3. Die Fürstenzusammenkunft in Gia Gu

[17] Fürst Ding hatte eine Zusammenkunft mit dem Fürsten von Tsi8 in Gia Gu. Meister Kung, der das Amt des Kanzlers versah, sprach: »Ich habe gehört, daß man bei friedlichen Verhandlungen stets auf den Krieg vorbereitet sein muß und in kriegerischen Verwicklungen stets auf den Frieden vorbereitet sein muß. In alter Zeit hatten die Fürsten, wenn sie ihr Land verließen, stets Beamte jeder Art im Gefolge. Darf ich bitten, den ersten und zweiten Marschall mitzunehmen.«

Fürst Ding folgte dem Rat. Als man zum Ort der Zusammenkunft kam, war eine Terrasse vorbereitet, zu der drei Erdstufen hinaufführten. Man begrüßte sich nach dem einfachen Begegnungszeremoniell. Mit einer Verbeugung bot man sich gegenseitig den Vortritt an und stieg dann hinauf. Als die Zeremonie des Zutrinkens und Wiedertrinkens beendigt war, ließ der Fürst von Tsi Laibarbaren9 herbeikommen, um sich unter dem Lärm der Waffen und Trommeln des Fürsten Ding zu bemächtigen.

Meister Kung eilte die Stufen hinauf, ließ den Fürsten zurücktreten und rief: »Soldaten vor zum Angriff! Unsere beiden Fürsten kommen in freundlicher Absicht zusammen, und diese Sklaven von wilden Grenzstämmen wagen sie mit[17] Waffen zu stören! Das ist nicht die Art, wie der Fürst von Tsi sich unter den Herrschern durchsetzen könnte. Die Grenzvölker haben sich nicht um China zu kümmern, die Wilden dürfen China nicht stören, Sklaven geht ein Bundesschwur nichts an, Waffen dürfen sich in freundliches Zusammentreffen nicht einmischen. Das wäre den Göttern gegenüber unheilvoll, dem eignen Wesen gegenüber ein Unrecht und unter den Menschen eine Sittenwidrigkeit. Ein Fürst handelt nicht so.«

Der Fürst von Tsi kam in Verlegenheit und winkte ihnen ab.

Nach einer Weile ließ Tsi Haremsmusik machen, zu der Gaukler und Zwerge vor der Terrasse tanzten. Meister Kung eilte herbei, stieg die Stufen bis auf die oberste hinauf und sprach: »Daß solches Gesindel Fürsten zu behelligen wagt, ist ein Frevel, der den Tod verdient. Ich bitte, daß der zweite Marschall sofort die Strafe an ihnen vollziehen wolle.« Da wurden die Zwerge zusammengehauen, daß Hände und Füße umherflogen. Der Fürst von Tsi geriet in Furcht und zeigte Beschämung.

Als man an den Bundesschwur ging, wurde von Tsi aus folgende Bestimmung in die Schwurformel eingefügt: »Wenn die Heere von Tsi ins Feld ziehen und Lu nicht dreihundert Kriegswagen stellt, so geschehe ihm dem Bundesschwur entsprechend.« Meister Kung ließ durch Dsï Wu Süan erwidern: »Wenn Tsi ohne unser Gebiet nördlich vom Wenfluß zurückzugeben uns Befehle erteilt, so möge ihm ebenso geschehen.«

Der Fürst von Tsi wollte noch ein Gastmahl zurichten lassen. Da sprach Meister Kung zu Liang-kiu Gü10: »Wie kommt es, mein Herr, daß Ihr von den alten Bräuchen zwischen Lu und Tsi nichts gehört habt? Nachdem die Geschäfte beendigt sind, nun noch ein Gastmahl halten zu wollen, wäre unnötige Bemühung des Personals. Außerdem verlassen die festlichen Trinkgeräte nicht das Heiligtum,[18] und die festliche Musik paßt nicht fürs Freie. Wäre beim Festmahl alles vollzählig vorhanden, so wäre es ein Mißbrauch der Sitten, wenn aber die Vorbereitungen nicht vollständig wären, so wäre es Lolch (statt Weizen). Lolch (statt Weizen) zu bieten wäre eine Beschimpfung des Fürsten. Die Sitten zu mißbrauchen brächte in schlechten Ruf. Warum habt Ihr das nicht bedacht? Auch soll ein Festmahl dazu dienen, die gute Absicht zum Ausdruck zu bringen. Wenn die nicht zum Ausdruck kommt, so ist es besser, die Sache sein zu lassen.« So kam denn das Festmahl nicht zustande.

Als der Fürst von Tsi heimgekehrt war, machte er seinen Dienern Vorwürfe. Er sprach: »In Lu gehen sie ihrem Fürsten zur Hand mit den Sitten des Edlen. Ihr aber habt mir geraten, nach der Weise der Barbaren zu handeln, so daß ich ins Unrecht gesetzt wurde.«

Darauf gab er die von Lu geraubten vier Städte und das Gebiet nördlich vom Wenfluß11 wieder zurück.

8

Es handelt sich um den Fürsten Ging von Tsi, der damals im 48. Regierungsjahre stand.

9

Lai war ein »Barbaren«-Staat in Schantung, den sich Tsi einige Zeit vorher eingegliedert hatte.

10

Liang-kiu Gü gehörte zu den unteren Rängen der Großbeamten von Tsi.

11

Es handelt sich in Wirklichkeit nur um drei Städte, nämlich Yün, Huan und Gui Yin. Von diesen drei Städten wird Huan nördlich des Wen-Flusses lokalisiert.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 17-19.
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