9. Wie Be Li Hi in des Fürsten Mu Dienste kam

[145] Wan Dschang befragte den Mong Dsï und sprach: »Es heißt, Be Li Hi20 habe sich selbst verkauft an den Rinderhirten von Tsin um fünf Schaffelle und habe die Rinder gefüttert, um dadurch den Fürsten Mu von Tsin für sich zu bestechen. Ist das glaubhaft?«

Mong Dsï sprach: »Nein, das ist nicht wahr. Das sind Geschwätze unruhiger Köpfe. Be Li Hi war aus dem Lande Yü21. Da sandte der Fürst des Staats Dsin einen Nephrit aus Tschui Gi und ein Viergespann aus dem Gestüt von Kü, um von Yü freien Durchzug zu bekommen, den Nachbarstaat Guo zu bekriegen. Der Amtsgenosse Be Li His, Gung Dschï Ki, erhob Einspruch. Be Li Hi erhob keinen Einspruch. Weil er wußte, daß Einspruch bei dem Fürsten von Yü nichts fruchte, darum ging er weg nach Tsin. Damals war er schon siebzig Jahre alt. Wenn er um jene Zeit immer noch nicht gewußt hätte, daß es schmutzig wäre, durch Rinderhüten bei dem Fürsten Mu ankommen zu wollen: könnte man ihn da weise nennen? Wenn er da, wo Einspruch aussichtslos war, keinen Einspruch erhob, kann man ihn da unweise nennen? Wenn er wußte, daß der Fürst von Yü seinem selbstverschuldeten Untergang entgegenging, und ihn vorher verließ, kann man ihn nicht anders als weise nennen. Als er dann in Tsin obenan kam, erkannte er, daß man mit dem Fürsten Mu zusammen etwas durchsetzen könne, und wurde sein Kanzler: kann man das unweise nennen? Er war Kanzler in Tsin und machte seinen Fürsten berühmt auf Erden, also daß sein Name auf die Nachwelt kam: hätte ein Unwürdiger das zuwege gebracht? Sich selbst zu verkaufen, um einem Fürsten zur Vollendung zu helfen, das ist etwas, was in einem Bauerndorf ein Mann, der etwas auf sich hält, nicht tut. Und einem würdigen Mann sollte man es zutrauen?«

Fußnoten

1 Der Überlieferung nach ist Gung-Ming Gau ein Schüler des Dsong Dsï, Tschang Si ein Schüler des Gung-Ming Gau.


2 Über Dsï Tschan (Gung-Sun Kiau), den Minister von Dschong, vgl. IV, B, 2.


3 Vgl. die Beurteilung dieser Vorgänge in Dschuang Dsï XI, 2, wo sie übrigens dem Yau zugeschrieben werden. Die Geschichten stehen im Schu-Ging II, 1, 12.


4 Über Kun, den Vater des Großen Yü – anderweitig mit Gung Gung identifiziert vgl. – Liä Dsï VII, 12.


5 Dieses Zitat stammt nach Dschau Ki aus einem apokryphischen Zusatz zum Schu-Ging (Schang Schu).


6 Hiän Kiu Mong ist der als zehnter genannte Jünger.


7 Im Li Gi steht an verschiedenen Stellen ein ähnliches Zitat (vgl. Dsong Dsï Wen).


8 Vgl. Schï-Ging II, VI, Ode 1, Vers 2. Das Lied ist die Klage eines überlasteten Beamten.


9 Vgl. Schï-Ging III, III, Ode 4, Vers 3. Die Ode beginnt mit den Worten:


»Schimmernd steht die Milchstraße

Glitzernd sich drehend am Himmel.«


Es ist die Klage des Königs Süan von Dschou anläßlich einer Dürre.


10 Vgl. Schï-Ging III, I, Ode 9, Vers 3. Dort ist von König Wu die Rede.


11 Vgl. Schu-Ging II, 2, 15.


12 Daß »Tiän« (gewöhnlich mit »Himmel« wiedergegeben) hier mit »Gott« übersetzt werden muß, ist zweifellos.


13 Das Zeichen dafür, daß die »Geister« oder »Götter« die Opfer gnädig annehmen, ist, daß sie Gedeihen und fruchtbare Witterung geben.


14 Vgl. Schu-Ging V, 1, 2, 7.


15 Die in diesem Abschnitt vorkommenden, ähnlich klingenden Namen, die im Chinesischen natürlich alle ihre deutlich geschiedenen Zeichen haben, sind etwas verwirrend für den europäischen Leser. Eine Zusammenstellung mag daher hier folgen:

1. Yau. »Kanzler« und Nachfolger: Schun. Sohn: Dan Dschu. 2. Schun. »Kanzler« und Nachfolger: Yü, Sohn bei Mong Dsï nicht genannt (sonst Schang Gün, vgl. Schï Gi). 3. Yü. 1. Kanzler: Gau Yau, schon unter Schun tätig, stirbt vor Yü. 2. Kanzler: Yih, Sohn und Nachfolger: Ki. Die Dynastie Yüs heißt die Hiadynastie. Sie setzt sich durch Erbfolge fort bis auf den Tyrannen Giä. Dieser wird entthront. Nun folgt: 4. Tang, der Begründer der Schang- oder Yindynastie. Kanzler: I-Yin. 1. Sohn: Tai Ding, stirbt vor seinem Vater. 2. Sohn: Wai Bing, regiert 2 Jahre und stirbt dann. 3. Sohn: Dschung Fen, regiert 4 Jahre und stirbt dann. Enkel: Tai Gia, Sohn des Tai Ding, wird wegen schlechten Betragens vom Kanzler I-Yin nach Tung beim Grab des Tang relegiert, wo er sich bessert und nach der Hauptstadt Bö zurückberufen wird.

Die Dynastie Tangs setzt sich als Schang (seit Pan Gong Yindynastie genannt) durch Erbfolge fort. Die in dieser Dynastie herrschende Erbfolge war, wie aus obigem Beispiel hervorgeht, nicht die nach der Erstgeburt, sondern nach den Brüdern. Erst nach dem jüngsten Bruder kommt wieder der Sohn des Ältesten auf den Thron (vgl. oben Tai Gia, der Sohn Tai Dings). Daß dabei häufig die älteste Linie nicht mehr an die Reihe kam, sondern der Thron bei der jeweils am Ruder befindlichen Linie blieb, ist begreiflich. Ihr Ende findet diese Dynastie mit dem Tyrannen Dschou Sin oder Schou, der getötet wird. Nun folgt die Dschoudynastie. Ihr Begründer war:

5. »König« Wen, der selbst den Thron noch nicht bestieg. 1. Sohn und Nachfolger: Fa. 2. Sohn: Dan. (Die übrigen Söhne kommen hier nicht in Betracht; vgl. jedoch II, B, 9.) 6. König Wu. König Wens Sohn Fa. Sohn und Nachfolger: König Tschong. Bruder und Erzieher: 7. Fürst von Dschou. König Wens Sohn Dan.

Diese sieben sind die sieben Heiligen auf dem Thron. Der Fürst von Dschou gehört zwar nur uneigentlich dazu, da er den Thron nicht inne gehabt, sondern nur als Reichsverweser verwaltet hat, da im Hause Dschou die Erbfolge nach der Erstgeburt die Regel war (doch mit Ausnahmen).


16 »Sonnenstadt«, chinesisch »Yang tschong«, weil südlich von dem Berg Sung, einem der fünf heiligen Berge, gelegen. Bei Bergen ist yang = südlich, yin = nördlich; bei Flüssen umgekehrt.


17 Im alten China herrschte Freizügigkeit, doch nicht unbedingt. Jeder Fremdling mußte unter der ortsanwesenden Bevölkerung einen »Wirt« suchen, der zugleich Bürge für ihn war. Von Kung Dsï gingen nun allerhand Gerüchte, daß er bei niedrigen und gemeinen Höflingen Unterschlupf gesucht habe, um dadurch bei den Fürsten anzukommen. Diese Geschichten waren von den Sophisten der Zeit erfunden, um ihr eigenes Verhalten, das vielfach diese Mittel nicht scheute, mit einem großen Namen der Vergangenheit zu decken. Mong Dsï gibt hier Aufklärung auf Grund einer genauen Kenntnis der Tatsachen.


18 Ähnlich wie über I-Yin waren auch über Be Li Hi, den berühmten Kanzler des Fürsten Mu von Tsin, der ca. 624 als vierter der Hegemonen während der Frühlings- und Herbstzeit genannt wird, allerlei Segen verbreitet. Er soll sich, da er kein Geschenk zur Einführung bei dem Fürsten Mu gehabt habe, als Rinderhirt verkauft haben, um so Gelegenheit zu finden, mit dem Fürsten zusammenzutreffen, der ihn daraufhin vom Maul der Rinder weg zum Kanzler ernannt habe.


19 Die beiden kleinen Staaten Yü und Guo waren der gemeinsamen Gefahr durch das übermächtige Dsin ausgesetzt. Sie waren daher auf gegenseitige Hilfe unbedingt angewiesen. Statt dessen ließ sich Yü durch Gewinnsucht blenden, seine Hand zur Vernichtung Guos zu bieten.


20 Der Abschnitt hebt die Einzigartigkeit des Meisters Kung hervor, indem er ihn mit anderen Heiligen der Vorzeit zusammenstellt. Während jeder der anderen eine einzelne Tugend zur Vollkommenheit entwickelt und dadurch Anspruch auf das Prädikat der Heiligkeit hat, besitzt Kung eine allseitige Vollkommenheit, die immer das je nach Zeit und Umständen Rechte trifft. Wodurch er sich vor jenen auszeichnet, ist nicht sowohl die Kraft des Charakters als die Weisheit, die diese Kraft harmonisch abzustimmen weiß.


21 Vgl. II, A, 2 und V, A, 7.

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 145-146.
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