7. Mitwirkung des Volks bei der Regierung

[57] Mong Dsï trat vor den König Süan von Tsi und sprach: »Wenn man von einem alten Reiche spricht, so meint man damit nicht, daß hohe Bäume drinnen sind, sondern daß es Diener hat, die ihre Erfahrung vererben. Eure Hoheit haben keine vertrauten Diener. Von denen, die gestern vor Euch standen, wußtet Ihr nicht, daß sie heute schon entlassen sein würden.«

Der König sprach: »Wie konnte ich wissen, daß sie unfähig waren, so daß ich mich fern von ihnen hätte halten können?«

Mong Dsï sprach: »Der Landesfürst muß die Würdigen befördern, gleich als könnte es gar nicht anders sein. Nur mit größter Vorsicht darf er einen Niedrigen einem Höheren vorziehen, einen Fremden einem Vertrauten vorziehen. Wenn alle Höflinge von einem sagen: er ist würdig, so genügt das noch nicht; wenn alle Minister sagen: er ist würdig, so genügt das noch nicht; wenn alle Leute im Reiche sagen: er ist würdig, dann erst mag der Fürst ihn prüfen, und wenn er selber sieht, daß er würdig ist, dann mag er ihn berufen. Wenn alle Höflinge von einem sagen: er ist unbrauchbar, so höre man nicht darauf; wenn alle Minister sagen: er ist unbrauchbar, so höre man nicht darauf; wenn alle Leute im Volke sagen: er ist unbrauchbar, dann erst mag der Fürst ihn prüfen, und wenn er selber sieht, daß er unbrauchbar ist, dann mag er ihn entfernen. Wenn alle Höflinge von einem sagen: er ist des Todes schuldig, so höre man nicht darauf; wenn alle Minister sagen: er ist des Todes schuldig, so höre man nicht darauf; wenn alle Leute im Volke sagen: er ist des Todes schuldig, dann erst mag der Fürst ihn prüfen, und wenn er selber sieht, daß er des Todes schuldig ist, dann mag er ihn töten lassen. So heißt es dann, daß die Bürger ihn getötet haben. So nur vermag man Vater17 seines Volkes zu sein.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 57-58.
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