B) Der Kommunismus

[186] Sankt Max nennt den Kommunismus den »sozialen Liberalismus«, weil er wohl weiß, in welchem schlechten Geruch das Wort Liberalismus bei den Radikalen von 1842 und bei den am weitesten gegangenen Berliner Freijeistern steht. Diese Verwandlung gibt ihm zugleich Gelegenheit und Courage, den »sozialen Liberalen« allerlei Dinge in den Mund zu legen, die vor »Stirner« noch nie ausgesprochen wurden und deren Widerlegung dann zugleich den Kommunismus widerlegen soll.

Die Überwindung des Kommunismus geschieht durch eine Reihe teils logischer, teils historischer Konstruktionen.

[186] Erste logische Konstruktion.

Weil »Wir Uns zu Dienern von Egoisten gemacht sehen«, »sollen Wir« nicht selbst »zu Egoisten werden – – sondern lieber die Egoisten unmöglich machen. Wir wollen sie Alle zu Lumpen machen, wollen Alle Nichts haben, damit ›Alle‹ haben. – So die Sozialen. – Wer ist diese Person, die ihr ›Alle‹ nennt? Es ist die ›Gesellschaft‹.« p. 153.

Vermittelst ein paar Anführungszeichen verwandelt Sancho hier »Alle« in eine Person, die Gesellschaft als Person, als Subjekt = die heilige Gesellschaft, das Heilige. Jetzt weiß unser Heiliger, woran er ist, und kann einen ganzen Strom seines Feuereifers gegen »das Heilige« loslassen, womit natürlich der Kommunismus vernichtet ist.

Daß Sankt Max hier wieder den »Sozialen« seinen Unsinn als ihren Sinn in den Mund legt, ist nicht »zu verwundern«. Er identifiziert zuerst das »Haben« als Privateigentümer mit dem »Haben« überhaupt. Statt die bestimmten Verhältnisse des Privateigentums zur Produktion, statt das »Haben« als Grundbesitzer, als Rentier, als Commercant als Fabrikant, als Arbeiter zu betrachten – wo sich das »Haben« als ein ganz bestimmtes Haben, als das Kommando über fremde Arbeit ausweist – verwandelt er alle diese Verhältnisse in »die Habe«. [Hier fehlen im Manuskript vier Seiten.]

[...] den politischen Liberalismus hin ließ, der die »Nation« zur höchsten Eigentümerin machte. Der Kommunismus hat also gar kein »persönliches Eigentum« mehr »abzuschaffen«, sondern höchstens die Verteilung der »Lehen« auszugleichen, die »égalité« darin einzuführen. Über die Gesellschaft als »höchste Eigentümerin« und den »Lumpen« vergleiche Sankt Max u. a. den »Egalitaire« von 1840:

»Das soziale Eigentum ist ein Widerspruch, aber der soziale Reichtum ist eine Folge des Kommunismus. Fourier sagt hundertmal, im Gegensatz zu den bescheidnen Bourgeoismoralisten, nicht darin, daß Einige, zu viel haben, liege ein soziales Übel, sondern darin, daß Alle zu wenig haben«, und signalisiert darum auch, »La fausse Industrie«, Paris 1835, p. 410, die »Armut der Reichen«.

Desgleichen heißt es bereits in der 1839, also vor Weitlings »Garantien«, in Paris erschienenen deutschen kommunistischen Zeitschrift »Die Stimme des Volks«, Heft II, p. 14:

»Das Privateigentum, der vielbelobte, fleißige, gemütliche, unschuldige ›Privaterwerb‹, tut offenbar Abbruch dem Lebensreichtum.«[187]

Sankt Sancho nimmt hier die Vorstellung einiger zum Kommunismus übergehenden Liberalen und die Ausdrucksweise einiger aus sehr praktischen Gründen in politischer Form sprechenden Kommunisten für den Kommunismus.

Nachdem er das Eigentum »der Gesellschaft« übertragen hat, werden ihm sämtliche Teilhaber dieser Gesellschaft sofort zu Habenichtsen und Lumpen, obgleich sie selbst in seiner Vorstellung von der kommunistischen Ordnung der Dinge die »höchste Eigentümerin« »haben«. – Der wohlmeinende Vorschlag, den er den Kommunisten macht, »das Wort ›Lump‹ zu einer ehrenden Anrede zu erheben, wie die Revolution das Wort Bürger dazu erhob«, ist ein schlagendes Beispiel, wie er den Kommunismus mit einer längst dagewesenen Sache verwechselt. Die Revolution hat selbst, im Gegensatz zu den »honnêtes gens« die er sehr dürftig durch gute Bürger übersetzt, das Wort sans-culotte »zu einer ehrenden Anrede erhoben«. Solches tut der heilige Sancho, auf daß erfüllet werde das Wort, das da geschrieben steht im Propheten Merlin von den dreitausenddreihundert Backenstreichen, die der Mann, der da kommen soll, sich selber geben muß:


Es menester, que Sancho tu escudero

Se dé tres mil azotes, y tre cientos

En ambas sus valientes posaderas

Alaire descubiertas, y de modo

Que le escuezan, le amarguen y le enfaden.

(Don Quijote, tomo II, cap. 35.)


Sankt Sancho konstatiert »die Erhebung der Gesellschaft zur höchsten Eigentümerin« als »zweiten Raub am Persönlichen, im Interesse der Menschlichkeit«, während der Kommunismus nur der vollendete Raub am »Raub des Persönlichen« ist. »Weil ihm der Raub ohne alle Frage für verabscheuungswürdig gilt, darum glaubt z.B.« Sankt Sancho »schon mit dem« obigen »Satze« den Kommunismus »gebrandmarkt zu haben«. (»Das Buch«, p. 102.) »Hatte« »Stirner« »gar den Raub« am Kommunismus »gewittert, wie sollte er denn nicht gegen ihn einen ›tiefen Abscheu‹ und eine ›gerechte Entrüstung‹ gefaßt haben«! (Wig[and,] p. 156.) »Stirner« wird hiermit aufgefordert,[188] uns den Bourgeois zu nennen, der über den Kommunismus (oder Chartismus) geschrieben und nicht dieselbe Albernheit mit vieler Emphase vorgebracht hat. An dem, was dem Bourgeois für »persönlich« gilt, wird der Kommunismus allerdings einen »Raub« ausüben.

Erstes Korollar.

p. 349. »Der Liberalismus trat sogleich mit der Erklärung auf, daß es zum Wesen des Menschen gehöre, nicht Eigentum, sondern Eigentümer zu sein. Da es hierbei um den Menschen, nicht um den Einzelnen zu tun war, so, blieb das Wieviel, welches grade das spezielle Interesse der Einzelnen ausmachte, diesen überlassen. Daher behielt der Egoismus der Einzelnen in diesem Wieviel den freiesten Spielraum und trieb eine unermüdliche Konkurrenz.«

D.h. der Liberalismus, i.e. die liberalen Privateigentümer, gaben im Anfange der französischen Revolution dem Privateigentum einen liberalen Schein, Indem sie es für ein Menschenrecht erklärten. Sie waren hierzu schon durch ihre Stellung als revolutionierende Partei gezwungen, sie waren sogar gezwungen, der Masse des französischen [Land]volks nicht nur das Recht des Eigentums zu geben, son[dern a]uch wirkliches Eigentum nehmen zu lassen, und sie konnten dies Alles tun, weil dadurch ihr eignes »Wieviel«, worauf es ihnen hauptsächlich ankam, unberührt blieb und sogar sichergestellt wurde. – Wir finden hier ferner konstatiert, daß Sankt Max die Konkurrenz aus dem Liberalismus entstehen läßt, ein Backenstreich, den er der Geschichte aus Rache für die Backenstreiche gibt, die er oben sich selbst geben mußte. Die »genauere Erklärung« des Manifestes, womit er den Liberalismus »sogleich auftreten« läßt, finden wir bei Hegel, der sich im Jahre 1820 dahin aussprach:

»Im Verhältnis zu äußerlichen Dingen ist das Vernünftige« (d.h. geziemt es mir als Vernunft, als Mensch), »daß ich Eigentum besitze – – was und wieviel ich besitze, ist daher eine rechtliche Zufälligkeit.« (»Rechtsphil[osophie]«, § 49.)

Bei Hegel ist das Bezeichnende, daß er die Phrase des Bourgeois zum wirklichen Begriff, zum Wesen des Eigentums macht, was »Stirner« ihm getreulich nachmacht. Sankt Max basiert nun auf obige Entwicklung die weitere Aussage, daß der Kommunismus

»die Frage nach dem Wieviel des Innehabens aufstellte und sie dahin beantwortete, daß der Mensch so viel haben müsse, als er brauche. Wird sich mein Egoismus damit genügen können? – – – Ich muß vielmehr so viel haben, als ich mir anzueignen vermögend bin.« (p. 349.)

Zuerst ist hier zu bemerken, daß der Kommunismus keineswegs aus dem § 49 der Hegelschen »Rechtsphilosophie« und seinem »Was und Wieviel«[189] hervorging. Zweitens fällt es »dem Kommunismus« nicht ein, »dem Menschen« etwas geben zu wollen, da »der Kommunismus« keineswegs der Meinung ist, daß »der Mensch« irgend etwas »brauche« als eine kurze kritische Beleuchtung. Drittens schiebt er dem Kommunismus das »Brauchen« des heutigen Bourgeois unter, er bringt also eine Distinktion herein, die ihrer Lumpigkeit wegen bloß in der heutigen Gesellschaft und ihrem Ideellen Abbilde, dem Stirnerschen Verein von »einzelnen Schreiern« und freien Nähterinnen, von Wichtigkeit sein kann. »Stirner« hat wieder große »Durchschauungen« des Kommunismus zustande gebracht. Schließlich unterstellt Sankt Sancho in seiner Forderung, so viel haben zu müssen, als er selbst sich anzueignen vermögend ist (wenn diese nicht etwa auf die gewöhnliche Bourgeoisphrase, daß jeder nach Vermögen haben, das Recht des freien Erwerbs haben solle), den Kommunismus als durchgesetzt, um sein »Vermögen« frei entwickeln und geltend machen zu können, was keineswegs allein von ihm, so wenig wie sein »Vermögen« selbst, sondern auch von den Produktions- und Verkehrsverhältnissen, in denen er lebt, abhängt. – (Vgl. unten den »Verein«.) Sankt Max handelt übrigens nicht einmal selbst nach seiner Lehre, da er in seinem ganzen »Buche« Sachen »braucht« und verbraucht, die er »sich anzueignen« nicht »vermögend war«.

Zweites Korollar.

»Aber die Sozialreformer predigen Uns ein Gesellschaftsrecht. Da wird der Einzelne der Sklave der Gesellschaft.« p. 246. »Nach der Meinung der Kommunisten soll jeder die ewigen Menschenrechte genießen.« p. 238.

Über die Ausdrücke Recht, Arbeit pp., wie sie bei proletarischen Schriftstellern vorkommen, und wie sich die Kritik zu ihnen zu verhalten hat, werden wir beim »wahren Sozialismus« (siehe Band 11) sprechen. Was das Recht betrifft, so haben wir unter vielen Andern den Gegensatz des Kommunismus gegen das Recht sowohl als politisches und privates als auch in seiner allgemeinsten Form als Menschenrecht geltend gemacht. Siehe »Deutsch-Französische Jahrbücher«, wo das Privilegium, das Vorrecht als entsprechend dem ständisch gebundenen Privateigentum, und das Recht als entsprechend dem Zustande der Konkurrenz, des freien Privateigentums gefaßt ist, p. 206 und anderwärts; ebenso das Menschenrecht selbst als Privilegium und das Privateigentum als Monopol. Ferner die Kritik des Rechts in Zusammenhang gebracht mit der deutschen Philosophie und als Konsequenz der Kritik der Religion dargestellt, p. 72, und ausdrücklich die Rechtsaxiome, die auf den Kommunismus führen sollen, als Axiome des Privateigentums gefaßt, wie[190] das gemeinsame Besitzrecht als eingebildete Voraussetzung des Rechts des Privateigentums, p. 98, 99.

Die obige Redensart übrigens einem Babeuf entgegenzuhalten, ihn als theoretischen Repräsentanten des Kommunismus zu fassen, konnte nur einem Berliner Schulmeister einfallen. »Stirner« entblödet sich Indessen nicht, p. 247 zu behaupten, daß der Kommunismus, welcher annimmt,

»daß die Menschen von Natur gleiche Rechte haben, seinen eignen Satz dahin widerlege, daß die Menschen von Natur gar keine Rechte haben. Denn er will z.B. nicht anerkennen, daß die Eltern Rechte gegen die Kinder haben, er hebt die Familie auf. Überhaupt beruht dieser ganze revolutionäre oder Babeufsche (vgl. ›Die Kommunisten in der Schweiz, Kommissionalbericht‹, p. 3) Grundsatz auf einer religiösen, d.h. falschen Anschauung.«

Nach England kommt ein Yankee, wird durch den Friedensrichter daran gehindert, seinen Sklaven auszupeitschen, und ruft entrüstet aus: »Do you call this a land of liberty, where a man can't larrup his nigger?«

Sankt Sancho blamiert sich hier doppelt. Erstens sieht er darin eine Aufhebung der »gleichen Rechte der Menschen«, daß die »von Natur gleichen Rechte« der Kinder gegen die Eltern geltend gemacht, daß Kindern wie Eltern gleiches Menschenrecht gegeben wird. Zweitens erzählt Jacques le bonhomme zwei Seiten vorher, daß der Staat sich nicht einmische, wenn der Sohn vom Vater geprügelt werde, weil er das Famillenrecht anerkenne. Was er also einerseits für ein partikulares Recht (Familienrecht) ausgibt, subsumiert er andrerseits unter die »von Natur gleichen Rechte der Menschen«. Schließlich gesteht er uns, daß er den Babeuf nur aus dem Bluntschlibericht kennt, während der Bluntschlibericht p. 3 uns ebenfalls gesteht, daß er seine Weisheit aus dem wackern L. Stein, Doktor der Rechte, geschöpft hat. Die gründliche Kenntnis, die Sankt Sancho vom Kommunismus hat, geht aus diesem Zitat hervor. Wie Sankt Bruno sein Revolutionsmakler, so ist Sankt Bluntschli sein Kommunistenmakler. Bei diesem Stande der Dinge darf es uns auch nicht wundern, wenn unser Wort Gottes vom Lande ein paar Zeilen weiter die fraternité der Revolution auf die »Gleichheit der Kinder Gottes« (in welcher christlichen Dogmatik kommt die égalité vor?) reduziert.

Drittes Korollar.

p. 414: Weil das Prinzip der Gemeinschaft im Kommunismus kulminiert, darum ist der Kommunismus = »Glorie des Liebesstaats«.[191]

Aus dem Liebesstaat, der ein eigenes Fabrikat Sankt Maxens ist, leitet er hier den Kommunismus ab, der dann natürlich auch ein ausschließlich Stirnerscher Kommunismus bleibt. Sankt Sancho kennt nur den Egoismus auf der einen oder den Anspruch auf die Liebesdienste, Erbarmen, Almosen der Leute auf der andern Seite. Außer und über diesem Dilemma gibt es für ihn Nichts.

Dritte logische Konstruktion.

»Weil in der Gesellschaft sich die drückendsten Übelstände bemerklich machen, so denken besonders« (!) »die Gedrückten« (!), »die Schuld in der Gesellschaft zu finden, und machen sich's zur Aufgabe, die rechte Gesellschaft zu entdecken.« p. 155.

Im Gegenteil »macht sich's« »Stirner« »zur Aufgabe«, die ihm »rechte Gesellschaft«, die heilige Gesellschaft, die Gesellschaft als das Heilige zu entdecken. Die heutzutage »in der Gesellschaft« »Gedrückten« »denken« bloß darauf, die ihnen rechte Gesellschaft, die zunächst in der Abschaffung der jetzigen Gesellschaft, auf der Basis der vorgefundenen Produktivkräfte, besteht, durchzusetzen. Weil e. g. bei einer Maschine »sich drückende Übelstände bemerkbar machen«, z.B. daß sie nicht gehen will, und Diejenigen, die die Maschine nötig haben, z.B. um Geld zu machen, den Übelstand in der Maschine finden, auf ihre Veränderung ausgehen pp., so machen sie sich's nach Sankt Sancho zur Aufgabe, nicht sich die Maschine zurechtzurücken, sondern die rechte Maschine, die heilige Maschine, die Maschine als das Heilige, das Heilige als die Maschine, die Maschine im Himmel zu entdecken. »Stirner« rät ihnen, »in sich« die Schuld zu suchen. Ist es nicht ihre Schuld, daß sie z.B. der Hacke und des Pflugs bedürfen? Könnten sie nicht mit den Nägeln die Kartoffeln in den Boden hinein- und aus ihm herauskratzen? Der Heilige predigt ihnen darüber p. 156:

»Es ist das nur eine alte Erscheinung, daß man die Schuld zuerst in allem Andern als in sich sucht – also im Staat, in der Selbstsucht der Reichen, die doch gerade unsere Schuld ist.«

Der »Gedrückte«, der »im Staate« »die Schuld« des Pauperismus sucht, ist, wie wir oben vorläufig sahen. Niemand anders als Jacques le bonhomme selbst. Zweitens, der »Gedrückte«, der sich dabei beruhigt, die »Schuld« in der »Selbstsucht des Reichen« finden zu lassen, ist wieder Niemand anders als Jacques le bonhomme. Er hätte sich aus des Schneiders und Doktors der Philosophie John Watts »Facts and Fictions«, aus Hobsons »Poor Man's Companion« etc. eines Bessern in Beziehung auf die andern Gedrückten belehren[192] können. Und wer ist, drittens, die Person von »Unsrer Schuld«, etwa das Proletarierkind, das skrofulös auf die Welt kommt, mit Opium heraufgezogen, im siebenten Jahre in die Fabrik geschickt wird – etwa der einzelne Arbeiter, dem hier zugemutet wird, sich auf seine Faust gegen den Weltmarkt zu »empören« – etwa das Mädchen, das entweder verhungern oder sich prostituieren muß? Nein, sondern nur Der, der »alle Schuld«, d.h. die »Schuld« des ganzen jetzigen Weltzustandes »in sich« sucht, nämlich abermals Niemand als Jacques le bonhomme selbst: »Es ist dies nur die alte Erscheinung« des christlichen Insichgehens und Bußetuns in germanisch-spekulativer Form, der Idealistischen Phraseologie, wo Ich, der Wirkliche, nicht die Wirklichkeit verändern muß, was Ich nur mit Andern kann, sondern in mir mich verändern. »Es ist der innerliche Kampf des Schriftstellers mit sich selbst.« (»Die heilige Familie«, p. 122. vgl. p. 73, p. 121 und p. 306.)

Nach Sankt Sancho suchen also die von der Gesellschaft Gedrückten die rechte Gesellschaft. Konsequent müßte er also auch Diejenigen, die »im Staate die Schuld suchen«, und Beide sind bei ihm dieselben Personen, den rechten Staat suchen lassen. Dies darf er aber nicht, denn er hat davon gehört, daß die Kommunisten den Staat abschaffen wollen. Diese Abschaffung des Staats muß er jetzt konstruieren, und dies vollbringt der heilige Sancho wieder vermittelst seines »Grauen«, der Apposition, in einer Weise, die »sehr einfach aussieht«:

»Weil die Arbeiter sich im Notstand befinden, so muß der gegenwärtige Stand der Dinge, d.i. der Staat (status = Stand) abgeschafft werden« (ibid.).

Also:

Notstand = gegenwärtigem Stand der Dinge.

Gegenwärtiger Stand der Dinge = Stand.

Stand = Status.

Status = Staat.

Schluß: Notstand = Staat.

Was kann »einfacher aussehen«? »Es ist nur zu verwundern«, daß die englischen Bourgeois von 1688 und die französischen von 1789 nicht dieselben »einfachen Reflexionen« und Gleichungen »anstellten«, wo damals doch noch viel mehr der Stand = Status = der Staat war. Es folgt daraus, daß überall, wo »Notstand« vorhanden ist, »der Staat«, der natürlich in Preußen und in Nordamerika derselbe ist, abgeschafft werden muß.[193]

Sankt Sancho gibt uns jetzt, nach seiner Gewohnheit, einige Sprüche Salomonis.

Spruch Salomonis Nr. 1.

p. 163: »Daß die Gesellschaft gar kein Ich ist, das geben pp. könnte, sondern ein Instrument, aus dem wir Nutzen ziehen mögen, daß wir keine gesellschaftlichen Pflichten, sondern lediglich Interessen haben, daß wir der Gesellschaft keine Opfer schuldig sind, sondern, opfern wir etwas, es Uns opfern, daran denken die Sozialen nicht, weil sie im religiösen Prinzip gefangen sitzen und eitrig trachten nach einer heiligen Gesellschaft.«

Hieraus ergeben sich folgende »Durchschauungen« des Kommunismus:

1. hat Sankt Sancho ganz vergessen, daß Er selber es war, der »die Gesellschaft« in ein »Ich« verwandelte, und sich daher bloß in seiner eignen »Gesellschaft« befindet;

2. glaubt er, die Kommunisten warteten darauf, daß ihnen »die Gesellschaft« Irgend etwas »gebe«, während sie sich höchstens eine Gesellschaft geben wollen;

3. verwandelt er die Gesellschaft, ehe sie existiert. In ein Instrument, aus dem er Nutzen ziehen will, ohne daß er und andre Leute durch gegenseitiges gesellschaftliches Verhalten eine Gesellschaft, also dies »Instrument«, produziert haben;

4. glaubt er, daß in der kommunistischen Gesellschaft von »Pflichten« und »Interessen« die Rede sein könne, von zwei sich ergänzenden Seiten eines Gegensatzes, der bloß der Bourgeoisgesellschaft angehört (im Interesse schiebt der reflektierende Bourgeois immer ein Drittes zwischen sich und seine Lebensäußerung, eine Manier, die wahrhaft klassisch bei Bentham erscheint, dessen Nase erst ein Interesse haben muß, ehe sie sich zum Riechen entschließt. Vgl. »das Buch« über das Recht an seiner Nase, p. 247);

5. glaubt Sankt Max, die Kommunisten wollten »der Gesellschaft« »Opfer bringen«, wo sie höchstens die bestehende Gesellschaft opfern wollen – er müßte dann ihr Bewußtsein, daß ihr Kampf ein allen dem Bourgeoisregime entwachsenen Menschen gemeinschaftlicher ist, als ein Opfer bezeichnen, das sie sich bringen;

6. daß die Sozialen im religiösen Prinzip befangen sind und

7. daß sie nach einer heiligen Gesellschaft trachten, fand schon oben seine Erledigung. Wie »eifrig« Sankt Sancho nach der »heiligen [Gese]llschaft« »trachtet«, um durch sie den Kommu[nis]mus widerlegen zu können, haben wir gesehen.

[194] Spruch Salomonis. Nr. II.

p. 277: »Wäre das Interesse an der sozialen Frage weniger leidenschaftlich und verblendet, so würde man... erkennen, daß eine Gesellschaft nicht neu werden kann, solange Diejenigen, welche sie ausmachen und konstituieren, die Alten bleiben.«

»Stirner« glaubt hier, daß die kommunistischen Proletarier, die die Gesellschaft revolutionieren, die Produktionsverhältnisse und die Form des Verkehrs auf eine neue Basis, d.h. auf sich als die Neuen, auf ihre neue Lebensweise setzen, »die Alten« bleiben. Die unermüdliche Propaganda, die diese Proletarier machen, die Diskussionen, die sie täglich unter sich führen, beweisen hinlänglich, wie wenig sie selbst »die Alten« bleiben wollen und wie wenig sie überhaupt wollen, daß die Menschen »die Alten« bleiben sollen. »Die Alten« würden sie nur dann bleiben, wenn sie mit Sankt Sancho »die Schuld in sich suchten«; sie wissen aber zu gut, daß sie nur unter veränderten Umständen aufhören werden, »die Alten« zu sein, und darum sind sie entschlossen, diese Umstände bei der ersten Gelegenheit zu verändern. In der revolutionären Tätigkeit fällt das Sich-Verändern mit dem Verändern der Umstände zusammen. – Dieser große Spruch wird durch ein ebenso großes Exempel erläutert, das natürlich wieder aus der Welt »des Heiligen« genommen ist.

»Sollte z.B. aus dem Jüdischen Volk eine Gesellschaft entstehen, welche einen neuen Glauben über die Erde verbreitete, so durften diese Apostel doch keine Pharisäer bleiben.«


Die ersten Christen

= eine Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens (gestiftet Anno I).

= Congregatio de Propaganda fide (gestiftet 1640).

Anno I = Anno 1640.

Diese entstehen sollende Gesellschaft

= Diese Apostel.

Diese Apostel

= Nichtjuden.

Das jüdische Volk

= Pharisäer.

Christen

= Nichtpharisäer.

= Nicht das jüdische Volk.


Was kann einfacher aussehen?

Durch diese Gleichungen gestärkt, spricht Sankt Max das große historische Wort gelassen aus:

[195] »Die Menschen, weit entfernt, sich zur Entwicklung kommen zu lassen, wollten immer eine Gesellschaft bilden.«

Die Menschen, immer weit entfernt, eine Gesellschaft bilden zu wollen, ließen dennoch nur die Gesellschaft zu einer Entwicklung kommen, weil sie sich fortwährend nur als Vereinzelte entwickeln wollten, und kamen deshalb nur in und durch die Gesellschaft zu ihrer eignen Entwicklung. Übrigens kann es nur einem Heiligen vom Gepräge unsres Sancho einfallen, die Entwicklung »der Menschen« von der Entwicklung »der Gesellschaft«, in der diese Menschen leben, zu trennen und von dieser phantastischen Grundlage aus weiterzuphantasieren. Er hat übrigens seinen ihm von Sankt Bruno eingegebenen Satz vergessen, in dem er gleich vorher die moralische Forderung an die Menschen stellte, sich selbst zu ändern und dadurch ihre Gesellschaft – worin er also die Entwicklung der Menschen mit der Entwicklung ihrer Gesellschaft Identifizierte.

Vierte logische Konstruktion.

Er läßt den Kommunismus, im Gegensatz zu den Staatsbürgern, p. 156 sagen:

»Nicht darin besteht Unser Wesen« (!), »daß wir Alle die gleichen Kinder des Staats« (!) »sind, sondern darin, daß wir Alle füreinander da sind. Darin sind Wir Alle gleich, daß Wir Alle füreinander da sind, daß jeder für den Andern arbeitet, daß jeder von Uns ein Arbeiter ist.« Er setzt nun »als Arbeiter existieren« = »Jeder von uns nur durch den Andern existieren«, wo also der Andere »z.B. für meine Kleidung, Ich für sein Vergnügungsbedürfnis, er für meine Nahrung, Ich für seine Belehrung arbeite. Also das Arbeitertum ist unsere Würde und unsere Gleichheit. – Welchen Vorteil bringt Uns das Bürgertum? Lasten. Und wie hoch schlägt man unsere Arbeit an? So niedrig als möglich. – – Was könnt ihr uns entgegenstellen? Doch auch nur Arbeit!« »Nur für Arbeit sind wir Euch einen Recom[pe]nse schuldig«; »nur durch Das, was ihr [Uns] Nützliches leistet«, »habt ihr [e]inen Anspruch auf Uns«. »Wir wollen Euch nur so viel wert sein, als Wir Euch leisten; ihr aber sollt desgleichen von Uns gehalten sein.« »Die Leistungen, die Uns etwas wert sind, also die gemeinnützigen Arbeiten, bestimmen den Wert. – – Wer Nützliches verrichtet, der stehe Keinem nach, oder – alle (gemeinnützigen) Arbeiter sind gleich. Da aber der Arbeiter seines Lohnes wert ist, so sei auch der Lohn gleich.« p. 157, 158.

Bei »Stirner« fängt »der Kommunismus« damit an, sich nach »dem Wesen« umzusehen; er will wieder, als guter »Jüngling«, nur »hinter die Dinge kommen«. Daß der Kommunismus eine höchst praktische Bewegung ist, die praktische Zwecke mit praktischen Mitteln verfolgt und die sich höchstens in[196] Deutschland, den deutschen Philosophen gegenüber, einen Augenblick auf »das Wesen« einlassen kann, das geht unsern Heiligen natürlich Nichts an. Dieser Stirnersche »Kommunismus«, der so sehr nach »dem Wesen« schmachtet, kommt daher auch nur zu einer philosophischen Kategorie, dem »Füreinandersein«, die dann vermittelst einiger gewaltsamen Gleichungen


Füreinandersein = Nur durch den Andern existieren

= als Arbeiter existieren

= allgemeines Arbeitertum


der empirischen Welt etwas näher gerückt wird. Übrigens wird der heilige Sancho aufgefordert, z.B. in Owen (der doch als Repräsentant des englischen Kommunismus ebensowohl für »den Kommunismus« gelten kann wie z.B. der nichtkommunistische Proudhon43, aus dem er sich das meiste der obigen Sätze abstrahiert und zurechtgestellt) eine Stelle nachzuweisen, in der irgend etwas von den obigen Sätzen über »Wesen«, allgemeines Arbeitertum etc. sich findet. Übrigens brauchen wir so weit gar nicht einmal zurückzugehen. Die schon oben zitierte deutsche kommunistische Zeitschrift »Die Stimme des Volks« spricht sich im dritten Heft dahin aus:

»Was heute Arbeit heißt, ist nur ein winzig elendes Stück des gewaltigen, großmächtigen Produzierens; nämlich nur dasjenige Produzieren, welches widerlich und gefährlich, beehrt die Religion und Moral, Arbeit zu taufen, und unterfängt sich noch obendrein, allerlei Sprüche, gleichsam Segenssprüche (oder Hexensprüche) drüber zu streuen: ›Arbeiten im Schweiß des Angesichts‹ als Prüfung Gottes; ›Arbeit macht das Leben süß‹ zur Ermunterung usw. Die Moral der Welt, in der wir leben, hütet sich sehr weislich, das Verkehren der Menschen von den amüsanten und freien Seiten auch Arbeit zu nennen. Das schmäht sie, obschon es auch Produzieren ist. Das schimpft sie gern Eitelkeit, eitle Lust, Wollust. Der Kommunismus hat diese heuchlerische Predigerin, die elende Moral, entlarvt.«

Als allgemeines Arbeitertum hat nun Sankt Max den ganzen Kommunismus auf gleichen Arbeitslohn reduziert, eine Entdeckung, die sich in folgenden drei »Brechungen« wiederholt: p. 351: »Gegen die Konkurrenz erhebt sich das Prinzip der Lumpengesellschaft – die Verteilung. Soll Ich nun etwa, der Vielvermögende, vor dem Unvermögenden Nichts voraushaben?« Ferner p. 363 spricht er von einer »allgemeinen Taxe für die menschliche Tätigkeit[197] in der kommunistischen Gesellschaft«. Und endlich p. 350, wo er den Kommunisten unterschiebt, sie hielten »die Arbeit« für »das einzige Vermögen« der Menschen. Sankt Max bringt also das Privateigentum in seiner doppelten Gestalt, als Verteilung und Lohnarbeit, wieder in den Kommunismus herein. Wie schon früher beim »Raub«, manifestiert Sankt Max hier wieder die allergewöhnlichsten und borniertesten Bourgeoisvorstellungen als seine »eignen« »Durchschauungen« des Kommunismus. Er macht sich ganz der Ehre würdig, von Bluntschli unterrichtet worden zu sein. Als echter Kleinbürger hat er dann auch Furcht, er, »der Vielvermögende«, »solle Nichts vor dem Unvermögenden voraushaben« – obwohl er Nichts mehr zu fürchten hätte, als seinem eignen »Vermögen« überlassen zu bleiben.

Nebenbei bildet sich »der Vielvermögende« ein, das Staatsbürgertum sei den Proletariern gleichgültig, nachdem er zuerst vorausgesetzt hat, sie hätten es. Gerade wie er oben sich einbildete, dem Bourgeois sei die Regierungsform gleichgültig. Den Arbeitern liegt so viel am Staatsbürgertum, d.h. dem aktiven Staatsbürgertum, daß sie da, wo sie es haben, wie in Amerika, es gerade »verwerten«, und wo sie es nicht haben, es erwerben wollen. Vergleiche die Verhandlungen der nordamerikanischen Arbeiter in zahllosen Meetings, die ganze Geschichte des englischen Chartismus und des französischen Kommunismus und Reformismus.

Erstes Korollar.

»Der Arbeiter hält sich. In seinem Bewußtsein, daß das Wesentliche an ihm der Arbeiter sei, vom Egoismus fern und unterwirft sich der Oberhoheit einer Arbeitergesellschaft, wie der Bürger mit Hingebung« (!) »am Konkurrenzstaate hing.« p. 162.

Der Arbeiter hält sich höchstens an dem Bewußtsein, daß das Wesentliche an ihm für den Bourgeois der Arbeiter sei, der sich darum auch gegen den Bourgeois als solchen geltend machen kann. Die beiden Entdeckungen Sankt Sanchos, die »Hingebung des Bürgers« und den »Konkurrenzstaat«, kann man nur als neue »Vermögens«-Beweise des »Vielvermögenden« registrieren.

Zweites Korollar.

»Der Kommunismus soll das ›Wohl Aller‹ bezwecken. Das sieht doch wirklich so aus, als brauchte dabei Keiner zurückzustehen. Welches wird denn aber dieses Wohl sein? Haben Alle ein und dasselbe Wohl? Ist Allen gleich wohl bei Einem und Demselben?... Ist dem so, so handelt sichs vom ›wahren Wohl‹. Kommen Wir damit nicht gerade bei dem Punkte an, wo die Religion ihre Gewaltherrschaft beginnt? – – – Die Gesellschaft hat ein Wohl als das ›wahre Wohl‹ dekretiert, und hieße dies Wohl z.B. redlicher erarbeiteter Genuß, Du aber zögest die genußreiche Faulheit vor, so würde die Gesellschaft[198] – – für das, wobei Dir wohl ist, zu sorgen sich weislich hüten. Indem der Kommunismus du Wohl Aller proklamiert, vernichtet er gerade das Wohlsein Derer, welche bisher von ihren Renten lebten etc.« p. 411,412.

»Ist dem so«, so ergeben sich hieraus folgende Gleichungen:

Das Wohl Aller

= Kommunismus

= Ist dem so

= Ein und dasselbe Wohl Aller

= Das Gleichwohlsein Aller bei Einem und Demselben

= Das Wahre Wohl = [Das heilige Wohl, das Heilige, Herrschaft des Heiligen, Hierarchie]

= Gewaltherrschaft der Religion.

Kommunismus

= Gewaltherrschaft der Religion.


»Das sieht doch wirklich so aus«, als ob »Stirner« hier vom Kommunismus dasselbe gesagt hätte, was er bisher von allen andern Sachen sagte.

Wie tief unser Heiliger den Kommunismus »durchschaut« hat, geht wieder daraus hervor, daß er ihm zumutet, den »redlich erarbeiteten Genuß« als »wahres Wohl« durchsetzen zu wollen. Wer außer »Stirner« und einigen Berliner Schuster- und Schneidermeistern denkt an »redlich erarbeiteten Genuß«44! Und nun gar den Kommunisten dies in den Mund zu legen, bei denen die Grundlage dieses ganzen Gegensatzes von Arbeit und Genuß wegfällt. Der moralische Heilige mag sich darüber beruhigen. Das »redliche Erarbeiten« wird man ihm und Denen überlassen, die er, ohne es zu wissen, vertritt – seinen kleinen, von der Gewerbfreiheit ruinierten und moralisch »empörten« Handwerksmeistern. Auch die »genußreiche Faulheit« gehört ganz der trivialsten Bürgeranschauung an. Die Krone des ganzen Satzes ist aber das pfiffige Bürgerbedenken, das er den Kommunisten macht; sie wollten das »Wohlsein« der Rentiers vernichten und sprächen doch vom »Wohlsein Aller«. Er glaubt also, daß in der kommunistischen Gesellschaft noch Rentiers vorkommen, deren »Wohlsein« zu vernichten wäre. Er behauptet, daß das »Wohlsein« als Rentier ein den Individuen, die jetzt Rentiers sind, inhärentes, von ihrer Individualität nicht zu trennendes sei; er bildet sich ein, daß für[199] diese Individuen gar kein anderes »Wohlsein« existieren könne als das, was durch ihr Rentier-Sein bedingt ist. Er glaubt ferner, die Gesellschaft sei schon kommunistisch eingerichtet, solange sie noch gegen Rentiers und dergleichen zu kämpfen hat.45 Die Kommunisten machen sich allerdings kein Gewissen daraus, die Herrschaft der Bourgeois zu stürzen und ihr »Wohlsein« zu zerstören, sobald sie die Macht dazu haben werden46. Es liegt ihnen keineswegs daran, ob dies ihren Feinden gemeinsame, durch die Klassenverhältnisse bedingte »Wohlsein« auch als persönliches »Wohlsein« sich an eine bornierterweise vorausgesetzte Sentimentalität adressiert.

Drittes Korollar.

p. 190 »ersteht« in der kommunistischen Gesellschaft »die Sorge wieder als Arbeit«.

Der gute Bürger »Stirner«, der sich bereits freut, im Kommunismus seine geliebte »Sorge« wiederzufinden, hat sich diesmal doch verrechnet. Die »Sorge« ist nichts anderes als die gedrückte und geängstigte Gemütsstimmung, die im Bürgertum die notwendige Begleiterin der Arbeit, der lumpenhaften Tätigkeit des notdürftigen Erwerbes ist. Die »Sorge« floriert in ihrer reinsten Gestalt beim deutschen guten Bürger, wo sie chronisch und »Immer sich selbst gleich«, miserabel und verächtlich ist während die Not des Proletariers eine akute, heftige Form annimmt, ihn zum Kampf um Leben und Tod treibt, ihn revolutionär macht und deshalb keine »Sorge«, sondern Leidenschaft produziert. Wenn der Kommunismus nun sowohl die »Sorge« des Bürgers wie die Not des Proletariers aufheben will, so versteht es sich doch wohl von selbst, daß er dies nicht tun kann, ohne die Ursache Beider, die »Arbeit«, aufzuheben.

Wir kommen jetzt zu den historischen Konstruktionen des Kommunismus. [200] Erste historische Konstruktion.

»Solange der Glaube für die Ehre und Würde der Menschen ausreichte, ließ sich gegen keine auch noch so anstrengende Arbeit etwas einwenden.« – »All ihr Elend konnten die unterdrückten Klassen nur so lange ertragen, als sie Christen waren« (höchstens waren sie so lange Christen, als sie ihr Elend ertrugen) »denn das Christentum« (das mit dem Stock hinter ihnen steht) »läßt ihr Murren und ihre Empörung nicht aufkommen.« p. 158.

»Woher nur Stirner alles Dies weiß«, was die unterdrückten Klassen konnten, erfahren wir aus Heft I der »Allg[emeinen] Literat[ur]-Z[ei]t[un]g«, wo »die Kritik in Buchbindermeistergestalt« folgende Stelle eines unbedeutenden Buchs zitiert:

»Der moderne Pauperismus hat einen politischen Charakter angenommen; während der alte Bettler sein Los mit Ergebenheit trug und es als eine göttliche Schickung ansah, fragt der neue Lump, ob er gezwungen sei, armselig durchs Leben zu wandern, weil er zufällig in Lumpen geboren wurde.«

Wegen dieser Macht des Christentums fanden bei der Emanzipation der Leibeignen gerade die blutigsten und erbittertsten Kämpfe gegen die geistlichen Feudalherren statt und setzte sie sich durch trotz alles Murrens und aller Empörung des in den Pfaffen inkorporierten Christentums (vergl. Eden, »History of the Poor«, Book I; Guizot, »Histoire de la civilisation en France«; Monteil, »Histoire des Français des divers états« ppp.), während andrerseits die kleinen Pfaffen, namentlich im Anfange des Mittelalters, die Leibeigenen zum »Murren« und zur »Empörung« gegen die weltlichen Feudalherren aufreizten (vergl. u. a. schon das bekannte Kapitular Karls des Großen). Vergleiche auch, was oben bei Gelegenheit der »hie und da auftauchenden Arbeiterunruhen« über die »unterdrückten Klassen« und ihre Aufstände im 14. Jahrhundert gesagt wurde.

Die früheren Formen der Arbeiteraufstände hingen mit der jedesmaligen Entwicklung der Arbeit und der dadurch gegebenen Gestalt des Eigentums zusammen; die direkt oder in[dir]ekt kommunistische Insurrek[tio]n mit der großen Industrie. [Sta]tt auf diese weitläuftige Geschichte einzugehen, veranstaltet Sankt Max einen heiligen Übergang von den duldenden unterdrückten Klassen zu den ungeduldigen unterdrückten Klassen:

»Jetzt, wo jeder sich zum Menschen ausbilden soll« (»woher nur« z.B. die katalonischen Arbeiter »wissen«, daß »Jeder sich zum Menschen ausbilden soll«?), »fällt die Bannung des Menschen an maschinenmäßige Arbeit zusammen mit der Sklaverei.« p. 158.[201]

Vor Spartakus und dem Sklavenkriege war es also das Christentum, das die »Bannung des Menschen an maschinenmäßige Arbeit« nicht »mit der Sklaverei zusammenfallen« ließ; und zu Spartakus' Zeit war es der Begriff Mensch, der dies Verhältnis aufhob und die Sklaverei erst erzeugte. »Oder sollte« Stirner »gar« etwas von dem Zusammenhange der modernen Arbeiterunruhen mit der Maschinerie gehört haben und hier haben andeuten wollen? In diesem Falle hat nicht die Einführung der Maschinenarbeit die Arbeiter in Rebellen, sondern die Einführung des Begriffes »Mensch« die Maschinenarbeit in Sklaverei verwandelt. – »ist dem so«, so »sieht das doch wirklich so aus«, als wäre dies eine »einzige« Geschichte der Arbeiterbewegungen.

Zweite geschichtliche Konstruktion.

»Die Bourgeoisie hat das Evangelium des materiellen Genusses verkündet und wundert sich nun, daß diese Lehre unter Uns Proletariern Anhänger findet.« p. 159.

Eben wollten die Arbeiter den Begriff »des Menschen«, das Heilige verwirklichen, jetzt den »materiellen Genuß«, das Weltliche; oben die »Plackerei« der Arbeit, jetzt nur noch die Arbeit des Genießens. Sankt Sancho schlägt sich hier auf ambas sus valientes posaderas zuerst auf die materielle Geschichte, dann auf die Stirnersche, heilige. Nach der materiellen Geschichte war es die Aristokratie, welche zuerst das Evangelium des Weltgenusses an die Stelle des Genusses des Evangeliums setzte, für welche die nüchterne Bourgeoisie sich zunächst aufs Arbeiten legte und ihr mit vieler Schlauheit den Genuß überließ, der ihr selbst durch eigne Gesetze untersagt wurde (bei welcher Gelegenheit die Macht der Aristokratie in der Gestalt des Geldes in die Taschen der Bourgeois rückte).

Nach der Stirnerschen Geschichte hat die Bourgeoisie sich damit begnügt, »das Heilige« zu suchen, den Staatskultus zu betreiben und »alle existierenden Objekte in vorgestellte zu verwandeln«, und es bedurfte der Jesuiten, um »die Sinnlichkeit vor dem gänzlichen Verkommen zu retten«. Nach derselben Stirnerschen Geschichte hat die Bourgeoisie durch die Revolution alle Macht an sich gerissen, also auch ihr Evangelium, das des materiellen Genusses, obgleich wir nach derselben Stirnerschen Geschichte jetzt so weit sind, daß »in der Welt nur Gedanken herrschen«. Die Stirnersche Hierarchie sitzt jetzt also »entre ambas posaderas«.

Dritte historische Konstruktion.

p. 159. »Nachdem das Bürgertum von Befehl und Willkür Einzelner befreit hatte, blieb jene Willkür übrig, welche aus der Konjunktur der Verhältnisse entspringt und[202] die Zufälligkeit der Umstände genannt werden kann. Das Glück und die vom Glück Begünstigten blieben übrig.«

Sankt Sancho läßt dann die Kommunisten »ein Gesetz und eine neue Ordnung finden, die diesen Schwankungen« (dem Dings da) »ein Ende macht« – von der er so viel weiß, daß die Kommunisten nun ausrufen sollen: »Diese Ordnung sei dann heilig!« (wo er vielmehr nun ausrufen müßte: Die Unordnung meiner Einbildungen sei die heilige Ordnung der Kommunisten). -»Hier ist Weisheit« (Offenb[arung] Joh[annis] 13, 18). »Wer Verstand hat, der überlege die Zahl« des Unsinns, den der sonst so weitläuftige, sich stets wieder von sich gebende Stirner [hi]er in wenige [Zeilen] zusammendrängt.

In allgemeinster Fassung heißt der erste Satz: Nachdem das Bürgertum die Feudalität abgeschafft hatte, blieb das Bürgertum übrig. Oder nachdem in »Stirners« Einbildung die Herrschaft der Personen abgeschafft worden war, blieb grade das Umgekehrte zu tun übrig. »Das sieht denn doch wirklich so aus«, als könnte man die zwei entlegensten Geschichtsepochen in einen Zusammenhang bringen, der der heilige Zusammenhang, der Zusammenhang als Das Heilige, der Zusammenhang im Himmel ist.

Dieser Satz Sankt Sanchos ist übrigens nicht mit dem obigen mode simple des Unsinns zufrieden, er muß es bis zum mode composé und bicomposé des Unsinns bringen. Nämlich erstens glaubt Sankt Max den sich befreienden Bourgeois, daß sie. Indem sie sich von Befehl und Willkür Einzelner befreiten, die Masse der Gesellschaft überhaupt von Befahl und Willkür Einzelner befreiten. Zweitens befreiten sie sich realiter nicht von »Befehl und Willkür der Einzelnen«, sondern von der Herrschaft der Korporation, Zunft, der Stände, und konnten daher nun erst als wirkliche einzelne Bourgeois dem Arbeiter gegenüber »Befehl und Willkür« ausüben. Drittens hoben sie nur den plus ou moins idealistischen Schein des bisherigen Befehls und der bisherigen Willkür der Einzelnen auf, um an seine Stelle diesen Befehl und diese Willkür in ihrer materiellen Grobheit herzustellen. Er, Bourgeois, wollte seinen »Befehl und Willkür« nicht mehr durch den bisherigen »Befehl und Willkür« der im Monarchen, im Adel und in der Korporation konzentrierten politischen Macht beschränkt wissen, sondern höchstens durch die in Gesetzen von Bourgeois ausgesprochnen Gesamtinteressen der ganzen Bourgeoisklasse. Er tat nichts als den Befehl und die Willkür über den Befehl und die Willkür der einzelnen Bourgeois aufheben (siehe Politischen Liberalismus).[203]

Indem Sankt Sancho nun die Konjunktur der Verhältnisse, welche mit der Herrschaft der Bourgeoisie eine ganz andre Konjunktur ganz andrer Verhältnisse wurde, statt sie wirklich zu analysieren, als die allgemeine Kategorie »Konjunktur pp.« übrigbleiben läßt und sie mit dem noch unbestimmteren Namen »Zufälligkeit der Umstände« beschenkt – als ob der »Befehl und die Willkür Einzelner« nicht selbst eine »Konjunktur der Verhältnisse« sei – indem er also so die reale Grundlage des Kommunismus, nämlich die bestimmte Konjunktur der Verhältnisse unter dem Bourgeoisrégime beseitigt, kann er nun auch den so luftig gemachten Kommunismus in seinen heiligen Kommunismus verwandeln. »Das sieht denn doch wirklich so aus«, als ob »Stirner« ein »Mensch von nur ideellem«, eingebildetem historischem »Reichtum« sei – der »vollendete Lump«. Siehe »das Buch«, p. 362.

Diese große Konstruktion, oder vielmehr ihr Vordersatz, wird uns p. 189 noch einmal mit vieler Emphase in folgender Form wiederholt:

»Der politische Liberalismus hob die Ungleichheit der Herren und Diener auf; er machte herrenlos, anarchisch« (!); »der Herr wurde nun vom Einzelnen, dem Egoisten, entfernt, um ein Gespenst zu werden, das Gesetz oder der Staat.«

Gespensterherrschaft = (Hierarchie) = Herrenlosigkeit, gleich Herrschaft der »allmächtigen« Bourgeois. Wie wir sehen, ist diese Gespensterherrschaft vielmehr die Herrschaft der vielen wirklichen Herren; also konnte der Kommunismus mit gleichem Recht als die Befreiung von dieser Herrschaft der Vielen gefaßt werden, was Sankt Sancho aber nicht durfte, weil sonst sowohl seine logischen Konstruktionen des Kommunismus wie auch die ganze Konstruktion der »Freien« umgeworfen worden wären. So geht's aber im ganzen »Buche«. Ein einziger Schluß aus den eignen Prämissen unsres Heiligen, ein einziges historisches Faktum wirft ganze Reihen von Durchschauungen und Resultaten zu Boden.

Vierte geschichtliche Konstruktion, p. 350 leitet Sankt Sancho den Kommunismus direkt aus der Abschaffung der Leibeigenschaft her.

I. Vordersatz:

»Es war außerordentlich viel damit gewonnen, als man es durchsetzte, als Inhaber betrachtet« (!) »zu werden. Die Leibeigenschaft wurde damit aufgehoben und jeder, der bis dahin selbst Eigentum gewesen, ward nun ein Herr

(In dem mode simple des Unsinns heißt dies wieder: Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben, sobald sie aufgehoben ward.) Der mode composé dieses Unsinns ist, daß Sankt Sancho glaubt, vermittelst der heiligen Kontemplation,[204] des »Betrachtens« und »Betrachtetwerdens« sei man zum »Inhaber« geworden, während die Schwierigkeit darin bestand, »Inhaber« zu werden und die Betrachtung sich dann nachher von selbst hinzusetzte; und der mode bicomposé ist, daß, nachdem die anfangs noch partikuläre Aufhebung der Leibeigenschaft angefangen hatte. Ihre Konsequenzen zu entwickeln, und dadurch allgemein geworden war, man aufhörte, »durchsetzen« [z]u können, als [des] Innehabens wert »betrachtet« zu werden (dem Inhaber wurden die Innegehabten zu kostspielig); daß also die größte Masse, »die bisher selbst Eigentum«, d.h. gezwungene Arbeiter »gewesen waren«, dadurch keine »Herren«, sondern freie Arbeiter wurden.

II. Historischer Untersatz, der zirka acht Jahrhunderte umfaßt und dem man »freilich nicht ansehen wird, wie inhaltsschwer« er ist (vgl. Wigand, p. 194).

»Allein forthin reicht Dein Haben und Deine Habe nicht mehr aus und wird nicht mehr anerkannt; dagegen steigt Dein Arbeiten und Deine Arbeit im Werte. Wir achten nun Deine Bewältigung der Dinge wie vorher« (?). »Dein Innehaben derselben. Deine Arbeit ist Dein Vermögen. Du bist nun Herr oder Inhaber des Erarbeiteten, nicht des Ererbten.« (ibid.)

»Forthin« – »nicht mehr« – »dagegen« – »nun« – »wie vorher« – »nun« – »oder« – »nicht« – das ist der Inhalt dieses Satzes.

Obgleich »Stirner« »nun« dahin gekommen ist, daß Du (nämlich Szeliga) Herr des Erarbeiteten, nicht des Ererbten, bist, so fällt ihm »nun« vielmehr ein, daß derzeit gerade das Gegenteil stattfindet – und dies läßt ihn den Kommunismus als Wechselbalg aus diesen beiden Mißgeburten von Vordersätzen gebären.

III. Kommunistischer Schluß.

»Da aber DERZEIT Alles ein Ererbtes ist und jeder Groschen, den Du besitzest, nicht ein Arbeits-, sondern Erbgepräge trägt« (kulminierender Unsinn), »SO muß Alles umgeschmolzen werden.«

Woraus Szeliga nun sowohl beim Auf- und Untergang der mittelaltrigen Kommunen wie beim Kommunismus des neunzehnten Jahrhunderts angelangt zu sein sich einbilden kann. Und womit Sankt Max trotz alles »Ererbten« und »Erarbeiteten« zu keiner »Bewältigung der Dinge«, sondern höchstens zur »Habe« des Unsinns gekommen ist.

Liebhaber von Konstruktionen können nun noch p. 421 nachsehen, wie Sankt Max, nachdem er den Kommunismus aus der Leibeigenschaft konstruiert hat. Ihn nun noch als Leibeigenschaft unter einem Lehnsherrn, der Gesellschaft, konstruiert – nach demselben Muster, wie er schon oben das[205] Mittel, wodurch wir etwas erwerben, zu dem »Heiligen« macht, durch dessen »Gnade« uns etwas gegeben wird. Jetzt nur noch schließlich einige »Durchschauungen« des Kommunismus, die sich aus den obigen Prämissen ergeben.

Zuerst gibt »Stirner« eine neue Theorie der Exploitation, die darin besteht, daß

»der Arbeiter in einer Stecknadelfabrick nur ein einzelnes Stück arbeitet, nur einem Andern in die Hand arbeitet, und von diesem Andern benutzt, exploitiert wird«. p. 158.

Hier entdeckt also »Stirner«, daß die Arbeiter einer Fabrik sich wechselseitig exploitieren, weil sie einander »in die Hand arbeiten«, während der Fabrikant, dessen Hände gar nicht arbeiten, auch nicht imstande ist, die Arbeiter zu exploitieren. »Stirner« gibt hier ein schlagendes Exempel von der betrübten Lage, in die die deutschen Theoretiker durch den Kommunismus versetzt worden sind. Sie müssen sich jetzt auch mit profanen Dingen wie Stecknadelfabriken usw. beschäftigen, bei denen sie sich wie wahre Barbaren wie Ojibbeway-Indianer und Neuseeländer benehmen.

»Dagegen heißt es nun« im Stirnerschen Kommunismus, l. c.:

»Jede Arbeit soll den Zweck haben, daß der ›Mensch‹ befriedigt werde. Deshalb muß er« (»der« Mensch) »auch in ihr Meister werden, d.h. sie als eine Totalität Schaffen können

»Der Mensch« muß Meister werden! – »Der Mensch« bleibt Stecknadelknopfmacher, hat aber das beruhigende Bewußtsein, daß Nadelknöpfe zur Nadel gehören und daß er die ganze Nadel machen kann. Die Ermüdung und der Ekel, den die ewige Wiederholung des Nadelknopfmachens hervorbringt, verwandelt sich durch dies Bewußtsein in »Befriedigung des Menschen«. [O, P]roudhon!

Weitere Durchschauung.

»Da die Kommunisten erst die freie Tätigkeit für das Wesen« (iterum Crispinus) »des Menschen erklären, bedürfen sie, wie alle werkeltägige Gesinnung, eines Sonntags, einer Erhebung und Erbauung neben ihrer geistlosen Arbeit

Abgesehen von dem hier eingeschobenen »Wesen des Menschen« muß der unglückliche Sancho die »freie Tätigkeit«, d.h. bei den Kommunisten die aus der freien Entwicklung aller Fähigkeiten hervorgehende, schöpferische Lebensäußerung, um »Stirner« verständlich zu sein, des »ganzen Kerls«, in »geistlose Arbeit« verwandeln, weil nämlich der Berliner merkt, daß es sich hier nicht um die »saure Arbeit des Gedankens« handelt. Durch diese einfache[206] Verwandlung können nun auch die Kommunisten in die »werkeltägige Gesinnung« umgesetzt werden. Mit dem Werkeltage des Bürgers findet sich dann natürlich auch sein Sonntag im Kommunismus wieder.

p. 161. »Die sonntägliche Seite des Kommunismus ist, daß der Kommunist in Dir den Menschen, den Bruder erblickt.«

Der Kommunist erscheint hier also als »Mensch« und als »Arbeiter«. Dies nennt Sankt Sancho l. c.: »eine zwiefache Anstellung des Menschen durch den Kommunisten, ein Amt des materiellen Erwerbs und eins des geistigen«.

Hier bringt er also sogar den »Erwerb« und die Bürokratie wieder in den Kommunismus herein, der dadurch freilich »sein letztes Absehen erreicht« und aufhört, Kommunismus zu sein. Er muß dies übrigens tun, weil nachher in seinem »Verein« jeder ebenfalls »eine zwiefache Anstellung« als Mensch und als »Einziger« erhält. Diesen Dualismus legitimiert er vorläufig dadurch, daß er ihn dem Kommunismus in die Schuhe schiebt, eine Methode, die wir bei seinem Lehnswesen und seiner Verwertung wiederfinden werden.

p. 344 glaubt »Stirner«, die »Kommunisten« wollten »die Eigentumsfrage gütlich lösen«, und p. 413 sollen sie gar an die Aufopferung der Menschen [und an] die selbstverleugnende Gesinnung der Kapitalisten appellieren!47 Die wenigen seit Babeufs Zeit aufgetretenen kommunistischen Bourgeois, die nicht revolutionär waren, sind sehr dünne gesät; die große Masse der Kommunisten ist in allen Ländern revolutionär. Was die Ansicht der Kommunisten über die »selbstverleugnende Gesinnung der Reichen« und die »Aufopferung der Menschen« ist, mag Sankt Max aus ein paar Stellen Cabets, gerade des Kommunisten ersehen, der noch am meisten den Schein haben kann, als appelliere er an das dévoûment, die Aufopferung.48 Diese Stellen sind gegen die Republikaner und namentlich gegen Herrn Buchez' Angriff auf den Kommunismus gerichtet, der in Paris noch eine sehr kleine Zahl Arbeiter unter seinem Kommando hat:

[207] »Ebenso mit der Aufopferung (dévoûment); es ist dies die Doktrin des Herrn Buchez, diesmal ihrer katholischen Form entkleidet, weil Herr Buchez ohne Zweifel fürchtet, daß seine Katholizität die Masse der Arbeiter anwidert und zurückstößt. ›Um würdig seine Pflicht (devoir) zu erfüllen (sagt Buchez), bedarf es der Aufopferung (dévoûment).‹ – Begreife, wer kann, welcher Unterschied zwischen devoir und dévoûment. – ›Wir fordern Aufopferung von Allen, sowohl für die große nationale Einheit als für die Arbeiterassoziation... es ist notwendig, daß wir vereint seien, immer hingegeben (dévoués), die Einen für die Andern.‹ – Es ist notwendig, es ist notwendig – das ist leicht zu sagen, und man sagt es seit sehr langer Zeit, und man wird es noch sehr lange Zeit ohne mehr Erfolg sagen, wenn man nicht auf andere Mittel sinnt! Buchez beklagt sich über die Selbstsucht der Reichen; aber wozu dienen solche Klagen? Buchez erklärt alle die für Feinde, welche sich nicht devouieren wollen.«

»›Wenn‹, sagt er, ›durch den Egoismus getrieben, sich ein Mensch weigert, für die Andern sich hinzugeben, was muß man tun?... Wir werden keinen Augenblick anstehen zu antworten: Die Gesellschaft hat immer das Recht, uns Das zu nehmen, was die eigne Pflicht uns gebietet, ihr aufzuopfern... Die Aufopferung ist das [e]inzige Mittel, seine Pflicht zu erfüllen. [Je]der von uns muß sich aufopfern, [ü]berall und immer. Der, welcher aus Egoismus seine Pflicht der [Hi]ngebung zu erfüllen sich weigert, muß hierzu gezwungen werden.‹ – So schreit Buchez allen Menschen zu: Opfert Euch, opfert Euch! Denkt nur daran. Euch zu opfern! Heißt das nicht die menschliche Natur verkennen und mit Füßen treten? Ist das nicht eine falsche Anschauung? Wir möchten fast sagen, eine kindische, eine abgeschmackte Anschauung?« (»Réfutation des doctrines de l'Atelier«, par Cabet, p. 19, 20.) – Cabet zeigt nun p. 22 dem Republikaner Buchez nach, daß er notwendig auf eine »Aristokratie der Aufopferung« mit verschiedenen Stufen kommt, und fragt dann Ironisch: »Was wird nun aus dem dévoûment? Wo bleibt das dévoûment, wenn man nur deswegen sich devouiert, um zu den höchsten Spitzen der Hierarchie zu gelangen?... Ein solches System könnte aufkommen in dem Kopfe von Einem, der es zum Papst oder Kardinal bringen wollte – aber in den Köpfen von Arbeitern!!!« – »Herr Buchez will nicht, daß die Arbeit eine angenehme Zerstreuung werde, noch daß der Mensch für sein eignes Wohlsein arbeite und sich neue Genüsse schaffe. Er behauptet... ›daß der Mensch nur auf die Erde gesetzt worden ist um einen Beruf, eine Pflicht (une fonction, un devoir) zu erfüllen‹. ›Nein‹ predigt er den Kommunisten, ›der Mensch, diese große Macht, ist nicht für sich selbst erschaffen (n'a point été fait pour lui-même)... Das ist ein roher Gedanke, Der Mensch ist ein Werkmann (ouvrier) in der Welt, er muß das Werk (œuvre) vollbringen, welches die Moral seiner Tätigkeit auferlegt, das ist seine Pflicht... Verlieren wir niemals aus dem Gesicht, daß wir einen hohen Beruf (une haute fonction) zu erfüllen haben, einen Beruf, der mit dem ersten Tage des Menschen begonnen hat und nur mit der Menschheit zugleich [endig]en wird.‹ – Aber wer hat dem [Herrn] Buchez alle diese schönen Sachen enthüllt? (Mais qui a révélé toutes ces belles choses à M. Buchez lui-même«, wo Stirner übersetzen würde: Woher nur Buchez alles das weiß, was der Mensch soll?) – »Du reste, comprenne[208] qui pourra. – Buchez fährt fort: ›Wie! Der Mensch hätte Tausende von Jahrhunderten warten müssen, um von Euch Kommunisten zu lernen, daß er für sich selbst gemacht ist und keinen andren Zweck hat als in allen möglichen Genüssen zu leben?... Aber man darf sich so nicht verirren. Man darf nicht vergessen, daß wir geschaffen sind, um zu arbeiten (faits pour travailler), um immer zu arbeiten, und daß die einzige Sache, die wir fordern können, das zum Leben Nötige (la suffisante vie) ist, d.h. ein Wohlsein, welches dazu hinreicht, daß wir angemessen unsern Beruf erfüllen können. Außerhalb dieses Kreises ist alles absurd und gefährlich.‹ – Aber so beweisen Sie doch! Beweisen Sie! Und begnügen Sie sich nicht damit, wie ein Prophet zu orakeln! Gleich von vornherein sprechen Sie von Tausenden von Jahrhunderten! Und dann, wer behauptet, daß man uns in allen Jahrhunderten erwartet hat? Aber Euch hat man wohl erwartet mit allen Euren Theorien von dévoûment, devoir, nationalité française, association ouvrière? – ›Schließlich‹, sagt Buchez, ›bitten wir Euch, nicht von dem, was wir gesagt haben. Euch verletzt zu fühlen.‹ – Wir sind ebenso höfliche Franzosen, wir bitten Euch ebenfalls, nicht verletzt zu sein.« (p. 31.) – »›Glaubt uns‹, sagt Buchez, ›es existiert eine communauté, die seit langer Zeit errichtet ist und wovon ihr auch Mitglieder seid.‹ – Glaubt uns, Buchez«, schließt Cabet, »werdet Kommunist!«

»Aufopferung«, »Pflicht«, »Sozialpflicht«, »Recht der Gesellschaft«, »der Beruf, die Bestimmung des Menschen«, »Arbeiter der Beruf des Menschen«, »moralisches Werk«, »Arbeiterassoziation«, »Schaffen des zum Leben Unentbehrlichen« – sind das nicht dieselben Dinge, die Sankt Sancho den Kommunisten vorwirft, deren Mangel Herr Buchez den Kommunisten vorwirft und dessen feierliche Vorwürfe Cabet verhöhnt? Ist nicht selbst Stirners »Hierarchie« hier [sch]on vorhanden?

Schließlich gibt Sankt Sancho dem Kommunismus p. 169 den Gnadenstoß, Indem er folgenden Satz ausstößt:

»Indem die Sozialisten auch das Eigentum wegnehmen« (!), »beachten sie nicht, daß dies sich in der Eigenheit eine Fortdauer sichert. Ist denn bloß Geld und Gut ein Eigentum, oder ist jede Meinung ein Mein, ein Eigenes? Es muß also jede Meinung aufgehoben oder unpersönlich gemacht werden.«

Oder ist Sankt Sanchos Meinung, insofern sie nicht auch zur Meinung Anderer wird, ein Kommando über irgend etwas, selbst über die fremde Meinung? Indem Sankt Max hier das Kapital seiner Meinung gegen den Kommunismus geltend macht, tut er wieder Nichts Andres, als daß er die ältesten und trivialsten Bourgeoiseinwürfe gegen ihn vorbringt, und glaubt etwas Neues gesagt zu haben, weil ihm, dem jebildeten Berliner, diese Abgedroschenheiten neu sind. Unter und nach vielen Andern hat Destutt de Tracy[209] vor ungefähr dreißig Jahren und später in dem hier zitierten Buche dasselbe viel besser gesagt. Z.B.:

»Man hat förmlich den Prozeß des Eigentums instruiert und Gründe für und wider vorgebracht, als wenn es von uns abhinge zu beschließen, daß es Eigentum gebe oder nicht gebe in dieser Welt; aber das heißt durchaus unsre Natur verkennen.« (»Traité de la volonté«, Paris, 1826, p. 18.)

Und nun gibt sich Herr Destutt de Tracy daran zu beweisen, daß propriété, individualité und personalité identisch sind, daß in dem moi auch das mien liege, und er findet darin eine Naturgrundlage für das Privateigentum, daß

»die Natur den Menschen mit einem unvermeidlichen und unveräußerlichen Eigentum begabt hat, dem seines Individuums«, (p. 17.) – Das Individuum »sieht klar, daß dieses Ich exklusiver Eigentümer des Körpers ist den es beseelt, der Organe, die es bewegt, aller ihrer Fähigkeiten, aller ihrer Kräfte, aller Wirkungen, die sie produzieren, aller ihrer Leidenschaften und Handlungen; denn Alles dies endet und beginnt mit diesem Ich, existiert nur durch es, ist nur bewegt durch seine Aktion; und keine andre Person kann diese selben Instrumente anwenden, noch in derselben Weise von ihnen affiziert sein.« (p. 16.) – »Das Eigentum existiert, wenn nicht gerade überall, wo ein empfindendes Individuum existiert, mindestens überall, wo ein wollendes Individuum existiert.« (p. 19.)

Nachdem er so Privateigentum und Persönlichkeit identifiziert hat, gibt sich nun wie bei »Stirner« vermittelst des Wortspiels mit Mein und Meinung, Eigentum und Eigenheit bei Destutt de Tracy aus propriété und propre folgender Schluß:

»Es ist also durchaus unnütz, darüber zu streiten, ob es nicht besser sei, daß jedem von uns Nichts eigen wäre (de discuter s'il ne vaudrait pas mieux que rien ne fût propre à chacun de nous) – – In allen Fällen heißt das fragen, ob es nicht wünschenswert sei, daß wir ganz andre wären als wir sind, und selbst untersuchen, ob es nicht besser wäre, daß wir gar nicht seien.« (p. 22.)

»Das sind höchst populäre«, bereits traditionell gewordene Einwürfe gegen den Kommunismus, »und es ist« ebendeswegen nicht »zu verwundern, daß Stirner« sie wiederholt.

Wenn der bornierte Bourgeois zu den Kommunisten sagt: Indem ihr das Eigentum, d.h. meine Existenz als Kapitalist, als Grundbesitzer, als Fabrikant, und Eure Existenz als Arbeiter aufhebt, hebt ihr meine und Eure Individualität auf; Indem ihr es mir unmöglich macht. Euch Arbeiter zu exploitieren, meine Profite, Zinsen oder Renten einzustreichen, macht ihr es mir unmöglich, als Individuum zu existieren. – Wenn also der Bourgeois den[210] Kommunisten erklärt: Indem ihr meine Existenz als Bourgeois aufhebt, hebt ihr meine Existenz als Individuum auf, wenn er so sich als Bourgeois mit sich als Individuum identifiziert, so ist daran wenigstens die Offenherzigkeit und Unverschämtheit anzuerkennen. Für den Bourgeois ist dies wirklich der Fall; er glaubt nur insofern Individuum zu sein, als er Bourgeois ist.

Sobald aber die Theoretiker der Bourgeoisie hereinkommen und dieser Behauptung einen allgemeinen Ausdruck geben, das Eigentum des Bourgeois mit der Individualität auch theoretisch identifizieren und diese Identifizierung logisch rechtfertigen wollen, fängt der Unsinn erst an, feierlich und heilig zu werden.

»Stirner« widerlegte oben die kommunistische Aufhebung des Privateigentums dadurch, daß er das Privateigentum in das »Haben« verwandelte und dann das Zeitwort »Haben« für ein unentbehrliches Wort, für eine ewige Wahrheit erklärte, weil es auch in der kommunistischen Gesellschaft vorkommen könne, daß er Leibschmerzen »habe«. Geradeso begründet er hier die Unabschaffbarkeit des Privateigentums darauf, daß er es in den Begriff des Eigentums verwandelt, den etymologischen Zusammenhang zwischen »Eigentum« und »eigen« exploitiert und das Wort »eigen« für eine ewige Wahrheit erklärt, weil es doch auch unter dem kommunistischen Regime vorkommen kann, daß ihm Leibschmerzen »eigen« sind. Dieser ganze theoretische Unsinn, der sein Asyl in der Etymologie sucht, wäre unmöglich, wenn nicht das wirkliche Privateigentum, das die Kommunisten aufheben wollen, in den abstrakten Begriff »das Eigentum« verwandelt würde. Hiermit erspart man sich einerseits die Mühe, über das wirkliche Privateigentum etwas zu sagen oder auch nur zu wissen, und kann andrerseits leicht dahin kommen, im Kommunismus einen Widerspruch zu entdecken, indem man in ihm, nach der Aufhebung des (wirklichen) Eigentums, allerdings leicht noch allerlei Dinge entdecken kann, die sich unter »das Eigentum« subsumieren lassen. In der Wirklichkeit verhält sich die Sache freilich gerade umgekehrt.49 In der Wirklichkeit habe ich nur Insoweit Privateigentum, als ich Verschacherbares habe, während meine Eigenheit durchaus unverschacherbar sein kann. An meinem Rock habe ich nur so lange Privateigentum, als ich ihn wenigstens verschachern, versetzen oder verkaufen kann, [als er verschach]erbar ist. Verliert er diese Eigenschaft, wird er zerlumpt, so kann er für mich noch allerlei Eigenschaften haben, die ihn mir wertvoll machen, er kann sogar zu meiner[211] Eigenschaft werden und mich zu einem zerlumpten Individuum machen. Aber es wird keinem Ökonomen einfallen, ihn als mein Privateigentum zu rangieren, da er mir über kein auch noch so geringes Quantum fremder Arbeit noch ein Kommando gibt. Der Jurist, der Ideologe des Privateigentums, kann vielleicht noch so etwas faseln. Das Privateigentum entfremdet nicht nur die Individualität der Menschen, sondern auch die der Dinge. Der Grund und Boden hat Nichts mit der Grundrente, die Maschine Nichts mit dem Profit zu tun. Für den Grundbesitzer hat der Grund und Boden nur die Bedeutung der Grundrente, er verpachtet seine Grundstücke und zieht die Rente ein; eine Eigenschaft, die der Boden verlieren kann, ohne irgendeine seiner inhärenten Eigenschaften, ohne z.B. einen Teil seiner Fruchtbarkeit zu verlieren, eine Eigenschaft, deren Maß, ja deren Existenz von gesellschaftlichen Verhältnissen abhängt, die ohne Zutun des einzelnen Grundbesitzers gemacht und aufgehoben werden. Ebenso mit der Maschine. Wie wenig das Geld, die allgemeinste Form des Eigentums, mit der persönlichen Eigentümlichkeit zu tun hat, wie sehr es ihr geradezu entgegengesetzt ist, wußte bereits Shakespeare besser als unser theoretisierender Kleinbürger:


Soviel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön,

Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel,

Ja dieser rote Sklave – –

Er macht den Aussatz lieblich – –

– – dieser führt

Der überjähr'gen Witwe Freier zu;

Die, von Spital und Wunden giftig eiternd,

Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch

Zu Maienjugend dies – –

– – sichtbare Gottheit,

Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst,

Zum Kuß sie zwingst!


Mit einem Wort, Grundrente, Profit etc., die wirklichen Daseinsweisen des Privateigentums, sind gesellschaftliche, einer bestimmten Produktionsstufe entsprechende Verhältnisse und »individuelle« nur so lange, als sie noch nicht zur Fessel der vorhandenen Produktivkräfte geworden sind.

Nach Destutt de Tracy muß die Majorität der Menschen, die Proletarier, längst alle Individualität verloren haben, obgleich es heutzutage so aussieht, als entwickle sich unter ihnen noch gerade am meisten Individualität. Der Bourgeois hat es um so leichter, aus seiner Sprache die Identität merkantilischer und individueller oder auch allgemein menschlicher Beziehungen zu beweisen, als diese Sprache selbst ein Produkt der Bourgeoisie ist und daher wie in der Wirklichkeit, so in der Sprache die Verhältnisse des Schachers zur[212] Grundlage aller andern gemacht worden sind. Z.B. propriété Eigentum und Eigenschaft, property Eigentum und Eigentümlichkeit, »eigen« im merkantilischen Sinn und im individuellen Sinn, valeur, value. Wert – commerce, Verkehr – échange, exchange, Austausch usw., die sowohl für kommerzielle Verhältnisse wie für Eigenschaften und Beziehungen von Individuen als solchen gebraucht werden. In den übrigen modernen Sprachen ist dies ganz ebenso der Fall. Wenn Sankt Max sich ernstlich darauf legt, diese Zweideutigkeit zu exploitieren, so kann er es leicht dahin bringen, eine glänzende Reihe neuer ökonomischer Entdeckungen zu machen, ohne ein Wort von der Ökonomie zu wissen; wie denn auch seine später zu registrierenden neuen ökonomischen Fakta sich ganz innerhalb dieses Kreises der Synonymik halten.

Der gutmütige und leichtgläubige Jacques nimmt den Wortwitz des Bourgeois mit Eigentum und Eigenschaft so genau, in so heiligem Ernst, daß er sich sogar bestrebt, sich als Privateigentümer zu seinen eignen Eigenschaften zu verhalten, wie wir später sehen werden.

p. 421 endlich belehrt »Stirner« den Kommunismus darüber, daß »man« (nämlich der Kommunismus)

»in Wahrheit nicht das Eigentum angreift, sondern die Entfremdung des Eigentums«.

Sankt Max wiederholt uns in dieser neuen Offenbarung nur einen alten Witz, den z.B. bereits die Saint-Simonisten vielfach ausgebeutet haben. Vgl. z.B. »Leçons sur l'industrie et les finances«, Paris 1832, wo es u.a. heißt:

»Das Eigentum wird nicht abgeschafft, sondern seine Form wird verwandelt, – – es wird erst zur wahren Personifikation werden, – – es wird erst seinen wirklichen individuellen Charakter erhalten.« (p. 42, 43.)

Da diese von den Franzosen aufgebrachte und namentlich von Pierre Leroux outrierte Phrase von den deutschen spekulativen Sozialisten mit vielem Wohlgefallen aufgenommen worden und weiter ausspekuliert ist und zuletzt zu reaktionären Umtrieben und praktischen Beutelschneidereien Anlaß gegeben hat, so werden wir sie hier, wo sie nichtssagend ist auch nicht behandeln, sondern weiter unten, bei Gelegenheit des wahren Sozialismus.

Sankt Sancho gefällt sich darin, [nach dem] Vorbilde des von Reichardt [exploitierten] Wönigers die Proletarier [und damit] auch die Kommunisten zu »Lum[pen« zu] machen. Er definiert seinen »Lumpen« p. 362 dahin, daß er »ein Mensch von nur idealem Reichtum« ist. Wenn die Stirnerschen »Lumpen« einmal, wie im fünfzehnten Jahrhundert die Pariser Bettler, ein Lumpenkönigreich stiften, so wird Sankt Sancho Lumpenkönig, da er der[213] »vollendete« Lump, ein Mensch von nicht einmal idealem Reichtum ist und daher auch von den Zinsen des Kapitals seiner Meinung zehrt.

43

[Durchgestrichene Fußnote:] Proudhon, den das kommunistische Arbeiterjournal »La Fraternité« bereits 1841 wegen des gleichen Arbeitslohns, des Arbeitertums überhaupt und der sonstigen ökonomischen Befangenheiten, die sich bei diesem ausgezeichneten Schriftsteller vorfanden, scharf kritisierte, und von dem die Kommunisten Nichts akzeptiert haben als seine Kritik des Eigentums.

44

[Im Manuskript gestrichen:] Wer außer Stirner ist imstande, den unmoralischen revolutionären Proletariern dergleichen moralische Albernheiten in den Mund zu legen? – den Proletariern, die, wie man in der ganzen zivilisierten Welt weiß (wozu Berlin, das bloß gebildet ist, freilich nicht gehört), die verruchte Absicht haben, ihren »Genuß« nicht »redlich zu erarbeiten«, sondern zu erobern!

45

[Im Manuskript gestrichen:] Und schließ[lich] stellt er an die Kommunisten [die] moralische Zumutung, sie sollen sich von den Rentiers, Kaufleuten, Industriellen etc. in alle Ewigkeit ruhig exploitieren lassen, weil sie diese Exploitation nicht aufheben können, ohne zugleich das »Wohlsein« dieser Herren zu vernichten! Jacques le bonhomme, der sich hier zum Champion der gros-bourgeois aufwirft, kann sich die Mühe ersparen, den Kommunisten Sittenpredigten zu halten, die sie täglich von seinen »guten Bürgern« viel besser hören können.

46

[Im Manuskript gestrichen:]... und gerade darum machen sie sich kein Gewissen daraus, weil ihnen das »Wohl Aller« als »leibhaftiger Individuen« über das »Wohlsein« der bisherigen gesellschaftlichen Klassen geht. Das »Wohlsein«, das der Rentier als Rentier genießt, ist nicht das »Wohlsein« des Individuums als solchen, sondern das des Rentiers, kein individuelles, sondern ein innerhalb der Klasse allgemeines Wohlsein.

47

[Im Manuskript gestrichen:] Sankt Max schreibt sich hier wieder die Weisheit des Zugreifens und Zuschlagens zu, als ob nicht seine ganze Pauke des sich empörenden Proletariats eine verunglückte Travestie Weitlings und seines stehlenden Proletariats sei – Weitlings, eines der wenigen Kommunisten, die er durch die Gnade Bluntschlis kennt.

48

[Im Manuskript gestrichen:] In Frankreich machen sämtliche Kommunisten den Saint-Simonisten und Fourieristen den Vorwurf der Friedlichkeit und unterscheiden sich hauptsächlich durch ihr Aufgeben aller »gütlichen Lösung« von diesen, wie in England sich die Chartisten hauptsächlich durch dasselbe Kriterium von den Sozialisten unterscheiden.

49

[Im Manuskript gestrichen:] Das wirkliche Privateigentum ist gerade das Allerallgemeinste, was mit der Individualität gar nichts zu tun hat, ja was sie geradezu umstößt. Soweit ich als Privateigentümer gelte, soweit gelte ich nicht als Individuum – ein Satz, den die Geldheiraten täglich beweisen.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1958, Band 3, S. 186-214.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wette, Adelheid

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon