12. Wie man das Volk für seine Herren günstig stimmt

[61] Der kleine Staat Dsou lag mit dem Staate Lu in Streit. Da befragte der Herzog Mu den Mong Dsï und sprach: »Dreiunddreißig meiner Beamten sind ums Leben gekommen, und unter dem Volke fand sich niemand, der für sie zu sterben bereit war. Will ich mit Hinrichtungen vorgehen, so kann ich mit Hinrichten gar nicht fertig werden. Stehe ich von Hinrichtungen ab, so denken die Leute, sie können schadenfroh zusehen, wie ihre Vorgesetzten getötet werden, ohne etwas für ihre Rettung zu tun.«

Mong Dsï erwiderte und sprach: »In üblen Jahren und Hungerszeiten, da sah es in Eurem Volke also aus, daß die Alten und Schwachen sich in den Straßengräben vor Hunger krümmten, während die Kräftigen zerstreut waren in alle Winde. Tausende waren in dieser Not, während in den fürstlichen Scheunen Korn die Fülle war und alle Vorratskammern und Schatzhäuser voll waren. Unter den Beamten war keiner, der Euch Bericht erstattet hätte. So rücksichtslos und grausam waren die Oberen gegen das niedere Volk.

Meister Dsong hat gesagt: ›Hüte dich, hüte dich! Was von dir ausgeht, fällt auf dich zurück.‹ Diesmal nun kam für das Volk der Tag der Vergeltung. Ihr, o Fürst, habt keinen Grund, Euch zu beklagen. Übt ein mildes Regiment aus, so wird das Volk anhänglich sein an seine Oberen und für seine Vorgesetzten in den Tod gehen.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 61.
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