Viertes Kapitel (142. Gegenstand).

Erwägungen über Verlust, Ausgaben und Gewinn.

[538] Einbuße, die in tüchtigen Männern besteht, ist Verlust (kshaya), Einbuße, die in Geld und Getreide besteht, Ausgabe (Aufwand, vyaya)1

Wo ein Gewinn da ist, der vielfach größer ist als diese beiden, ziehe er zu Feld.

Die Gesamtheit der Gewinne2 umfaßt: den zu nehmenden, den zurückzugebenden, den Gunst erweckenden, den Zorn erweckenden, den kurzzeitigen, [538] den mit unbedeutenden Verlusten verknüpften, den mit geringen Ausgaben verknüpften, den gewaltigen, den zum Wachstum ausschlagenden, den angenehmen, den sittlich guten, den vorangehenden.

Ein Gewinn, der leicht zu erlangen und zu bewahren ist und den Feinden nicht wieder herausgegeben werden muß, ist ein zu nehmender (ādeya). Im gegenteiligen Fall heißt der Gewinn ein zurückzugebender (pratyādeya). Wer den an sich nimmt oder in seinem Besitz verharrt, der gerät ins Verderben.

Er mag jedoch sehen: »Nehme ich den zurückzugebenden Gewinn (d.h. besonders das wieder herauszugebende Land), so werde ich Schatz, Heer, die aufgehäuften Vorräte und die Vorkehrungen zum Schutz des betr. Landes dahinschwinden machen.3 Den Bergwerken, Nutz- und Elefantenwäldern, den Bewässerungsanlagen und dem Handel werde ich sein Wertvolles abrahmen. Seine (des Feindes und bisherigen Landesherrn) Untertanen werde ich schwächen, oder ich werde sie ihm wegführen und weglocken oder durch richtige Verwendung für mich gewinnen; der Feind wird sie durch sein Verfahren aufrührerisch machen«A1. Oder: »Ich werde ihn (wohl: diesen Gewinn) bei seinen Feinden als Marktware ausspielen (mir Vorteile um ihn erkaufen)«. »Ich werde seinen Freund oder einen von ihm Eingekerkerten (der Ansprüche auf den Thron hat) als Gegenkönig (in dem betr. Land) einsetzen«. »Ich werde, während ich dies Gebiet inne habe, meine und meines Freundes von Räubern oder Feinden kommende Landesbedrückung abstellen können«. »Ich werde seinen Freund oder seinen Rückhalt in Schaden bringen«.4 »Dieser Gewinn wird (wenn ich ihn herausrücken muß) seinem Widersacher oder einem, der ihm mißgünstig ist, oder einem Thronbewerber aus seiner Familie zufallen«. Oder: »Ich werde ihm das Land als Ehrung schenken, und so wird mir auf lange Zeit ein mit mir zusammengeschlossener, hilfsbereiter Freund werden«. Wenn die Sache so steht, möge er auch einen wiederaufzugebenden Gewinn an sich nehmen.

Somit sind der zunehmende und der zurückzugebende erklärt.

Ein Gewinn, den ein sittlich Guter einem sittlich Schlechten5 abgewinnt, erweckt (dem Gewinner) die Gunst der eigenen Leute und der anderen. Gegenteilig ist der Zorn erweckende. Ein Gewinn, der auf die Anleitung [539] von törichten Ratgebern erlangt wird, erregt den Zorn: »In all diese Verluste und Ausgaben hat man uns gebracht!« Ein Gewinn, der infolge der Mißachtung verräterischer Ratgeber erlangt wird, erregt den Zorn: »Kommt der an sein Ziel, dann stürzt er uns ins Verderben!«6 Gegenteilig verhält es sich beim Gunst erweckenden. Somit sind der Gunst erweckende und der Zorn erweckende erklärt.

»Kurzzeitig« heißt der Gewinn, wenn man nur hinzugehen und sich ihn anzueignen braucht.

»Mit geringem Verlust verknüpft«, wenn man sich ihn durch klugen Rat (d.h. durch Listen) aneignen kann.

»Mit geringen Ausgaben verknüpft,« wenn man ihn erlangen kann, indem man als Auslagen nur das Essen dran wendet.

»Mächtig,« wenn er für die Gegenwart groß ist.

»Zum Wachstum ausschlagend,« wenn er später Nutzen im Gefolge hat.

»Angenehm,« wenn er keinen Schaden bringt.

»Sittlich gut,« wenn man sich ihn in rühmenswerter Weise aneignet.7

»Vorangehend« heißt der Gewinn, wenn Verbündete nicht unbedingt weiter mitziehen müssen.8

Ist verschiedener Gewinn gleich, dann möge er Ort und Zeit, Macht und Mittel, (den Menschen) Angenehmes und Unangenehmes, Raschheit und Langsamkeit,9 Nähe und weite Entfernung, Gegenwart und Folgen in der Zukunft, beständige Dauer und Vergänglichkeit der Hochwertigkeit und der Geringwertigkeit,10 Reichtum an Menge und Reichtum an Vorzügen [540] sorgfältig in Betracht ziehen und sich dann den Gewinn aneignen, der mit vielen Vorzügen ausgestattet ist.

Die Hindernisse des Erfolges (Gewinnes, lābha) sind: Liebe (kāma), Zorn, Ängstlichkeit, das Gefühl der Beelendung, Scham,11 niedrige Gesinnung (anāryabhāva), Hochmut, mitleidige Güte (sānukroçatā), Rücksicht auf die andere Welt, Frömmigkeit, Überkühnheit,12 Erbärmlichkeit,13 Neid, Verachtung dessen, was man in der Hand hält, Niederträchtigkeit, Mangel an Vertrauen, Furcht,14 Unentschiedenheit,15 [541] Nichtertragen von Hitze und Kälte und Glücksdingen, Mondtagen und Sternbildern nachjagen.

Dem Toren, der allzuviel nach den Sternen fragt, entschlüpft der Erfolg (artha); denn der Erfolg selber ist das glückliche Sternbild des Erfolgs. Was werden denn die Sterne tun!16 Die Menschen, die aufs Ziel losgehen, erlangen die Erfolge nur durch Hunderte von Bemühungen. Durch die Erfolge werden die Erfolge eingefangen wie die Elefanten durch die gegen sie angetriebenen Elefanten.

Fußnoten

1 Kām. XVI, 23 heißt es: Manushyayugyāpacayaḥ kshayo hi, hiraṇyadhānyāpacayo vyayas tu. Da umschreibt Çaṅk. yugya wohl richtig mit vāhana. Yugyapurusha hat Kauṭ. auch 275, 9; 334, 4. In 306, 12 bedeutet yugya wahrscheinlich, aber nicht sicher: »geeignet, tüchtig, vorzüglich«. Und Pferde und Elefanten, bei Kauṭ. besonders die letztgenannten, sind so wichtig für das Heer, daß wohl richtig sein wird: »Einbuße an Reittieren (Kriegstieren) und Männern ist Verlust«.A2


2 Oder in diesem Fall genauer: Eroberungen, Annexionen.


3 Wörtl. »abfließen machen (apasrāvayati), d.h. das Land schröpfen, seinen Reichtum, abzapfen, sein Heer und seine Befestigungs- und sonstigen Verteidigungsmittel verludern lassen oder gar wegnehmen; denn alles das bedeutet ja das Wort bei Kauṭ. Ist das Land dann so in jeder Beziehung geschwächt und gibt er es heraus, dann kann er den Versuch, es sich zuzueignen, wohl bald mit glänzendem und dauerndem Erfolg wiederholen.«


4 Oder: zum Abfall von ihm (vaiguṇya) bewegen?


5 Oder: »ein Gerechter einem Ungerechten«. Die eigentliche oder esoterische Bedeutung dieser wichtigen Wörter des Politiker- oder Diplomatenlexikons ist schon besprochen worden.


6 Vor mantriṇām ist offenbar etwas ausgefallen. Ob »töricht« das Richtige trifft, unterliegt gar sehr dem Zweifel. Es scheint fast, als müsse auch vor dem ersten mantriṇām ein dūshya stehen. Folgt der Fürst also den treulosen Ratgebern, dann bringt er das eigene Land in Unheil und Empörung. Raten aber solche böse Diener ihm ab, ein Land oder einen sonstigen Gewinn einzusacken und er tuts doch, unbekümmert um sie, dann gibt es wieder Unwillen – die Mißachteten fürchten nun, der kräftige König möge ihnen über den Kopf wachsen. Und die Moral von der Geschicht: Treulose Ratgeber habe nicht! Das alles tönt sonderbar, namentlich hier, wo Begriffsbestimmungen gegeben werden.A3


7 Oder: »wenn sich ihn ein Gepriesener aneignet«. Das wäre freilich so diabolisch wichtig, namentlich in der Politik, daß einem schier unheimlich zumute wird. Si duo faciunt idem, non est idem gilt ja nirgends so sehr wie da.


8 Nachdem sie schon am Anfang des Feldzuges ihn erlangt haben. Vgl. 359, 9f.


9 Natürlich: ob der Gewinn rasch ergattert werden kann oder viel Zeit kostet. Ich lese javājavau. Japa könnte zwar vielleicht = upajāpa sein. Dann: »Aufwiegelung oder Nichtaufwiegelung«, d.h. er soll zusehen, ob in dem betr. Land gegen ihn intrigiert würde oder nicht. Wo aber bliebe ein erobernder Fürst, besonders ein indischer, davon verschont!


10 Statt des verkehrten sāratvasāratvāsātatye bietet sich ungesucht die Verbesserung sāratvāsāratvasātatye dar: »Die Dauer der Hochwertigkeit oder der Geringwertigkeit«. D. h. ein Land kann im Augenblick wertvoll sein, aber voraussichtlich in längerer oder kürzerer Zeit seinen Wert verlieren; ebenso ein anderer Gewinn, wobei sehr verschiedene Dinge am Werke sein können. Umgekehrt kann ein jetzt unbeträchtlicher Gewinn in der Zukunft hohen Wert bekommen. Das vorhergehende: »Die Gegenwart und die Folgen für die Zukunft« bezöge sich dann darauf, daß eine Erwerbung wohl im Augenblick angenehm sein, aber in der Zukunft böse Verwicklungen mit anderen Fürsten oder innere Unruhen u. dgl. mehr nach sich ziehen kann. Nun aber heißt sātatya nicht Dauer, sondern beständige Dauer, Unvergänglichkeit. Also muß man wohl lesen: sāratvāsāratvasāṭatyāsātatye oder: sāratvasātatyāsātatye »Beständigkeit oder Unbeständigkeit der wertvollen Beschaffenheit und der Geringwertigkeit« und: »beständige Dauer oder Vergänglichkeit der wertvollen Beschaffenheit«.A4


11 Hrī oder Scham ist nach einer öfters vorkommenden Erklärung die edle Scheu vor dem Bösen, Schlechten, das sich für zugut Halten, als daß man sich beflecken möchte. Kāruṇya fasse ich als gleichbedeutend mit kṛipā Mitgefühl mit dem Elend, sodaß man sich davon selber ganz elend fühlt. Vgl. MBh. XIII, 163, 2, 20. Es ist dies einer der dreizehn übermächtigen Feinde, die der Mensch überwinden muß. Çaṅk.'s anukampā = dīno 'yam iti besagt vielleicht dasselbe (Kām. XVI, 26).


12 Oder: allzu hingebender Eifer (atyāhitatva). Vgl. 25, 2; 144, 10. Die Lesart atyāgitva Mangel an Freigebigkeit, Knickertum geht auch ganz gut.


13 Dainya. Nach Çaṅk. zu Kām. XVI, 26 = alpasantushṭatā »das sich schon mit Wenigem zufrieden Geben«, also Mangel an Ehrgeiz und Streben. Vgl. meine Hindu Tales 305, Zeile 9–10 und dazu MBh. V, 133, 9:


Supūrā vai kunadikā, supūro mushikāñjaliḥ,

susaṃtoshaḥ kāpurushaḥ; svalpakenaiva tushyati


(= Tantrākhy ed. Hertel p. 8, Nr. 11). D. h.: »Leicht angefüllt ist ein elendes Flüßchen, leicht angefüllt die zusammengelegten Hände der Maus (Eindrucksvoller im Prakrit: Das Mäuslein, das ein Reiskorn gefunden hat, tanzt mit ausgestreckten, heftig erregten Händen). Leicht zufrieden gibt sich ein verächtlicher Mensch; schon mit wenigem ist er zufrieden«. Dazu kommt aber dann vor allem vyasaneshu dainya. Treffen also den Herrscher Niederlagen und anderes Unglück, dann soll er nicht kläglich dastehen und sich unglücklich fühlen, sondern das Unheil zu heben suchen und vor allem rachezornig seinen Feinden heimzahlen. Vgl. Kām. XVI, 33 nebst Çaṅk.'s Glosse und dem Hochgesang der Tatkraft aus Frauenmund, Weib im altind. Epos 337ff. und vor allem 342ff.A5


14 Ich lese hastagatāvamāno, daurātmikam, aviçvāso. Die andere graphische Möglichkeit: hastagatāvamano. udārātmikam (»Edelsinn«) muß wohl abgewiesen werden; denn das dvandva nähme sich hier sonderbar aus, ebenso udārātmika, auch sollte dieses doch wohl die Form audārātmitca annehmen, obgleich ja udārātmika auch erklärlich wäre. Daurātmika hat B wohl als Adj. für daurāmika 238, 3. Es bedeutet hier Übelsein, Bosheit, Schlechtigkeit, Niedertracht. Im letzten Augenblick sehe ich jetzt, daß jedenfalls auch Kām. ebenso gelesen hat, denn sein kraurya Grausamkeit (XVI, 26) kann nur Umschreibung unseres Wortes sein, und Çaṅk.'s Erklärung = daurātmya beweist die Sache. Mangel an Vertrauen (aviçvāso) bezieht sich, wie 280, 3, auf dieses Gefühl gegen andere. Wenn der Fürst kein Zutrauen zu seinen eigenen Leuten hat, wird ihm die Unternehmungslust gelähmt. Nicht trauen s. Notzb. 25, 74. Die so häufige Vorschrift, daß er allen mißtrauen müsse, verträgt sich sehr gut mit der vorliegenden, Kām. svayūthasya vimānana, »Mißachtung seiner eigenen Herde« scheint aus aviçvāsa entstanden zu sein. Immerhin aber mag der noch verderblichere Mangel an Vertrauen in einen selber und in das eigene Glück mindestens mitverstanden werden müssen.


15 Ich lese anitikāraḥ Mangel an dem »So wirds gemacht!« Dies wäre eine Bildung, für die eine große Anzahl Entsprechungen sowohl aus dem Sanskrit wie aus den Prakrits angeführt werden könnte. Hier nur der Hinweis auf meine Anm. Samayamāṭrikā S. 52 und die Ergänzung dazu Kuṭṭanīmatam S. 148, sowie etwa: kāṃdiçika »nicht wissend was tun« (aus Furcht, von kaṃ diçaṃ gacchāmi) Jagannātha, Bhāminīvil., Çriṅgāravil. 178; Pariçishtap. II, 186, 326; kāṃdigbhūta (bhayena palāyita) MBh. V, 48, 62; kathaṃkathā angstvolles Fragen MBh. VII, 196, 5; kiṅkara ein »Was soll ich tun« Diener, kaṃdarpa, itihāsa, itikartavya usw. Anītikāra »unpolitisches Verfahren« geht kaum; denn all die aufgezählten Dinge sind ja anīti. Dagegen könnte Kām.'s caçvad upekshaṇam »beständig nur untätig Zuschauen«, Zuwarten, Nichtstun ganz wohl unser »Unentschlossenheit« wiedergegeben. Çaṅk. meint, es entspreche Kauṭilyas hastagatāvamāna. Das ist unwahrscheinlich; denn Kām. braucht das Wort sonst nicht in solchem Sinn.


16 So erzählt z.B. das 49. Pālijātaka: Eine Bauernfamilie hatte den Sohn mit der Tochter einer Stadtfamilie verlobt und den Tag der Hochzeit bestimmt. Sie fragten einen Asketen: »Stehen die Sterne glücklich?« Der wurde zornig, daß sie ihn nicht von aller Anfang gefragt hatten, und sagte: »Nein«. Die Erschreckten gingen nun nicht hin, die Braut zu holen. Die Stadtfamilie, die prächtige Zurüstungen getroffen hatte, wurde ärgerlich und gab das Mädchen einem anderen. Am nächsten Tage, den der Büßer als günstig bezeichnete, kamen die Dörfler. »Die Tochter ist vergeben. Ihr schamlosen Menschen seid nicht der Verabredung nachgekommen!« So schallte es ihnen entgegen. »Wir haben einen Asketen gefragt. Der sagte, es sei ein unglücklicher Tag«. Das hörte ein Weiser und sprach: »Was sollen die Gestirne! Ist nicht die Erlangung des Mädchens selber ein Glücksstern! Der Narr wartet auf das glückliche Gestirn. Das Glück ist des Glückes Stern. Was können die Sterne tun!« – Nur darf man halt nicht zum Unglück geboren sein, wie z.B. die vorzügliche Erzählung vom Pechvogel und vom Glücksmädchen zeigt, das der Pechvogel zwar bekam, aber ganz vergeblich (Jāt. Nr. 546).


A1 Nach Gaṇ.: »wird sie durch seine Gegenmaßregeln (pratiyogena) aufrührisch machen«. Unter »ihn« im folgenden Satz versteht er den Gegner.


A2 Dennoch versteht es Nītiv. 119, 8–9 wie ich oben im Text. Da heißt es: puṇyapurushāpacayaḥ kshayaḥ. Dagegen finden wir in 125, 1–3: Udīyamāno ghaṭenevāçmārtena (dem in Not Steckenden) saha vigrahaṃ kuryāt. Daivānulomyaṃ, yugyapurushopagamo (so muß man statt yugmaṃ purushoparamo lesen) 'pratipakshatā ca vijigīshor udayah. Vgl. Kauṭ. 261, 14; 267, 1.


A3 Gaṇ. liest: Mantriṇām upadeçāl lābho 'labhamānaḥ kopako bhavati: »ayam asmābhiḥ kshayavyayau grāhitaḥ« »Ein Gewinn, der bei Befolgung der Anleitung durch die Ratgeber (trotz der Anstrengungen) nicht erlangt wird, erregt Zorn: ›In Verluste und Ausgaben haben wir ihn gebracht‹ (und alles umsonst)!« Gunst erweckt dann natürlich 1. ein Vorteil, zu dessen Gewinnung die Ratgeber raten und der dann wirklich errungen wird, 2. einer, der nicht erlangt wird, wenn verräterische Minister abraten und der Fürst dennoch ihn zu erreichen strebt. Da ist in beiden Fällen nur an die Wirkung auf die Minister gedacht. Damit man diese Lehren nicht allzu wunderlich finde, muß man sich gegenwärtig halten, wie hilflos der altindische Fürst den Großen in seinem Reich gegenübersteht.


A4 Gaṇ. hat nur sāratvasātatye »Hochwertigkeit und beständige Dauer«. Er sagt, Hochwertigkeit beziehe sich auf Edelsteine usw., beständige Fortdauer auf Salz usw. Wegen des folgenden ergibt sich so eine Tautologie, abgesehen von anderem.


A5 Der Zufriedene bleibt klein, und Hochsinnige haben nie genug. Çiçup. II, 20; 31, Gaṇ. jedoch meint, dainya bedeute Niedrige um Hilfe bitten, kāruṇya aus Scheu vor all dem Blutvergießen nicht Krieg führen, sānukroçatā aus Mitleid nicht Steuern erheben, strafen usw. Statt atyāhitatvaṃ hat er das minder gute atyāçitvaṃ Übergefräßigkeit, zu große Gier, statt dhārmikatvam das weit schlechtere dāmbhikatvam Trughaftigkeit, Scheinheiligkeit. Ganz im Einklang mit anderen Nītilehrern sagt z.B. die Bṛ.-Nīti: Auch wenn der Fürst Beratung und Plan wohl besorgt hat, und wenn er des Feindes Schwächen kennt, kann dennoch das Reich von einem Fürsten nicht bewahrt werden, der dem dharma ergeben ist (II, 36). Vgl. aber auch Kām. XVI, 26. Im folgenden liest Gaṇ. wie ich daurātmikam, aviçvāso und sagt, daurātmika sei »die zu Drückenden und die nicht zu Drückenden in gleicher Weise drücken«, was also ungefähr der »Grausamkeit« des Kām. gleichkommt, während er aviçvāsa für Mißtrauen da, wo man trauen sollte, erklärt. Z.B. auch MBh. XII, 80, 6ff. führt aus: Vertrauen bringt Verderben, überall aber mißtrauen ist so schlimm wie der Tod. Statt des von mir konjizierten anitikāraḥ bietet Gaṇ. anikāraḥ (vielleicht = den anderen Nichtniederwerfen), eine minderwertige Lesart, erwähnt aber die bessere apratikāraḥ »nicht Gegenmaßregeln ergreifen« (gegen hereingebrochenes und besonders gegen drohendes Unheil). Auf dieses scheint çaçvad upekshaṇam in Kām. XVI, 27 zu deuten. Wegen der Schlußstrophen, in denen Gaṇ. statt sādhanāḥ das minder gute und von ihm nicht im Geist der Verse erläuterte nādhanāḥ einsetzt, vgl. auch Nītiv. 119, 11–12; Br.-Nīti VI, 9; MBh. XII, 8, 20; 138, 111; 203, 11ff.; Rām. VI, 16, 6–8.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 538-542.
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