Ewigkeit der Atombewegung

[69] Nie war des Urstoffs Masse zu dichteren Klumpen geballet

Oder durch weiteren Abstand der einzelnen Teilchen gelockert;[69]

Denn nichts mehrt sich darin und nichts geht hiervon verloren.

Deshalb waren die Körper der Urelemente von jeher

Stets in derselben Bewegung wie jetzt und sie werden wohl immer

Auch in künftiger Zeit auf die nämliche Art sich bewegen,

Und was gewöhnlich entsteht, das wird auch künftig entstehen

Unter derselben Bedingung, und leben, erwachsen und blühen,

Je nachdem das Gesetz der Natur es für jedes bestimmt hat.

Auch kann keine Gewalt die Welt im ganzen verändern;

Denn da ist ja kein Ort, wohin sich ein Teilchen des Urstoffs

Aus dem Bereiche des Alls zu entfernen vermöchte, noch gibt es

Orte, woher in das All sich neue Gewalten ergössen,

Um die Natur der Wesen und ihre Bewegung zu ändern.

Hierbei ist es jedoch nicht verwunderlich, daß uns das Weltall,

Während sich alle Atome in steter Bewegung befinden,

Dennoch den Eindruck macht, zu verharren in völliger Ruhe,

Außer wann irgendein Ding mit dem eigenen Körper sich rühret.

Denn der Atome Natur liegt weitab unter der Schwelle

Unserer Sinne verborgen. Drum muß sich dir, da die Atome

Selber nicht sichtbar sind, auch ihre Bewegung verbergen.

Hehlen doch oft schon Dinge, die wir mit den Augen erblicken,

Ihre Bewegungen uns, wenn sie allzu entfernt von uns stehen,

Auf dem Gebirg geht öfter die wolleerzeugende Herde

Grasend langsam vor, wohin just jedes der Schafe

Lockt die im Morgentau wie Demant glitzernde Matte,

Während gesättigte Lämmer zum Scherz mit den Hörnern sich stoßen;

Aber von weitem erscheint dies alles uns gänzlich verworren,

Nur wie ein weißlicher Fleck, der ruhig auf grünender Alp steht,

Ferner wenn starke Legionen im Sturmschritt füllen die Ebne

Und im Gefilde beginnen ein kriegnachahmendes Schauspiel,

Dann zuckt's dort wie ein Blitz zum Himmel empor, und die Erde

Schimmert von Erz ringsum, und unter dem Schritte der Männer

Stöhnt sie gewaltig auf, und der Kriegslärm hallt zum Gebirge,

Das zu des Himmels Gestirnen das Stimmengebrause zurückwirft;

Dazu schwärmen die Reiter umher; die brechen dann plötzlich

Mitten hindurch im gewaltigen Sturm und erschüttern das Blachfeld:

Und doch gibt's in dem hohen Gebirg manch' Plätzchen, von wo aus

Alles stille zu stehn und der Glanz im Gefilde zu ruhn scheint.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 69-70.
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