[377] 494
Schaff' niemals dir Geschäftigkeit,
Flieh' Menschenumgang, mach' dich nicht gemein;
Dem Kämpfer, der da gute Labe giert,
Entgeht ein Heil, das herrlich letzen kann.
Denn Unrat hat man es mit Recht genannt,
Das Sichbegrüßen, Sichbedanken hin und her;
Ein Splitter schiefert scharf sich ein:
Der Schlechten Lob verschlitzt sich leicht in dir.
Nicht andrer Raunen, andrer Rat
Läßt Böses hier den Menschen tun:
Er selber kann es bannen, ja,
Von Anfang an der Taten Sohn.
Mit andern spricht ein Räuber nicht,
Mit andern spricht ein Büßer nicht:
Gleichwie er selber wohl sich kennt
Erkennen auch die andern ihn.
Die Menschen sehn es selten ein,
Daß Dulden uns geduldig macht:
Doch wer es einsieht, wer es weiß
Gibt alles Eifern willig auf.
499
Nur Weise leben wirklich hier,
Auch ohne Geld, auch ohne Gut.
Doch wer da keine Weisheit wirbt,
Der lebt nicht, wär' er noch so reich.
[378] 500
Das Ohr hört alles, jeden Ton,
Der Blick trifft alles, jede Form:
Doch alles äußern wird er nicht,
Der Weise, was er hört und sieht.
Mit scharfem Auge schein' er blind,
Mit scharfem Ohre schein' er taub,
Mit scharfem Witze stumm und stumpf,
Mit scharfen Sinnen blöde, blach:
Und will ihn Ruh' bedünken recht,
Bedächtig rasten wird er dann.
502
Wer Grimm und Groll verloren hat,
Wer List verleugnet, Tücke läßt,
Der ist ein Jünger echter Art,
Der stirbt gestillt und heil dahin.
503
Wer Grimm und Groll verloren hat,
Wer List verleugnet, Tücke läßt,
Beständig wachsam, wohl gewahrt,
Der stirbt gestillt und heil dahin.
504
Wer Grimm und Groll verloren hat,
Wer List verleugnet, Tücke läßt,
In treuer Tugend wohl bewährt,
Der stirbt gestillt und heil dahin.
505
Wer Grimm und Groll verloren hat,
Wer List verleugnet, Tücke läßt,
In treuer Liebe wohl bewährt,
Der stirbt gestillt und heil dahin.
[379] 506
Wer Grimm und Groll verloren hat,
Wer List verleugnet, Tücke läßt,
In treuer Weisheit wohl bewährt,
Der stirbt gestillt und heil dahin.
Wer Zuversicht zum Meister faßt
Und recht sie gründet, recht sie stützt,
Und wer da treue Tugend übt,
Ein heilig Labsal, heilig Lob,
508
Und wer den Orden innig liebt,
Und wer die Wahrheit wirklich weiß,
Ist wohlversorgt – so sagen sie –
Er lebt sein Leben nicht umsonst.
Ja, Zuversicht und Tugendkraft
Und helles Wissen halte fest
Der Weise, diesen Inbegriff
Der Botschaft aller wachen Herrn.
Als einst ich sah, zum ersten Mal,
Den Meister, der kein Fürchten kennt,
Ergriffen war ich, tief gerührt:
Den größten Mann, ich fand ihn da!
Und käme Sirī selber her,
Gehorchend willig jedem Wink:
Wer solchen Meister kiesen kann,
Den kümmert keiner Sirī Gunst!
[380] 512
So ließ ich Weib, so ließ ich Kind
Und Geld und Güter hinter mir,
Zog fort vom Hause, heimatlos,
Als Bettler hin, geschoren kahl.
513
In treuer Zucht, in treuer Hut,
Die Sinne zähmend unverzagt,
Dem Auferwachten zugewandt,
Verweilt' ich sicher, unversucht.
514
Da kam mich Sehnen sehrend an,
Der Herzenswunsch, so heiß gehegt:
»Nicht eher mag ich sitzen mehr
Bis alle Lebenslust verlischt!«
Und weil ich rang und weil ich riet –
O sieh' des Mutes Übermacht –
Erschuf ich dreifach Wissen mir,
Erwirkte was der Meister will:
516
»Nun weiß ich was ich jeher war,
Das Auge klärt sich himmlisch auf,
Erhaben bin ich, heilig hehr,
Bin abgeschieden, ausgeschält.« –
517
Die Nacht verging, das Dunkel wich,
Der neue Tag zog östlich an:
Da war des Lebens Durst gelöscht,
Bereiten durft' ich rechten Sitz.
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