Atome sind empfindungslos

[86] Nunmehr gibst du gewiß mir auch zu, daß das, was Empfindung

Zeigt, wie wir sehn, doch alles empfindungslosen Atomen

Seine Entstehung verdankt. Damit stimmt völlig, was klar liegt,

Und nicht streitet damit, was männiglich jedem bekannt ist,

Sondern es führt uns vielmehr an der Hand und erzwingt das Bekenntnis,

Daß, wie gesagt, das Lebend'ge entsteht aus Empfindungslosem,

Sehn wir ja doch, wie lebendig Gewürm aus widrigem Kote

Seine Entstehung nimmt, sobald unzeitiger Regen

Fäulnisstoff erzeugt in der reichlich befeuchteten Erde.

Weiter sehn wir, wie alles sich ebenso untereinander

Wandelt, wie Wasser und Laub und labendes Futter in Schlachtvieh

Sich verwandelt und wieder das Vieh in die menschlichen Leiber

Seine Natur umändert, wie oft mit unserem Leibe

Tiere der Wildnis sich stärken und flügelgewaltige Vögel.

Also verwandelt Natur in lebendige Körper die Nahrung

Allen und schafft hieraus die Empfindung allen Geschöpfen,

Ebenso wie sie das trockene Holz zur Flamme entwickelt

Und die sämtlichen Scheite in loderndes Feuer verwandelt.

Siehst du nun ein, wie wichtig es ist, wie die Urelemente

Zueinander sich ordnen und wie sie gemischt und gelagert

Sind und wie sich verhält die wechselseit'ge Bewegung?

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 86.
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