2.

[159] Einst kam Dsï Yü, der Gerichtsschreiber von Tsi, nach Lu und besuchte den Meister Kung. Meister Kung redete mit ihm über die Wahrheit (Tao). Dsï Yü sprach erfreut: »Ich bin ein einfacher Mensch, lange schon habe ich Euren Namen gehört, ohne Euch persönlich zu sehen, und kannte Euren wahren Wert noch nicht. Von nun an aber kenne ich die Höhe des Taischan und die Weite des Weltmeers. Wie schade, daß Ihr keinen weisen König getroffen habt, so daß Euer Weg (Tao) und Eure Geisteskraft nicht dem Volk zugute kommen können und Ihr Eure Schätze künftigen Geschlechtern überlassen müßt.« Darauf zog er sich zurück und sagte zu Nan-Gung Ging-Schu: »Meister Kung ist der Nachkomme von alten Heiligen. Seit Fu Fu Ho haben seine Ahnen aller Generationen sich durch Tugend und Demut ausgezeichnet. Darauf ruht der Segen des Himmels. Der Vollender Tang war König über die Welt kraft seiner kriegerischen Tugend. Sein Gegenstück wäre ein Herrscher in der Kraft der Tugenden des Friedens. Aber seit dem Ahn des Yin-Hauses gab es einen solchen nicht.[159]

Meister Kung ist geboren zur Zeit des Verfalls des Dschou-Hauses. Die Ordnungen und Aufzeichnungen der alten Könige sind in wirrem Durcheinander oder verloren. Er behandelt die hinterlassenen Schriften seiner Vorgänger, er prüft und ordnet ihren Sinn. Er führt das Werk von Yau und Schun fort und bringt die Taten der Könige Wen und Wu ins Licht. Er hat die Lieder gereinigt, die Urkunden überliefert, die Sitten festgesetzt, die Musik geordnet, die Frühlings- und Herbst-Annalen gestaltet und das Buch der Wandlungen erläutert. Seine Lehren kommen auf künftige Geschlechter als Muster und Vorbild. Er strahlt im Glanze der Kraft des Friedens. Trotzdem hat er jeden belehrt, der auch nur ein Bündel Dörrfleisch brachte.6 Die Zahl seiner Schüler übersteigt schon dreitausend. Ob vielleicht der Himmel ihm die Macht eines ungekrönten Königs verleihen will? Wie herrlich ist er doch.«

Ging-Schu sprach: »Ihr werdet wohl recht haben. Kein Ding ist ganz vollkommen. Ich habe gehört, daß unter den Nachkommen der Heiligen außer ihm keiner ist, der wert wäre, ihr Werk fortzusetzen. Des Meisters Kung Lehre ist vollkommen. Sie wird sicher in Ewigkeit wirken. Es ist ganz unmöglich, daß nicht des Himmels Segen auf ihr ruhte.«

Dsï Gung hörte es und erzählte die Worte der beiden dem Meister Kung. Der Meister sprach: »Wie wäre ich so hoher Ehre würdig. Ich habe mir einfach vorgenommen, das Verwirrte zu ordnen und das Gefallene zu erheben. Das war mein eigener Wunsch. Kann ich dafür des Himmels Lohn erwarten?«

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Lun Yü 7, 7; Wilhelm S. 64.

Quelle:
KKungfutse: Gia Yü, Schulgespräche. Düsseldorf/Köln 1961, S. 159-160.
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