1. Kapitel
Der erste Wintermonat / Mong Dung

[117] Im ersten Wintermonat steht die Sonne im Zeichen We (Schwanz). Zur Zeit der Abenddämmerung kulminiert das Sternbild We (Abgrund). Zur Zeit der Morgendämmerung kulminieren die sieben Sterne. Seine Tage sind Jen und Gui1. Sein göttlicher Herrscher ist Dschuan Hü2. Sein Schutzgeist ist Hüan Ming (der dunkle Nächtige)3. Seine Tiere sind die Schaltiere. Seine Note ist Yü. Seine Tonart ist Ying Dschung4. Seine Zahl ist sechs5. Sein Geschmack ist salzig. Sein Geruch ist faulig. Man opfert dem Weggeist6. Unter den Opfergaben stehen die Nieren obenan.

Das Wasser beginnt sich mit Eis zu bedecken und die Erde zu gefrieren7. Die Fasanen gehen ins große Wasser8 und verwandeln sich in Austern. Der Regenbogen verbirgt sich und ist nicht mehr sichtbar9.

Der Himmelssohn weilt in der dunklen Halle, im linken Gemach10. Er fährt im schwarzen Wagen, an dem eisengraue Pferde angespannt sind. Es werden schwarze Flaggen aufgesteckt; man kleidet sich in schwarze Kleider und trägt schwarzen Nephrit. Man ißt Hirse mit Schweinefleisch11. Die Gefäße sind groß und tief.

In diesem Monat ist der Eintritt des Winters. Drei Tage vor dem Eintritt des Winters meldet der Großastrolog dem Himmelssohn und spricht: »An dem und dem Tag ist der Eintritt des Winters. Die wirkende Kraft beruht auf dem Wasser. Der Himmelssohn fastet dann. Am Tag des Wintereintritts begibt sich der Himmelssohn in eigner Person an der Spitze der drei Großwürdenträger, der neun Hohen Räte und Räte hinaus auf den Nordanger, um den Winter einzuholen. Nach der Heimkehr belohnt er die Dienste der Abgeschiedenen, indem er sich ihrer Witwen und Waisen annimmt.

In diesem Monat erhält der Großorakelmeister den Befehl, unter[117] Gebet die Schildkröte und die Schafgarbenstengel zu befragen und die Orakelsprüche auf Heil oder Unheil zu prüfen12. Auf diese Weise werden die Schmeichler und die Störer der Ordnung herausgefunden und daraufhin bestraft. Nichts kann verborgen bleiben.

In diesem Monat beginnt der Himmelssohn sich in Pelz zu kleiden.

Die Beamten erhalten folgenden Befehl: die Kraft des Himmels steigt nach oben; die Kraft der Erde sinkt nach unten. Himmel und Erde sind nicht in Verbindung, sie sind verschlossen und bilden den Winter13.

Alle Beamten erhalten den Befehl, sorgfältig die Vorratskeller zu bedecken. Der Unterrichtsminister erhält den Befehl, umherzureisen und dafür zu sorgen, daß in den Sammelstellen und Vorratskammern nichts unaufgehoben bleibt.

Es werden die inneren und äußeren Stadtmauern repariert. Man achtet auf die Tore der Dörfer und Städte. Man bringt die Riegel und Verschlüsse in Ordnung und sorgt für die Schlüssel und Bolzen. Man verschließt die öffentlichen Siegel. Man sorgt für die Grenzen, bringt die Verteidigungswerke in Ordnung, man wacht über Pässe und Brücken und schließt die Nebenwege und Fußpfade14. Man ordnet die Regeln über Beerdigung und Trauerzeit. Man bestimmt die verschiedenen Arten der Kleidung und setzt die Dicke der Särge und Sarkophage fest. Man sorgt für die Größe der Grabhügel, indem man ihre Höhe und vornehme Ausstattung nach den Rangstufen der Bevölkerung festsetzt.

In diesem Monat erhält der Aufseher der öffentlichen Arbeiten den Befehl, die Liste der ausgeführten Arbeiten einzureichen und die Opfergefäße aufzustellen nach ihrer Größe und ihrem Inhalt. Es ist dafür zu sorgen, daß niemand zu üppige oder zu übertriebene Geräte herstellt, die den Sinn der Oberen verwirren könnten. Alle Arbeiten müssen von bester Qualität sein. Auf die Geräte ist der Name des Verfertigers einzugraben, um seine Ehrlichkeit zu prüfen. Wenn ein Handwerker etwas nicht zweckentsprechend macht, so soll er unter allen Umständen bestraft werden, um seinem Betrug ein Ende zu machen.[118]

In diesem Monat ist ein großes Trinkgelage mit dargebrachten Fleischspenden. Der Himmelssohn bittet die himmlischen Ahnen um Gedeihen für das nächste Jahr15.

Es werden viele Opfertiere geschlachtet und dargebracht an die Götter des kaiserlichen Landesaltars und an die Schutzgeister der Stadt- und Dorftore. Es wird auch den verstorbenen Ahnen geopfert und den fünf Hausgöttern. Die Bauern erhalten ein Anerkennungsfest zubereitet, das ihnen Ruhe und Erholung bringt16.

Der Himmelssohn befiehlt den Befehlshabern, Unterricht zu erteilen in den Künsten des Krieges, Übungen zu veranstalten in Bogenschießen und Wagenfahren und Ringkämpfe abzuhalten.

In diesem Monat erhalten die Wasserbeamten und die Fischmeister den Befehl, die Abgaben auf Gewässer, Quellen, Teiche und Seen zu erheben. Dabei aber dürfen sie sich keinerlei Übergriffe den Volksmassen gegenüber erlauben, durch die der Himmelssohn bei seinen Untertanen verhaßt werden könnte. Wer sich etwa derartiges zuschulden kommen läßt, wird unnachsichtlich bestraft.

Wenn im ersten Wintermonat die für den Frühling gültigen Ordnungen befolgt würden, so würde das Eis nicht dicht schließen, die Kraft der Erde würde sich zerstreuen und von dem Volk würden viele heimatlos werden. Wenn die für den Sommer gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden sich im Reiche häufig heftige Winde erheben. Während des Winters würde es nicht kalt werden und die Winterschläfer würden wieder hervorkommen. Wenn die für den Herbst gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden Schnee und Reif nicht zur Zeit fallen, kleine kriegerische Angriffe würden dauernd vorkommen und das Land würde durch die Nachbarstaaten beraubt und verringert werden.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 117-119.
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