1. Kapitel
Der erste Frühlingsmonat / Mong Tschun

[1] Im ersten Frühlingsmonat steht die Sonne im Zeichen Ying Schï. Zur Zeit der Abenddämmerung kulminiert das Sternbild Schen. Zur Zeit der Morgendämmerung kulminiert das Sternbild We. Seine Tage sind Gia und I1. Sein göttlicher Herrscher ist Tai Hau (der große Leuchtende)2. Sein Schutzgeist ist Gou Mang (der Säer)3. Seine Tiere sind die Schuppentiere4. Seine Note ist Güo. Seine Tonart ist Tai Tsu5. Seine Zahl ist acht6. Sein Geschmack ist sauer. Sein Geruch ist muffig7. Man opfert den Türgeistern8. Unter den Opfergaben steht die Milz voran9.

Der Ostwind löst das Eis. Die Tiere beginnen aus ihrem Winterschlaf erweckt zu werden. Die Fische stoßen das Eis auf. Der Fischotter opfert Fische10. Die Zuggans zieht nach Norden.

Der Himmelssohn weilt in der Tsing Yang Halle im linken Raum11. Er fährt im Fasanenwagen, an dem große blauschwarze Drachenpferde angespannt sind. Es werden grüne Flaggen12 aufgesteckt. Man kleidet sich in grüne Kleider und trägt grünen Nephrit. Man ißt Weizen und Schaffleisch. Die Opfergefäße sind durchbrochen, um die Luft durchziehen zu lassen13.

In diesem Monat begeht man den Eintritt des Frühlings14. Drei Tage vor dem Eintritt des Frühlings begibt sich der Großastrolog zum Himmelssohn und spricht: »An dem und dem Tag ist Frühlingseintritt; die wirkende Kraft beruht auf dem Holz.« Der Himmelssohn fastet dann. Am Tag des Frühlingseintritts begibt sich der Himmelssohn in eigener Person an der Spitze der drei Großwürdenträger, der neun hohen Räte, der Fürsten und Räte zur Einladung[1] des Frühlings auf den östlichen Anger. Nach der Rückkehr verleiht er Auszeichnungen an die hohen Räte, die Fürsten und Räte im Schloßhof.

Er befiehlt den Ministern Milde zu verbreiten und gütige Gebote zu erlassen, Glück zu spenden und seine Gnade der Masse des Volkes teil werden zu lassen. Belohnungen und Gaben werden ausgeteilt, jedem das Seine.

Er befiehlt dem Großastrolog auf die Wahrung der Gesetze zu achten und Verordnungen zu erlassen, den Lauf des Himmels, der Sonne, des Mondes, der Sterne und Sternzeichen zu beobachten, damit die Mondhäuser in ihrem Rückgang ohne Irrtümer festgestellt werden, damit die Bahnen nicht falsch berechnet werden und der Frühlingseintritt als fester Punkt bestimmt wird.

In diesem Monat bittet der Himmelssohn an einem guten Tage um Getreidesegen zum höchsten Herrn. Darauf wird eine glückliche Stunde gewählt. Dann legt der König selbst eine Pflugschar an den dritten Platz des Wagens zwischen einen gepanzerten Wächter und den Wagenführer. Er begibt sich an der Spitze der drei höchsten Würdenträger, der neun hohen Räte, der Fürsten und Räte persönlich zum Pflügen auf den Acker des Herrn. Der Himmelssohn zieht drei Furchen, die drei höchsten Würdenträger ziehen fünf Furchen, die hohen Räte, Fürsten und Räte neun Furchen. Heimgekehrt ergreift der Himmelssohn im großen Gemach15 einen Pokal, während die drei höchsten Würdenträger, die neun hohen Räte, die Fürsten und Räte alle beisammen sind, und spricht zu ihnen: »Dies ist der Wein für eure Mühe.«

In diesem Monat hat sich die Kraft des Himmels nach unten gesenkt, und die Kraft der Erde ist nach oben gestiegen16. Himmel und Erde sind im Einklang und vereinigen ihre Wirkung. Kräuter und Bäume regen sich üppig.

Der König macht die Ackerbaugeschäfte bekannt. Er befiehlt den Feldaufsehern auf dem östlichen Anger ihre Wohnungen aufzuschlagen, die Grenzen und Scheidewege in Ordnung zu bringen, die Pfade und Kanäle gerade zu ziehen, eine genaue Übersicht anzufertigen über die Berge und Hügel, die Täler und Schluchten,[2] die Ebenen und Sümpfe, und entsprechend dem, was an den einzelnen Plätzen am besten fortkommt, die fünf Getreidearten einzupflanzen. Um das Volk darüber zu belehren, müssen sie bei allem selbst dabei sein. Wenn die Felder im voraus genau vermessen sind und nach der Linie begrenzt, so wissen die Bauern Bescheid.

In diesem Monat erhält der Musikmeister den Befehl, die Schulen zu besuchen und die heiligen Tänze einzuüben.

Die Opferlisten werden in Ordnung gebracht, es ergeht der Befehl, den Geistern der Berge, Wälder, Flüsse und Seen zu opfern. Als Opfer werden keine weiblichen Tiere verwendet.

Es ist verboten, Bäume zu fällen.

Man darf keine Nester ausnehmen und keine unausgebildeten, ungeborenen Tiere und halbflüggen Vögel töten, ebensowenig Hirschkälber und Eier.

Es sollen keine großen Menschenansammlungen stattfinden, keine Stadtmauern und Türme gebaut werden.

Gerippe und Totes werden verscharrt und eingegraben.

In diesem Monat darf man nicht zu den Waffen greifen. Wer zu den Waffen greift, wird sicher von des Himmels Strafe betroffen. Wenn niemand die Waffen gegen uns ergriffen hat, so dürfen wir nicht damit anfangen. Man darf den Lauf des Himmels nicht ändern. Man darf die natürlichen Linien der Erde nicht durchbrechen. Man darf die Ordnungen des Menschenlebens nicht stören.

Wenn im ersten Frühlingsmonat die für den Sommer gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden Wind und Regen nicht zur rechten Zeit kommen, Kräuter und Bäume vorzeitig dürr werden und die Staaten in Aufregung geraten. Wenn die für den Herbst gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden die Menschen von großen Seuchen betroffen werden, Stürme und Platzregen würden sich häufen, und allerlei Unkraut würde wuchern. Wenn die für den Winter gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde Unheil durch Überschwemmungen angerichtet, Reif und Schnee würden großen Schaden tun. Die Wintersaat würde nicht heimgebracht werden können.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 1-3.
Lizenz: