnliche Bild des Menschen unterschiebt. Ich denke, ich bin. Wer ist denn aber das Ich in diesem Cogito? Ist es ganz und gar in diesem Denken enthalten? Nein, nur das Ich, »inwiefern« es ein denkendes Wesen ist! Also haben wir noch ein andres Ich, ein Ich, das kein denkendes, sondern ausgedehntes, sinnliches Ich oder Wesen ist. Warum spaltest du mich aber in zwei Wesen? Warum soll denn nicht Ich, dieses sinnliche, ausgedehnte Wesen, auch das denkende sein? Weil »Ich jeder«, Ich universal, aber die res extensa eine res singularis ist? Ist denn aber nicht jeder auch dieser, Ausgedehnter? Stimmst du denn nicht deswegen im Denken mit andern Menschen überein, weil du im Leibe mit ihnen übereinstimmst? Könntest du mit einem Philosophen fraternisieren, wenn er dir zum Zeichen seiner Freundschaft statt der menschlichen Hand eine Katzenpfote oder Bärentatze reichte?

138

Eine Wahrheit, die schon die Griechen erkannt und ausgesprochen hatten. »Ho Empedoklês tô en heautô Deô (worunter nichts andres als der Geist oder die Vernunft verstanden werden kann) ton ektos kateilêphen« (Sextus Empir., »Adv. Gramm.« I, c. 13, 303) Und bei Euripides findet sich irgendwo ausdrücklich der Satz: »Ho nous gar hêmin estin en hekastô Deos«

139

Leibniz akkommodiert in seinem »Examen des principes du R. P. Malebranche«, den er ganz aus seinem eignen Standpunkt prüft und beurteilt, das Prinzip Malcbranches seinen Gedanken auf folgende Weise: »Je suis persuadé que Dieu est le seul objet immédiat externe des Ames, puisqu'il n'y a que lui hors de l'ame qui agisse immédiatement sur l'ame. Et nos pensées avec tout ce qui est en nous, entant qu'il renferme quelque perfection, sont produites sans intermission par son opération continuée. Ainsi entant que nous recevons nos perfections finies des siennes qui sont infinies, nous en sommes affectés immédiatement. Et c'est ainsi, que notre esprit est affecté immédiatement par les idées éternelles qui sont en Dieu, lorsque notre esprit a des pensées qui s'y rapportent et qui en participent. Et c'est dans ce sens, que nous pouvons dire que notre esprit voit tout en Dieu.« (L. Opp. Omn., ed. Dutens, T. II)

140

Z.B. Éclairc. sur le liv. III, X. Écl.

141

On ne voit la Vérité que lorsque l' on voit les choses, comme elles sont, et on ne les voit jamais, comme elles sont, si on ne les voit dans celui qui les renferme d'une manière intelligible. (»R. de la Vér.«, Liv. IV des inclin., ch. 11)

Quelle:
Ludwig Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie von Bacon bis Spinoza. Leipzig 1976, S. 274-284.
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