Siebzehnter Abschnitt.
Die Tat.

[102] Frage: Obwohl ihr die dharmas auf verschiedene Weise widerlegt, ist dennoch karma wahrhaftig seiend und kann alle lebenden Wesen (sattva) Lohn empfangen lassen. Wie in dem sūtra gelehrt wird: »Alle sattvas ausnahmslos folgen dem karma und werden (wieder) geboren.« Der Böse geht in die Hölle (naraka) ein, der Gutes Übende bringt den Himmel (svarga) hervor. Der den Pfad Schreitende erlangt nirvāṇa. Deshalb könnten nicht alle dharmas leer (śūnya) sein. Was Tat genannt wird:

Wenn man den Gedanken unterdrücken (und) zähmen kann, dann wird man den lebenden Wesen (sattva) Gutes tun (und sie) fördern. Dieser heißt gütig und wohltätig. Es ist Saat von Lohn in zwei Welten. (XVII. 1.)

Da ein Mensch mit drei Giften (viṣa) (ist) und anderes belästigt, deshalb erzeugt er saṃskāras. Ein Guter vernichtet zunächst selbst Böses; deshalb lehrt (man): »die Gedanken unterdrücken (und) zähmen und anderen Menschen Gutes tun (und sie) fördern.« Wer anderen Gutes tut und sie fördert, der tut dāna (Geben). Wer die Vorschriften befolgt (und) Beleidigungen erträgt (śīla-kṣānti) usw., die sattvas nicht quält, der heißt »gegen andere wohltätig« (parānugrāhaka); auch heißt er »freundschaftlich« (maitrī-kuśala) (und) »fromm« (und) »tugendhaft«. Es heißt auch Saat von freudevollen Wirkungen in der jetzigen Welt (und) in der späteren Welt. Ferner:

Der große Weise lehrt zweierlei Tat (karma): Denken und durch Denken entstanden. Diese Tat wird im einzelnen verschiedentlich getrennt gelehrt. (XVII. 2.)

Der große Weise lehrt zusammenfassend: Tat (karma) ist zweifach: das eine ist Denken, das andere durch Denken entstanden. Diese zwei karmas (sind) wie im abhidharma ausführlich gelehrt.

[103] Was von Buddha als Denken gelehrt wird, das heißt Gedanken-Tat; was durch Denken entsteht, das dann (ist) Leib- (und) Mund-Tat. (XVII. 3.)

Denken (cetanā) ist gedanklich (caitasika).1 In allen gedanklichen (caitasika) dharmas kann es entspringen (und) hat Wirkung: deshalb heißt es »Tat« (karma). Wegen dieses Denkens (cetanā, Motiv) bringt man äußeres körperliches (und) mündliches karma hervor. Obwohl (alles) durch die übrigen Gedanken (citta) und gedanklichen (caitasika) dharmas bewirkt wird, ist (d.i. heißt) nur cetanā, was Wirkensursprung ist. Deshalb sagt man: »cetanā bewirkt Tat.« Diese Tat (karma) wird er jetzt lehren (in ihren) Eigenschaften.

Körperliche Tat und mündliche Tat, tätige und untätige Tat, unter diesen vier Begriffen (eig. »Sachen«) gibt es gute (und) auch böse (Tat). (XVII. 4.)

Aus Genuß entsteht Gutes (und) Tugend; Sünde entsteht auch so; und (zwar) bewirkt cetanā sieben dharmas (und) kann verschiedenes karma-vereigenschaftetes hervorbringen. (XVII. 5.)

Mündliche Tat: (es ist) vierfache mündliche Tat. Körperliche Tat: (es ist) dreifache körperliche Tat. In diesen sieben (Arten von) Tat (karma) ist zweierlei Unterschied: es ist Tat (oder) es ist Nicht-Tat. »Wirkend« heißt »karma-wirken«. (Schon) gewirkt immer folgend dem Entstehen heißt »nicht-wirkendes karma«. Diese zwei Arten sind gut (kuśala) und nicht-gut (akuśala). akuśala heißt: das Böse hat noch nicht aufgehört. kuśala heißt: das Böse hat aufgehört. Ferner ist durch Genuß (paribhoga) Hervorbringen von Segen (und) Tugend, wie (wenn) ein Wohltäter dem Annehmer hilft. Wenn der Annehmer annimmt (und) genießt, so erreicht der Wohltäter zwei Arten von Segen: das eine (ist) durch das Helfen entstanden, das zweite (ist) durch das Genießen entstanden. Wie ein Mensch durch einen Pfeil einen Menschen erschießt. Wenn der Pfeil einen Menschen tötet, so sind zwei Arten von Übel: das eine durch das Schießen entstanden, das zweite durch Töten entstanden. Wenn das Schießen nicht tötet, erreicht der Schießende nur das Übel des Schießens, nicht das Übel des Tötens. Des halb wird im śloka[104] gelehrt: Böses und Gutes ist durch Genuß entstanden. So heißt es: sechsfaches karma. Das siebte heißt cetanā. Durch diese sieben Arten unterscheidet man dann karma-vereigenschaftetes. Dieses karma ist mit Vergeltung in dieser Welt (und) in der späteren Welt. Deshalb ist wahrhaftig Tat (karma) und Vergeltung (karma-phala); deshalb können nicht alle dharmas leer sein.

Antwort:

(Wenn) karma bis zum Empfangen der Vergeltung verharrte, dann (wäre) dieses karma ewig. Wenn vernichtet, dann (ist) es nicht ewig2: wie erzeugt es Vergeltung? (XVII. 6.)

Wenn das karma bis zum Empfangen der Vergeltung verharrt, dann heißt das ewig. Diese Sache ist nicht richtig. Weshalb? karma ist (mit) Vergehen und Entstehen vereigenschaftet; auch nur einen Augenblick verharrt es schon nicht, um so mehr (nicht) bis zur Vergeltung. Wenn (man) sagt: »karma vergeht«, dann ist es vergangen und ist nicht: wie kann es Vergeltung erzeugen?

Frage:

Wie die Reihe (santāna) von Sproß usw. ausnahmslos durch Samen entsteht, (so) entsteht durch diesen eben die Frucht, ohne Samen ist nicht die Reihe. (XVII. 7.)

Durch Samen ist die Reihe, durch die Reihe ist die Frucht. Zuerst ist Samen, später ist die Frucht: nicht abgebrochen, auch nicht ewig. (XVII. 8.)

So entsteht durch erstes Denken (citta) die Reihe der Gedanken-Zustände, durch diese ist Wirkung (phala), ohne Denken ist nicht die Reihe. (XVII. 9.)

Durch Denken (citta) ist die Reihe, durch die Reihe ist die Wirkung. Vorher ist karma, später ist Wirkung: nicht abgebrochen, auch nicht ewig. (XVII. 10.)

Wie durch das Samenkorn der Sproß, durch den Sproß des Stengels, Blattes usw. Reihe, so ist durch diese Reihe das Entstehen der Wirkung (phala); ohne Samen ist nicht das Entstehen der Reihe; deshalb ist durch Samenkorn die Reihe (santāna), durch die Reihe ist Wirkung. Da vorher Samen, später Frucht ist, ist nicht Abbrechen (uccheda), auch nicht Ewig(keit)[105] (śāśvata). Wie das Samenkorn-Beispiel, so auch die Wirkung (Frucht) des karma. Ursprünglich erzeugt Denken (citta) Böses (und) Gutes, ähnlich wie der Samen. Durch dieses Denken (citta) und die übrigen Gedanken (citta) und gedankenartigen (caita-sika) dharmas entsteht die Reihe, und zwar bis zur Vergeltung. Da vorher karma und nachher Frucht (phala) ist, so ist nicht Abbrechen (uccheda) und auch nicht Ewig(keit) (śāśvata). Wenn ohne karma Vergeltung ist, dann ist Abbrechen (und) Ewig(keit).

Was Grund und Bedingung der Belohnung der guten Taten genannt wird:

Was gutes karma3 erreichen kann, das sind die zehn reinen karma-Wege. Der zwei Welten fünffache Lust (kāma) (und) Freude (sukha): das eben ist Belohnung von reinem karma. (XVII. 11.)

»Rein« (śukla) heißt gut und klar, Erreichen der Ursachen und Bedingungen (hetu-pratyaya) des Segens und der Tugend. Durch diese zehn reinen karma-Wege entsteht (1) Nicht-töten (prāṇātipātād-virati), (2) Nicht-stehlen (adattādānād-virati), (3) Nicht-neigen-zu-Ausschweifungen (kāma-mithyācārād-virati), (4) Nicht-lügen (mṛṣāvādāt-prativirati), (5) Nicht-unfreundlich-reden (pāruṣyāt-prativirati), (6) Nicht-gehässig-sein (paiśunyāt-prativirati), (7) Nicht-zweizüngig-reden (sambhinna-pralāpāt-prativirati), (8) Nicht-neidisch-sein (abhidhyāyāh-prativirati), (9) Nicht-zornig-sein (vyāpādāt-prativirati), (10) Nicht-zu-Ansichten-neigen (mithyādṛsteḥ-prativirati).4 Dies heißt Tugend. Durch Körper, Mund Denken (manas) erzeugt (man) die Vergeltung: (man) erreicht in der jetzigen Welt Ruhm (und) Glück; in der späteren Welt, unter Göttern (deva) (und) Menschen (manuṣya) an edlem Platz geboren zu werden. Obwohl Geben (dāna), Verehrung usw. mit verschiedenem Segen (und) Tugend sind, lehrt er dann zusammenfassend in zehn guten Wegen (kuśala-mūla-patha).

Antwort:

Wenn man wie ihr unterscheidet, dann sind der Fehler äußerst viele. Deshalb ist, was ihr lehrt, in der Bedeutung eben nicht richtig. (XVII. 12.)

Wenn ihr, wegen Zusammenhangs von karma (und) Vergeltung[106] das Samenkorn als Beispiel nehmt, so sind der Fehler außerordentlich viele. Nur werden sie hier nicht ausführlich gelehrt. Ihr lehrt das Samenkorn als Beispiel. Dieses Beispiel ist nicht richtig. Weshalb? Das Samenkorn ist mit Berührung (sparśa), mit Form (ākāra); zu sehen ist der Zusammenhang (santāna). Ich überlege: (Wenn) diese Sache schon (ist), so (darf man) dennoch jene Ausdrucksweise nicht annehmen. Um so mehr ist Gedanke (citta) und Tat (karma) ohne Berührung und ohne Form nicht sichtbar (mit) Entstehen (und) Vergehen, nicht (mit) Verharren. (Ihr) meint durch Zusammenhang (santāna): diese Sache ist nicht richtig. Ferner: Durch Samenkorn ist Zusammenhang von Stengel usw.: dann ist entweder des schon Vergangenen Zusammenhang oder des (noch) Nicht-vergangenen Zusammenhang. Wenn das Samenkorn (schon) vernichtet zusammenhängt, dann ist (es) grundlos. Wenn das Samenkorn nicht vernichtet ist (und) trotzdem zusammenhängt, dann entstehen durch dieses Samenkorn ewig (alle) Samenkörner. Wenn so, dann erzeugt eben ein Samenkorn (in) aller Welt Samen. Diese Sache ist nicht richtig. Deshalb ist auch Zusammenhang der karma-Vergeltung eben nicht richtig.

Frage:

Jetzt werde ich ferner nochmals die richtige Bedeutung der karma-Vergeltung lehren, was die Weisen, die buddhas, die pratyeka-buddhas, verkünden (und) rühmen. (XVII. 13.)

Sie sagen:

Ein unverlierbarer dharma wie ein (Schuld-)Schein (ist) karma, wie Geld oder Güter schulden – dieses ist von Natur aus nicht aufgezeichnet; unterschieden werden vier Arten. (XVII. 14.)

In Sehens-Wahrheit (darśana-satya) sind sie nicht abgeschnitten, nur in Ausübens(-Wahrheit) (bhāvanā-satya) sind sie abgeschnitten; durch dieses sind (als) unverlierbare dharmas die Taten (karma) mit Vergeltung. (XVII. 15.)

Wenn es (in) darśana-satya abgeschnitten wird, dann kommt karma bis zur Ähnlichkeit (mit karma). Erreicht (man) dann Widerlegung von karma, so ist das fehlerhaft. (XVII. 16.)

[107] Alle saṃskāra-karma, wesensähnlich (oder) wesensunähnlich, nehmen (in) einem dhātu ursprünglich Körper an: dann erreicht man der Vergeltung einziges Entstehen. (XVII. 17.)

So empfängt karma von zwei Arten in der gegenwärtigen Welt Vergeltung; einige sagen: (sie) haben (schon) Vergeltung empfangen, doch karma ist noch übrig wie früher. (XVII. 18.)

Entweder ist die Frucht schon gereift (und dann) vergeht sie, oder sie ist schon vernichtet und vergeht. In diesem unterscheidet man »mit-Aus fluß« (āsrava) und »ohne-Ausfluß« (anāsrava). (XVII. 19.)

Nicht verlierbarer dharma, wird (man) erkennen, ist wie ein Schein, karma wie Güter empfangen. Diese unverlierbaren dharmas (sind) (1) kāma-dhātu-gehörig, (2) rūpa-dhātu-gehörig, (3) arūpa-dhātu-gehörig, (4) nicht-gehörig. Wenn man zwischen Gutem, Nicht-Gutem und Gleichgültigem unterscheidet, sind sie nur gleichgültig. Dieser gleichgültigen (sc. dharmas) Bedeutung ist im abhidharma ausführlich gelehrt. Was in darśana-satya nicht abbricht, kommt durch eine Frucht bis zu einer Frucht5; hier in bhāvanā sind sie abgeschnitten. Dadurch entsteht aus den Taten (karma) wegen Unverlierbarkeit Frucht. Wenn durch darśana-satya abgeschnitten wird, erreicht karma Wesensähnliches, dann erhält man den Fehler des karma-Abbrechens. Diese Sache ist im abhidharma ausführlich gelehrt. Ferner unverlierbarer dharma: in einem dhātu (Element) sind die Taten (karma) wesensähnlich oder nicht-wesensähnlich. Zur Zeit der ursprünglichen Körperannahme ist Vergeltung allein (d.h. isoliert) entstanden. Im gegenwärtig vorhandenen Körper geht durch karma nochmals karma hervor. Dieses karma ist zweifach, der Schwere entsprechend nimmt es Vergeltung an. Oder man sagt: dieses karma dürfte nach Empfang von Vergeltung existieren, weil es nicht in jedem Augenblick vergeht. Entweder gradweise ist die Frucht vergangen, oder nach dem Tode ist sie vergangen. Bei dem zum Strome Gelangten (śrota-āpanna) ist gradweise die Frucht vergangen, bei gewöhnlichen Leuten und arhants ist sie aber[108] nach dem Tode vergangen. Hierin unterschieden (sind sie) mit āsrava oder ohne āsrava. Durch śrota-āpanna usw. würden alle Weisen mit āsrava und ohne āsrava unterschieden.

Antwort: Diese ganze Sache ist nicht ohne uccheda- (und) śāśvata-Fehler. Deshalb auch sollte man sie nicht annehmen.

Frage: Wenn so, dann ist nicht karma-Vergeltung.

Antwort:

Obwohl leer auch, nicht abgebrochen (uccheda), obwohl seiend, doch6 nicht ewig (śāśvata): karma- Vergeltung ist unverlierbar, das heißt der Buddhas Lehre. (XVII. 20.)

Was in diesem śāstra gelehrt wird, dessen Bedeutung ist ohne Abbrechen (uccheda) (und) ewig (śāśvata). Weshalb? karma ist vollständig leer, still-erloschen-vereigenschaftet. (Wenn sein) Eigensein (svabhāva) ohne Sein ist, welcher dharma ist abzuschneiden, welcher dharma ist verlierbar? Weil durch Verkehrtheit bedingt, ist Wandern im saṃsāra auch nicht ewig. Weshalb? Wenn dharmas durch Irrtum entstanden sind, dann sind sie illusorisch, nicht tatsächlich; weil nicht tatsächlich, nicht ewig. Ferner: da Gier und Haften (ihn) verwirren, erkennt (er) nicht die tatsächliche Beschaffenheit. Deshalb sagt er: karma ist unverlierbar. Das ist es, was Buddha lehrt. Ferner:

Die karmas entstehen ursprünglich nicht, weil sie nicht mit wahrhaftigem Sein sind. Die karmas auch vergehen nicht, weil sie nicht entstehen. (XVII. 21.)

Wenn karma mit Eigensein ist, dann heißt es ewig, nicht gewirkt auch heißt dann karma, (denn) das Ewige ist eben nicht zu wirken. (XVII. 22.)

Wenn es nicht-gewirktes karma gibt, so wäre das nicht-gewirkte trotzdem Sünde. Den reinen Wandel nicht abgeschnitten (habend), hätte man doch die Mängel des Unreinen. (XVII. 23.)

Dies dann widerspricht aller weltlichen Ausdrucksweise. Gutwirken und böswirken werden auch nicht unterschieden. (XVII. 24.)

Wenn man sagt: »karma ist absolut bestimmt, so[109] hat es doch selbst eigenes Wesen«, so würde man, Vergeltung empfangen habend, (sie) dennoch nochmals empfangen. (XVII. 25.)

Wenn die weltlichen karmas aus Qualen (kleśa) hervorgehen, so sind diese kleśas nicht tatsächlich: wie wird karma tatsächlich sein? (XVII. 26.)

Im höchsten Sinne entstehen die Taten (karma) nicht. Weshalb? Weil sie nicht mit Eigensein sind. Infolge des Nicht-entstehens vergehen sie eben nicht. Nicht, weil sie ewig sind, vergehen sie nicht. Wenn nicht so, so würden die karmas ihrem Wesen (svabhāva) nach wahrhaftig seiend sein. Wenn die karmas ihrem Wesen nach absolut wahr sind, dann sind sie ewig. Wenn ewig, dann sind das nicht-gewirkte karmas. Weshalb? Weil ewige dharmas nicht zu wirken sind. Ferner: Wenn nichtgewirktes karma ist, dann tut jener Mensch Böses, (und) dieser Mensch empfängt die Vergeltung. Und jener Mensch bricht (reinen Wandel) ab, aber dieser Mensch ist böse, dann (ist) Widerspruch mit der gewöhnlichen Anschauung (loka-vyavahāra-dharma). Wenn vorher Winter ist, würde man nicht denken: es hat die Bedeutung des Frühlings. Frühling: dann würde man nicht denken an die Bedeutung des Sommers. Solche Fehler liegen vor.

Ferner: (Zwischen) Gutestuendem und Bösestuendem ist dann kein Unterschied. Wohltätigkeit (dāna), Gebote-beachten (śila) u.dgl. karmas hervorbringen heißt gut-wirken. Mord, Raub u.dgl. karmas hervorbringen heißt böse-wirken. Wenn man (sie) nicht wirkt, ist dennoch karma, dann ist nicht Unterscheidung.

Ferner: Wenn dieses karma wahrhaftig eigenes Wesen hat, dann, zu einer Zeit Vergeltung empfangen habend, würde man ferner nochmals empfangen. Deshalb lehrt ihr: weil Vergeltung unverlierbar ist, sind solche Fehler.

Ferner: Wenn karma aus Qualen (kleśa) hervorgeht, sind diese kleśas nicht absolut wahr, nur durch Erinnerung (und) Unterscheidung sind sie. Wenn die kleśas nicht tatsächlich sind, wie ist karma tatsächlich? Weshalb? Weil abhängig von Nicht-Eigensein (asvabhāva), ist auch karma nicht-selbst-seiend.

Frage: Wenn die kleśas und karma nicht-selbst-seiend und nicht-tatsächlich sind, wäre der jetzt vorhanden seiende Vergeltungs-Körper tatsächlich?[110]

Antwort:

Qualen (kleśa) und Tat (karma): diese werden als des Körpers Bedingungen gelehrt; kleśas und karmas sind leer, um so mehr der Körper. (XVII. 27.)

Die Weisen lehren: kleśas und karmas sind des Körpers Bedingungen. In diesem kann Verlangen (tṛṣṇā) zur (Wieder-) Geburt gedeihen.7 karma8 kann bei Hohen, Mittleren, Niederen Vergeltung für Schönes und Häßliches, Edles und Gemeines usw. bewirken. Jetzt sind die kleśas und karmas, (obwohl) verschiedentlich eifrig gesucht, nicht wahrhaftig seiend, um so mehr: sind die Körper wahrhaftig? Weil die Folge (Frucht) den Bedingungen entsprechend ist.

Frage: Obwohl ihr auf verschiedene Weise karma und Vergeltung widerlegt, so ist doch im sūtra der karma-Verursacher gelehrt. Da der karma-Verursacher ist, ist Vergeltung. Wie gelehrt wird:

Durch Nichtwissen (avidyā) bedeckt, durch Verlangensbande gebunden, ist dennoch der ursprüngliche Täter nicht verschieden, auch nicht einer.9 (XVII. 28.)

Im Nicht-Anfang-sūtra10 wird gelehrt: Die lebenden Wesen (sattva), durch Nichtwissen bedeckt, durch Verlangens (tṛṣṇā)-bande gebunden, kommen und gehen im anfangslosen saṃsāra (und) empfangen verschiedenartiges Leid (und) Freude. Die jetzt Empfangenden sind mit den früher Wirkenden nicht dieselben, auch nicht verschieden.

Wenn es ebenderselbe ist, als Mensch Böses tut und eines Rindes Gestalt erhält, dann wird der Mensch nicht zum Rind, das Rind wird nicht Mensch. Wenn verschieden, dann ist Vergeltung ohne Beachtung des karma, (und) Fallen in Abbrechen (uccheda) (und) Vergehen (nirodha).11 Deshalb ist der Empfänger nicht im früheren Täter, auch ist er nicht verschieden.

Antwort:

karma ist nicht durch Bedingungen (pratyaya) entstanden,[111] (auch) nicht durch Nichtbedingungen (apratyaya) entstanden. Deshalb gibt es eben keinen, der karma hervorbringen kann. (XVII. 29.)

Nicht ist karma, nicht ist Täter; was heißt: »karma erzeugt Frucht«? Wenn diese Frucht nicht ist, wer ist Fruchtempfänger? (XVII. 30.)

Wenn nicht karma ist, nicht karma-Wirkender ist, wie ist durch karma Entstehen der Vergeltung? Wenn Vergeltung nicht ist, wie ist ein Empfänger von Vergeltung? karma ist dreifach; der als in den fünf skandhas befindliche irrtümlich (d.i. konventionell) bezeichnete Mensch: der ist Täter; das an gutem und bösem Ort entstandene Tun heißt »Vergeltung«. Wenn schon der Veranlasser von karma nicht ist, um so mehr ist karma (nicht), Vergeltung und der Vergeltung-Empfangende.

Frage: Obwohl ihr verschiedentlich karma, Vergeltung und den Veranlasser von karma widerlegt, tun dennoch jetzt, wie unmittelbar gesehen, die lebenden Wesen (sattva) karma (und) empfangen Vergeltung. Wie ist diese Sache?

Antwort:

Wie der Erhabene (bhagavān) durch übernatürliche Kräfte einen gezauberten Menschen bewirkt, so zaubert der gezauberte Mensch ferner einen scheinbaren Menschen. (XVII. 31.)

Dem ursprünglich gezauberten Menschen entspricht der Täter, das von dem gezauberten Menschen Getane entspricht karma. (XVII. 32.)

Die Qualen (kleśa) und karma, der Täter und Vergeltung, alles ausnahmslos ist wie Schein und Traum, wie Flamme, auch wie Echo. (XVII. 33.)

Wie Buddha durch übernatürliche Kraft (ṛddhi) einen gezauberten Menschen bewirkt, (und) dieser gezauberte Mensch ferner einen Zaubermenschen bewirkt. Wie der Zaubermensch nicht in tatsächlichem Sinne ist, sondern nur mit dem Auge zu sehen. Und der Zaubermensch lehrt mit Mund-karma den dharma, (mit) Körper-karma erweist er Wohltaten usw.; (so ist), obwohl dieses karma nicht tatsächlich ist, es doch zu sehen. So wäre auch ein mit saṃsāra-Körper Handelnder (Wirkender) und karma zu erkennen. »kleśas« heißt: die drei Gifte; unterschieden werden[112] 98 dhūtas12, neun Fesseln (grantha), zehn Banden (bandhana), sechs Flecken (mala) usw.: unermeßlich (sind) alle diese kleśas. karma heißt Körper-, Mund-, Gedanken-karma. (In) jetziger Welt (und) späterer Welt wird Gutes, Nicht-Gutes, Gleichgültiges unterschieden; Leid-Vergeltung, Freude-Vergeltung, nicht-Leid-(und)-nicht-Freude-Vergeltung, unmittelbares Vergeltungs-karma, Entstehens-Vergeltungs-karma, später-Vergeltungs-karma. Solche unermeßlichen Täter heißen fähig, alle kleśas (und) karmas hervorzubringen und können Vergeltung empfangen. Vergeltung heißt: durch gutes (und) böses karma gleichgültige fünf skandhas hervorbringen. Solche karmas sind ausnahmslos leer, nicht selbstseiend, wie ein Trug, wie Traum, wie Echo, wie Flamme.

1

Vgl. Mahāvyutpatti 104. 5.

2

TE.: »dann ist es nicht karma«.

3

TE.: »Was Gutes (und) Tugend erreichen kann«.

4

Vgl. Mahāvyutpatti 92.

5

Die vier ārya-phalāni sind srota-āpanna, sakṛd-āgāmin, anāgamin, arhant.

6

TE.: »auch«.

7

KE.: »In diesem kann Verlangen entstehen«.

8

KE.: »Haften an karma«.

9

TE.: »nicht eben der, auch nicht ein andrer«.

10

Vgl. Saṃyutta-nikya, chin. Übers., TE. XIII. 2. 56b.

11

Nach KE.

12

Vgl. Nanjio Nr. 1636, TE. XXXVII. 3. 224b; Nanjio Nr. 1278, TE. XXIV. 1. 6b. (Über den letzteren Text vgl. Takakusu JPTS. 1905 p. 131.)

Quelle:
Die mittlere Lehre des Nāgārjuna. Heidelberg 1912, S. 102-113.
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