Zweite Rede

Abkunft

[217] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Kurū-Lande, bei einer Stadt der Kurūner namens Kammāsadammam340.

Da begab sich denn der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach nun der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen also: [217] »Erstaunlich, o Herr, außerordentlich ist es, o Herr, wie tief doch, o Herr, diese Bedingte Entstehung ist, und wie tief sie hinableuchtet: und gleichwohl scheint es mir, als ob sie ganz und gar offenbar wäre!«

»Sage das nicht, Ānando, sage das nicht, Ānando; tief ist freilich, Ānando, diese Bedingte Entstehung und leuchtet tief hinab: weil diese Satzung, Ānando, nicht verstanden, nicht durchschaut wird, darum kann dieses Geschlecht, als Garn verflochten, als Knäul vernestelt, Bast und Bindfaden geworden341, dem Abwege, der üblen Fährte, dem Verderben, der Wandelwelt nicht entkommen.

›Ist Alter und Tod auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist es‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Alter und Tod?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Geburt bedingt ist Alter und Tod‹ zu antworten.

›Ist Geburt auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist sie‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Geburt?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Werden bedingt ist Geburt‹ zu antworten.

›Ist Werden auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist es‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Werden?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Anhangen bedingt ist Werden‹ zu antworten.

›Ist Anhangen auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist es‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Anhangen?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Durst bedingt ist Anhangen‹ zu antworten.

›Ist Durst auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist er‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Durst?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Gefühl bedingt ist Durst‹ zu antworten.

›Ist Gefühl auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist es‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Gefühl?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Berührung bedingt ist Gefühl‹ zu antworten.

›Ist Berührung auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist sie‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Berührung?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Bild und Begriff bedingt ist Berührung‹ zu antworten342.

›Ist Bild und Begriff auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist es‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Bild und Begriff?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Bewußtsein bedingt ist Bild und Begriff‹ zu antworten.

›Ist Bewußtsein auf gewisse Weise bedingt?‹, auf diese Frage, Ānando, wäre ›Das ist es‹ zu antworten; ›Wodurch bedingt ist Bewußtsein?‹, wenn man so fragte, wäre ›Durch Bild und Begriff bedingt ist Bewußtsein‹ zu antworten.

So ist denn, Ānando, durch Bild und Begriff bedingt Bewußtsein, durch Bewußtsein bedingt Bild und Begriff, durch Bild und Begriff bedingt Berührung, [218] durch Berührung bedingt Gefühl, durch Gefühl bedingt Durst, durch Durst bedingt Anhangen, durch Anhangen bedingt Werden, durch Werden bedingt Geburt, durch Geburt bedingt gehn Alter und Tod, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung hervor: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Entwicklung zustande343.

›Durch Geburt bedingt ist Alter und Tod‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Geburt bedingt Alter und Tod ist. Wenn es nämlich, Ānando, keine Geburt gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa bei Göttern zur Gottheit, oder bei Engeln zur Engelheit, oder bei Geistern zur Geistheit, oder bei Gespenstern zur Gespenstheit, oder bei Menschen zur Menschheit, oder bei Vierfüßern zur Vierfüßerheit, oder bei Vögeln zur Vogelheit344, oder bei Kriechern und Schlangen zur Kriecher- und Schlangenheit; wenn es, Ānando, bei diesen und diesen Wesen eben dahin keine Geburt gäbe, Geburt also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung der Geburt Alter und Tod zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft345, dies die Entwicklung, dies die Bedingung von Alter und Tod, und zwar Geburt. – ›Durch Werden bedingt ist Geburt‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Werden bedingt Geburt ist. Wenn es nämlich, Ānando, kein Werden gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa geschlechtliches Werden, oder formhaftes Werden, oder formloses Werden, Werden also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Werdens Geburt zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung der Geburt, und zwar Werden. – ›Durch Anhangen bedingt ist Werden‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Anhangen bedingt Werden ist. Wenn es nämlich, Ānando, kein Anhangen gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa Hang zur Lust, oder Hang zur Ansicht, oder Hang zu Tugendwerk, oder Hang zur Selbstbehauptung, Anhangen also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Anhangens Werden zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Werdens, und zwar Anhangen. – ›Durch Durst bedingt ist Anhangen‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, [219] Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Durst bedingt Anhangen ist. Wenn es nämlich, Ānando, keinen Durst gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa Durst nach Gestalten, Durst nach Tönen, Durst nach Düften, Durst nach Säften, Durst nach Tastungen, Durst nach Gedanken, Durst also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Durstes Anhangen zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Anhangens, und zwar Durst. – ›Durch Gefühl bedingt ist Durst‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Gefühl bedingt Durst ist. Wenn es nämlich, Ānando, kein Gefühl gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa durch Sehberührung entstandenes Gefühl, durch Hörberührung entstandenes Gefühl, durch Riechberührung entstandenes Gefühl, durch Schmeckberührung entstandenes Gefühl, durch Tastberührung entstandenes Gefühl, durch Denkberührung entstandenes Gefühl, Gefühl also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Gefühls Durst zum Vorschein kommen?«

»Gewiß, nicht o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Durstes, und zwar Gefühl. – So ist es denn, Ānando, derart: aus Gefühl erfolgt Durst, aus Durst erfolgt Ersehnen, aus Ersehnen erfolgt Erlangen, aus Erlangen erfolgt Untersuchung, aus Untersuchung erfolgt Willensreiz, aus Willensreiz erfolgt Anklammern, aus Anklammern erfolgt Ergreifen, aus Ergreifen erfolgt Eigensucht, aus Eigensucht erfolgt Festhalten, infolge von Festhalten kommt es zu Wüten und Blutvergießen, Krieg und Zwietracht, Zank und Streit, Lug und Trug, gehn mancherlei böse, heillose Dinge hervor.

›Infolge von Festhalten kommt es zu Wüten und Blutvergießen, Krieg und Zwietracht, Zank und Streit, Lug und Trug, gehn mancherlei böse, heillose Dinge hervor‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie es infolge von Festhalten zu Wüten und Blutvergießen kommt, Krieg und Zwietracht, Zank und Streit, Lug und Trug, mancherlei böse, heillose Dinge hervorgehn. Wenn es nämlich, Ānando, kein Festhalten gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Festhalten also überhaupt nicht wäre: könnten nun wohl bei Auflösung des Festhaltens Wüten und Blutvergießen, Krieg und Zwietracht, Zank und Streit, Lug und Trug, mancherlei böse, heillose Dinge hervorgehn?«

[220] »Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung, daß Wüten und Blutvergießen, Krieg und Zwietracht, Zank und Streit, Lug und Trug, mancherlei böse, heillose Dinge hervorgehn, und zwar Festhalten. – ›Aus Eigensucht erfolgt Festhalten‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Eigensucht Festhalten erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, keine Eigensucht gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Eigensucht also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung der Eigensucht Festhalten zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Festhaltens, und zwar Eigensucht. – ›Aus Ergreifen erfolgt Eigensucht‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Ergreifen Eigensucht erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, kein Ergreifen gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Ergreifen also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Ergreifens Eigensucht zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung der Eigensucht, und zwar Ergreifen. – ›Aus Anklammern erfolgt Ergreifen‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Anklammern Ergreifen erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, kein Anklammern gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Anklammern also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Anklammerns Ergreifen zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Ergreifens, und zwar Anklammern. – ›Aus Willensreiz erfolgt Anklammern‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Willensreiz Anklammern erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, keinen Willensreiz gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Willensreiz also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Willensreizes Anklammern zum Vorschein kommen?«

»Gewiß, nicht o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Anklammerns, und zwar Willensreiz. –[221] ›Aus Untersuchung erfolgt Willensreiz‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Untersuchung Willensreiz erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, keine Untersuchung gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Untersuchung also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung der Untersuchung Willensreiz zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Willensreizes, und zwar Untersuchung. – ›Aus Erlangen erfolgt Untersuchung‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Erlangen Untersuchung erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, kein Erlangen gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Erlangen also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Erlangens Untersuchung zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung der Untersuchung, und zwar Erlangen. – ›Aus Ersehnen erfolgt Erlangen‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Ersehnen Erlangen erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, kein Ersehnen gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, Ersehnen also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Ersehnens Erlangen zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Erlangens, und zwar Ersehnen. – ›Aus Durst erfolgt Ersehnen‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie aus Durst Ersehnen erfolgt. Wenn es nämlich, Ānando, keinen Durst gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa Geschlechtsdurst, Daseinsdurst, Wohlseinsdurst346, Durst also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung des Durstes Ersehnen zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Ersehnens, und zwar Durst.

So gehn denn, Ānando, immer zwei Dinge von beiden Seiten im Gefühl in eine einheitliche Verbindung über. – ›Durch Berührung bedingt ist Gefühl‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Berührung bedingt Gefühl ist. Wenn es [222] nämlich, Ānando, keine Berührung gäbe, ganz und gar nicht, nicht irgend irgendwo, bei keinem zu keinem, als wie etwa Sehberührung, Hörberührung, Riechberührung, Schmeckberührung, Tastberührung, Denkberührung, Berührung also überhaupt nicht wäre: könnte nun wohl bei Auflösung der Berührung Gefühl zum Vorschein kommen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Gefühls, und zwar Berührung. – ›Durch Bild und Begriff bedingt ist Berührung‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Bild und Begriff bedingt Berührung ist. –

Wenn es, Ānando, solche Merkmale, solche Abzeichen, solche Kennzeichen, solche Bestimmungen, durch welche ein körperlicher Begriff erkannt wird, überhaupt nicht gäbe: könnte dann wohl an einem körperlichen Bilde namenhafte Berührung stattfinden?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Wenn es, Ānando, solche Merkmale, solche Abzeichen, solche Kennzeichen, solche Bestimmungen, durch welche ein körperliches Bild erkannt wird, überhaupt nicht gäbe: könnte dann wohl an einem körperlichen Begriffe gegenständige Berührung stattfinden?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Wenn es, Ānando, solche Merkmale, solche Abzeichen, solche Kennzeichen, solche Bestimmungen, durch welche ein körperlicher Begriff und ein körperliches Bild erkannt wird, überhaupt nicht gäbe: könnte dann wohl namenhafte Berührung oder gegenständige Berührung stattfinden?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Wenn es, Ānando, solche Merkmale, solche Abzeichen, solche Kennzeichen, solche Bestimmungen, durch welche Bild und Begriff erkannt wird, überhaupt nicht gäbe: könnte dann wohl Berührung stattfinden?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung der Berührung, und zwar Bild und Begriff. –

›Durch Bewußtsein bedingt ist Bild und Begriff‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Bewußtsein bedingt Bild und Begriff ist. Wenn sich da etwa, Ānando, kein Bewußtsein in den Mutterleib herabsenkte, würde dann wohl Bild und Begriff im Mutterleibe gegenständlich werden können?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Wenn nun etwa, Ānando, Bewußtsein, nachdem es sich in den Mutterleib [223] herabgesenkt hat, wieder zurückträte: würde dann wohl Bild und Begriff nach diesseit empfangen sein können?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Wenn nun etwa, Ānando, Bewußtsein noch am Jungen wieder zerfiele, am Knäblein oder am Mägdelein: würde dann wohl Bild und Begriff zu Wachstum, Gedeihen und Entfaltung gelangen können?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung von Bild und Begriff, und zwar Bewußtsein347. – ›Durch Bild und Begriff bedingt ist Bewußtsein‹, das ist da wohl gesagt worden; das muß nun, Ānando, in folgender Weise auch verstanden werden, wie durch Bild und Begriff bedingt Bewußtsein ist. Wenn man nun, Ānando, kein Bewußtsein hätte, das an Bild und Begriff zuständig ist: würde dann wohl fernerhin Geburt, Alter und Tod, ein Hervorgehn der Leidensentwicklung stattfinden?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Darum aber, Ānando, ist dies eben der Anlaß, dies die Abkunft, dies die Entwicklung, dies die Bedingung des Bewußtseins, und zwar Bild und Begriff.

Insofern, Ānando, kommt es zu entstehn und vergehn und ersterben, zu schwinden und erscheinen348; insofern gibt es eine Bahn der Benennung, insofern eine Bahn der Aussprache, insofern eine Bahn der Verständigung, insofern ein Gebiet der Weisheit; insofern kann der Kreis bestehn349, um diese Welt zu erklären, und zwar Bild und Begriff mit Bewußtsein, gegenseitig durch Bedingtheit bestanden.


Auf welcherlei Art wohl, Ānando, wird, bei Auslegung der Seele, ausgelegt350? Formhaft sei sie, sagt man ja, Ānando, bei Auslegung der Seele, und beschränkt: ›Formhaft ist meine beschränkte Seele.‹ Oder formhaft sei sie, sagt man ja, Ānando, bei Auslegung der Seele, und unendlich: ›Formhaft ist meine unendliche Seele.‹ Oder formlos sei sie, sagt man ja, Ānando, bei Auslegung der Seele, und beschränkt: ›Formlos ist meine beschränkte Seele.‹ Oder formlos sei sie, sagt man ja, Ānando, bei Auslegung der Seele, und unendlich: ›Formlos ist meine unendliche Seele.‹

Wer da nun, Ānando, bei Auslegung der Seele, sie als formhaft und beschränkt auslegt, der legt sie entweder jetzt als formhaft und beschränkt aus, oder als derartig werdend, oder er vermeint: ›Ob sie gleich so noch nicht ist, werde ich sie dazu bringen.‹ Ist es also, Ānando, dann genügt es zu sagen: ›Auf die Lehre von der formhaft beschränkten Seele stützt er sich.‹

[224] Wer da nun, Ānando, bei Auslegung der Seele, sie als formhaft und unendlich auslegt, der legt sie entweder jetzt als formhaft und unendlich aus, oder als derartig werdend, oder er vermeint: ›Ob sie gleich so noch nicht ist, werde ich sie dazu bringen.‹ Ist es also, Ānando, dann genügt es zu sagen: ›Auf die Lehre von der formhaft unendlichen Seele stützt er sich.‹

Wer da nun, Ānando, bei Auslegung der Seele, sie als formlos und beschränkt auslegt, der legt sie entweder jetzt als formlos und beschränkt aus, oder als derartig werdend, oder er vermeint: ›Ob sie gleich so noch nicht ist, werde ich sie dazu bringen.‹ Ist es also, Ānando, dann genügt es zu sagen: ›Auf die Lehre von der formlos beschränkten Seele stützt er sich.‹

Wer da nun, Ānando, bei Auslegung der Seele, sie als formlos und unendlich auslegt, der legt sie entweder jetzt als formlos und unendlich aus, oder als derartig werdend, oder er vermeint: ›Ob sie gleich so noch nicht ist, werde ich sie dazu bringen.‹ Ist es also, Ānando, dann genügt es zu sagen: ›Auf die Lehre von der formlos unendlichen Seele stützt er sich.‹ – Auf solcherlei Art, Ānando, wird, bei Auslegung der Seele, ausgelegt.

Auf welcherlei Art nun, Ānando, wird, bei keiner Auslegung der Seele, nicht ausgelegt? Daß sie formhaft und beschränkt sei, Ānando, sagt man da nicht; daß sie formhaft und unendlich, oder formlos und beschränkt, oder formlos und unendlich sei, sagt man da nicht.

Wer da nun, Ānando, bei keiner Auslegung der Seele, sie als formhaft und beschränkt nicht auslegt; sie als formhaft und unendlich, als formlos und beschränkt, als formlos und unendlich nicht auslegt: der legt sie weder jetzt als derartig aus, noch auch als der artig werdend, und vermeint auch nicht: ›Ob sie gleich so noch nicht ist, werde ich sie dazu bringen.‹ Ist es also, Ānando, dann genügt es zu sagen: ›Auf die Lehre von der formhaft beschränkten Seele, von der formhaft unendlichen Seele, von der formlos beschränkten Seele, von der formlos unendlichen Seele stützt er sich nicht.‹ – Auf solcherlei Art, Ānando, wird, bei keiner Auslegung der Seele, nicht ausgelegt.

Auf welcherlei Art nun, Ānando, wird, bei Betrachtung der Seele, betrachtet? Das Gefühl sei sie, sagt man ja, Ānando, bei Betrachtung der Seele: ›Das Gefühl ist meine Seele‹; oder man sagt dabei: ›Nicht doch ist bei mir das Gefühl die Seele, unmitfühlsam ist meine Seele‹; oder sagt auch: ›Weder ist ja bei mir das Gefühl die Seele, noch auch ist sie unmitfühlsam: die Seele wird von mir gefühlt, dem Gefühl unterworfen ist eben meine Seele‹: so wird ja, Ānando, bei Betrachtung der Seele, betrachtet.

Da wäre denn, Ānando, einem, der gesagt hat: ›Das Gefühl ist meine Seele‹, also zu antworten: ›Drei Arten von Gefühl, Bruder, gibt es: das wohlige Gefühl, das wehe Gefühl und das weder wohlig noch wehe Gefühl; welches von diesen drei Gefühlen betrachtest du nun als Seele351?‹ – Zu einer [225] Zeit, Ānando, wo man ein wohliges Gefühl empfindet, zu dieser Zeit empfindet man kein wehes Gefühl und empfindet kein weder wohlig noch wehes Gefühl, eben ein wohliges Gefühl empfindet man zu dieser Zeit. Zu einer Zeit, Ānando, wo man ein wehes Gefühl empfindet, zu dieser Zeit empfindet man kein wohliges Gefühl und empfindet kein weder wohlig noch wehes Gefühl, eben ein wehes Gefühl empfindet man zu dieser Zeit. Zu einer Zeit, Ānando, wo man ein weder wohlig noch wehes Gefühl empfindet, zu dieser Zeit empfindet man kein wohliges Gefühl und empfindet kein wehes Gefühl, eben ein weder wohlig noch wehes Gefühl empfindet man zu dieser Zeit. Wohlige Gefühle sind aber, Ānando, wandelbar, zusammengesetzt, bedingt entstanden, müssen versiegen und versagen, müssen aufhören und untergehn. Und auch wehe Gefühle sind, Ānando, wandelbar, zusammengesetzt, bedingt entstanden, müssen versiegen und versagen, müssen aufhören und untergehn. Und auch weder wohlig noch wehe Gefühle sind, Ānando, wandelbar, zusammengesetzt, bedingt entstanden, müssen versiegen und versagen, müssen aufhören und untergehn. – Wenn nun jener, während er ein wohliges Gefühl empfindet, ›Das ist meine Seele‹ glaubt, so muß er, sobald eben dieses wohlige Gefühl untergegangen ist, ›Vergangen ist meine Seele‹ glauben; wenn er, während er ein wehes Gefühl empfindet, ›Das ist meine Seele‹ glaubt, so muß er, sobald eben dieses wehe Gefühl untergegangen ist, ›Vergangen ist meine Seele‹ glauben; wenn er, während er ein weder wohlig noch wehes Gefühl empfindet, ›Das ist meine Seele‹, glaubt, so muß er, sobald eben dieses weder wohlig noch wehe Gefühl untergegangen ist, ›Vergangen ist meine Seele‹ glauben. So muß er, bei seiner Betrachtung der Seele, sie schon bei Lebzeiten als wandelbar, mit Wohl und Wehe durcheinandergemischt, dem Entstehn und Vergehn unterworfen betrachten, wenn er da gesagt hat: ›Das Gefühl ist meine Seele.‹ Darum aber, Ānando, kann sich eben dies nicht damit vertragen, es so zu betrachten: ›Das Gefühl ist meine Seele.‹

Da wäre denn, Ānando, einem, der gesagt hat: ›Nicht doch ist bei mir das Gefühl die Seele, unmitfühlsam ist meine Seele‹, also zu antworten: ›Wo es aber, Bruder, gar keine Fühlbarkeit gibt, kann denn da ein »Ich bin« sein?‹ – ›Freilich nicht, o Herr.‹ – Darum aber, Ānando, kann sich auch dies nicht damit vertragen, es so zu betrachten: ›Nicht doch ist bei mir das Gefühl die Seele, unmitfühlsam ist meine Seele.‹

Da wäre denn, Ānando, einem, der gesagt hat: ›Weder ist ja bei mir das Gefühl die Seele, noch auch ist sie unmitfühlsam: die Seele wird von mir gefühlt, dem Gefühl unterworfen ist eben meine Seele‹, also zu antworten: ›Wenn sich nun etwa die Gefühle, Bruder, insgesamt überall ganz und gar ohne Überrest auflösten, Gefühl also überhaupt nicht wäre: könnte dann wohl bei Auflösung des Gefühls noch ein »Ich bin« sein?‹ – ›Freilich nicht, o [226] Herr.‹ – Darum aber, Ānando, kann sich auch dies nicht damit vertragen, es so zu betrachten: ›Weder ist ja bei mir das Gefühl die Seele, noch auch ist sie unmitfühlsam: die Seele wird von mir gefühlt, dem Gefühl unterworfen ist eben meine Seele.‹

Weil da nun, Ānando, ein Mönch weder das Gefühl als sich selbst352 betrachtet, noch auch sich selbst als unmitfühlsam betrachtet, und es auch so nicht betrachtet: ›Das Selbst wird von mir gefühlt, dem Gefühl unterworfen ist eben mein Selbst‹, bei keiner solchen Betrachtung verweilt, so hangt er nirgend in der Welt an; ohne anzuhangen wird er nicht erschüttert, unerschütterlich gelangt er eben bei sich selbst zur Erlöschung: ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da.

Würde nun, Ānando, ein also erlöster Mönch etwa befragt: ›Besteht ein Vollendeter jenseit des Todes?‹, so wäre das eine Ansicht und somit ungehörig353; oder: ›Besteht ein Vollendeter nicht jenseit des Todes?‹, so wäre das eine Ansicht und somit ungehörig; oder: ›Besteht ein Vollendeter und besteht nicht jenseit des Todes?‹, so wäre das eine Ansicht und somit ungehörig; oder: ›Besteht weder, noch auch besteht nicht ein Vollendeter jenseit des Todes?‹, so wäre das eine Ansicht und somit ungehörig: und warum das354? Soweit, Ānando, eine Benennung reicht, soweit die Bahn der Benennung reicht, soweit eine Aussprache reicht, soweit die Bahn der Aussprache reicht, soweit eine Verständigung reicht, soweit die Bahn der Verständigung reicht, soweit eine Weisheit reicht, soweit das Gebiet der Weisheit reicht, soweit ein Kreis reicht, soweit der Kreis bestehn kann: insoweit kann der Kreis bestehn355. In solcher Durchschauung ist der Mönch erlöst.

›In solcher Durchschauung erlöst weiß der Mönch nichts und sieht nichts‹: so zu sagen wär' eine Ansicht und somit ungehörig.


Sieben gibt es, Ānando, der Stätten des Bewußtseins, und zweierlei Bereiche. Was für sieben sind es? Es gibt, Ānando, Wesen verschieden an Körperart, verschieden an Denkart, als wie etwa Menschen, und mancherlei Himmlische und mancherlei Höllische. Das ist erste Stätte des Bewußtseins. Es gibt, Ānando, Wesen verschieden an Körperart, einig an Denkart, als wie etwa die Götter brahmischer Kreise auf ihrem ersten Grade. Das ist zweite Stätte des Bewußtseins. Es gibt, Ānando, Wesen einig an Körperart, verschieden an Denkart, als wie etwa die Leuchtenden Götter. Das ist dritte Stätte des Bewußtseins. Es gibt, Ānando, Wesen einig an Körperart, einig an Denkart, als wie etwa die Strahlenden Götter. Das ist vierte Stätte des Bewußtseins. Es gibt, Ānando, Wesen, die nach völliger Überwindung der [227] Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen in dem Gedanken ›Grenzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegrenzten Raumes erlangen. Das ist fünfte Stätte des Bewußtseins. Es gibt, Ānando, Wesen, die nach völliger Überwindung der unbegrenzten Raumsphäre in dem Gedanken ›Grenzenlos ist das Bewußtsein‹ das Reich des unbegrenzten Bewußtseins erlangen. Das ist sechste Stätte des Bewußtseins. Es gibt, Ānando, Wesen, die nach völliger Überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins erlangen. Das ist siebente Stätte des Bewußtseins. Dann: unbewußter Wesen Bereich, und: weder bewußt noch unbewußt als zweiten Bereich.

Was nun, Ānando, die erste Stätte des Bewußtseins betrifft, verschieden an Körperart, verschieden an Denkart, als wie etwa Menschen, und mancherlei Himmlische und mancherlei Höllische; wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, die zweite Stätte des Bewußtseins betrifft, verschieden an Körperart, einig an Denkart, als wie etwa die Götter brahmischer Kreise auf ihrem ersten Grade: wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, die dritte Stätte des Bewußtseins betrifft, einig an Körperart, verschieden an Denkart, als wie etwa die Leuchtenden Götter; wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, die vierte Stätte des Bewußtseins betrifft, einig an Körperart, einig an Denkart, als wie etwa die Strahlenden Götter; wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, die fünfte Stätte des Bewußtseins betrifft, wo man nach völliger Überwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen in dem Gedanken ›Grenzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegrenzten Raumes erlangt; [228] wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, die sechste Stätte des Bewußtseins betrifft, wo man nach völliger Überwindung der unbegrenzten Raumsphäre in dem Gedanken ›Grenzenlos ist das Bewußtsein‹ das Reich des unbegrenzten Bewußtseins erlangt; wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, die siebente Stätte des Bewußtseins betrifft, wo man nach völliger Überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins erlangt356: wer da wohl, Ānando, diese bedenkt, und deren Beginn und deren Vergehn bedenkt, und deren Labsal und deren Elend und deren Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, den Bereich unbewußter Wesen betrifft; wer da wohl, Ānando, diesen bedenkt, und dessen Beginn und dessen Vergehn bedenkt, und dessen Labsal und dessen Elend und dessen Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Was nun, Ānando, den Bereich weder bewußt noch unbewußt betrifft; wer da wohl, Ānando, diesen bedenkt, und dessen Beginn und dessen Vergehn bedenkt, und dessen Labsal und dessen Elend und dessen Überwindung bedenkt: kann sich der etwa daran gehörig erfreuen?«

»Gewiß nicht, o Herr.«

»Sofern nun, Ānando, ein Mönch bei diesen sieben Stätten des Bewußtseins und bei diesen zwei Bereichen Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Überwindung der Wahrheit gemäß verstanden hat und ohne anzuhangen erlöst ist, so wird, Ānando, ein solcher Mönch in Weisheit erlöst genannt. –


Acht gibt es, Ānando, der Freiungen: und was für acht? Formhaft ist er und sieht die Formen: das ist die erste Freiung. Innen ohne Formwahrnehmung sieht er außen Formen: das ist die zweite Freiung. Schönheit nur hat er im Sinne: das ist die dritte Freiung357. Durch völlige Überwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen gewinnt er in dem Gedanken ›Grenzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegrenzten Raumes: das ist die vierte Freiung358.

[229] Nach völliger Überwindung der unbegrenzten Raumsphäre gewinnt er in dem Gedanken ›Grenzenlos ist das Bewußtsein‹ das Reich des unbegrenzten Bewußtseins: das ist die fünfte Freiung. Nach völliger Überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre gewinnt er in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins: das ist die sechste Freiung. Nach völliger Überwindung der Nichtdaseinsphäre erreicht er die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung: das ist die siebente Freiung. Nach völliger Überwindung der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung erreicht er die Auflösung der Wahrnehmbarkeit: das ist die achte Freiung. Das sind, Ānando, die acht Freiungen.

Sofern nun, Ānando, ein Mönch diese acht Freiungen so nach oben hin beschreiten kann als nach unten zurück beschreiten kann, so nach oben hin als nach unten zurück beschreiten kann, wie er will und wo er will und so lange er will beschreiten kann und verlassen kann, und durch die Wahnversiegung die wahnlose Gemüterlösung, Weisheiterlösung schon bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen hat: so wird, Ānando, ein solcher Mönch von beiden Seiten erlöst genannt. Eine andere aber, Ānando, als diese Erlösung von beiden Seiten, die darüber hinausreichte oder erlesener wäre, gibt es nicht359


Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 2, Zürich/Wien 31957, S. 217-230.
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