28. Verhalten zu Feinden

[130] Mong Dsï sprach: »Wodurch der Edle sich von andern Menschen unterscheidet, ist das, was er im Herzen hegt. Er hegt Gütigkeit im Herzen, er hegt Anstand im Herzen. Der Gütige liebt die Menschen; wer Anstand hat, achtet die Menschen. Wer andre liebt, den lieben die andern immer auch wieder. Ist nun einer da, der mich quer und unfreundlich behandelt, so werde ich, wenn ich edel denke, sicher in mich gehen und mich fragen: Sicher war ich nicht gütig, sicher habe ich den Anstand verletzt. Warum nur mußte das mir zustoßen? Wenn ich in mich gegangen und gütig bin, wenn ich in mich gegangen bin und Anstand habe, und jener fährt fort, mich quer und unfreundlich zu behandeln, so werde ich als Edler sicher in mich gehen und mich fragen: Sicher war ich nicht gewissenhaft. Wenn ich in mich gegangen und gewissenhaft bin, und jener fährt fort, mich quer und unfreundlich zu behandeln, so werde ich als Edler sagen: Dieser[130] Mensch weiß nicht, was er tut. Damit steht er für mich einem Tiere gleich. Was wollte ich aber mit einem Tiere mir für Schwierigkeiten machen?

Darum ist der Edle sein Leben lang besorgt, aber er ist nicht einen Morgen lang betrübt. Was seine Sorge anlangt, so ist es die: Schun war ein Mensch, ich bin auch ein Mensch. Schun war ein Vorbild für die Welt, würdig, auf späte Geschlechter überliefert zu werden. Und ich habe es noch nicht weiter gebracht als ein gewöhnlicher Mensch? Darüber mag man sich sorgen. Man sorge sich darum, wie man werde gleich Schun, und über nichts mehr.

Aber etwas, das den Edlen betrüben könnte, gibt es nicht. Was nicht der Gütigkeit entspringt, das tut er nicht; wie es nicht dem Anstand entspricht, so handelt er nicht. Und wenn er dann doch auf eines Morgens Dauer Betrübnis hätte, so ist der Edle nicht betrübt darüber.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 130-131.
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